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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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der technischen Gestaltung der Vorlage und selbst an dem Grundgedanken den
ersten Antheil habe. Das ist der eine Grund, ihm die Ehre der Einbringung
zu lassen- Ein anderer Grund ist aber, daß erst im Januar dieses Jahres die
"Provinzial-Correspondenz" einen Artikel brachte, worin ein neues Preßvrgan
der Curie in Rom, die "Aurora", belehrt wurde, daß die kircheupolitische Gesetz¬
gebung Preußens vom Cultusminister vorbereitet und im Landtage vertreten
werde. Dieser seiner Zeit vielbesprochene Artikel sollte, wie ziemlich deutlich ist,
wenn man sich an das erinnert, was die "Aurora" gesagt hatte, der im römi¬
schen Lager mit Geflissentlichkeit zur Schau getragenen Annahme begegnen, als
könne der Reichskanzler in Preußen handeln wie er wolle, als habe er nicht
einen König über sich, College" neben sich und außerdem den selbständigen
Willen zweier gesetzgebenden Factoren. Nach diesem Vorgange mußte die Ein¬
bringung der jetzigen Vorlage durch Herrn v. Puttkamer doppelt angemessen
erscheinen. Die Sachlage nun aber so zu verdrehen, daß eine Vorlage, die
Fürst Bismarck deshalb nicht unter seinem Namen einbringt, um sie destomehr
als Ausdruck der Gesammtpolitik des Staates erscheinen zu lassen, gerade darum
auf Rechnung der "particularistischen", d. h. von der Gesammtpolitik abgelösten
Tendenzen des jeweiligen Cultusministers gesetzt wird, ist ein Verfahren, das
von wenig Muth zeigt, der Lage der Dinge ins Auge zu sehen, und daher auch
von wenig Fähigkeit, der öffentlichen Meinung den Dienst der Aufklärung des
Urtheils zu erweisen, dessen sie gerade diesmal dringend bedürfte.

Es ist unschwer zu erkennen, daß trotz des natürlichen Bestrebens, gerade
diese Vorlage als Ausdruck der Gesammtpolitik der Regierung hinzustellen, die
Vorlage in den eigensten Organismus der Gesammtpolitik des Kanzlers hinein¬
gehört, gleichviel ob der Cultusminister an der bestimmten Gestaltung den
Hauptantheil hat. Auffallend ist an dem Gesetzentwurfe zunächst, daß von einer
Voranscmssetzung Abstand genommen worden ist, welche in dem Staatsmiui-
sterialbeschluß vom 17. März d. Is. für die Einbringung eines solchen Ent¬
wurfs aufgestellt war. In dem erwähnten, seiner Zeit veröffentlichten Staats-
ministerialbeschluß heißt es mit Bezug auf das unterm 24. Februar an den
entsetzten Erzbischof von Cöln gerichtete Breve des Papstes: "Sie (die Regie¬
rung) hofft zunächst erwarten zu dürfen, daß der erneuten Erklärung über die
versöhnlichen Absichten Sr. Heiligkeit auch praktische Folge gegeben wird. So¬
bald die königliche Regierung den sichtlichen und in Thatsachen ausgedrückten
Beweis hierfür in Händen hat, wird sie sich bemühen, von der Landesvertre¬
tung Vollmachten zu gewinnen, welche ihr bei Anwendung und Handhabung
der einschlagenden Gesetzgebung freiere Hand gewähren u. f. w." Man fragt,
wo denn der erwartete Beweis ist und wie die Staatsregierung, trotz ihrer
Erklärung, ohne denselben die betreffenden Vollmachten beantragen kann. Die


der technischen Gestaltung der Vorlage und selbst an dem Grundgedanken den
ersten Antheil habe. Das ist der eine Grund, ihm die Ehre der Einbringung
zu lassen- Ein anderer Grund ist aber, daß erst im Januar dieses Jahres die
„Provinzial-Correspondenz" einen Artikel brachte, worin ein neues Preßvrgan
der Curie in Rom, die „Aurora", belehrt wurde, daß die kircheupolitische Gesetz¬
gebung Preußens vom Cultusminister vorbereitet und im Landtage vertreten
werde. Dieser seiner Zeit vielbesprochene Artikel sollte, wie ziemlich deutlich ist,
wenn man sich an das erinnert, was die „Aurora" gesagt hatte, der im römi¬
schen Lager mit Geflissentlichkeit zur Schau getragenen Annahme begegnen, als
könne der Reichskanzler in Preußen handeln wie er wolle, als habe er nicht
einen König über sich, College» neben sich und außerdem den selbständigen
Willen zweier gesetzgebenden Factoren. Nach diesem Vorgange mußte die Ein¬
bringung der jetzigen Vorlage durch Herrn v. Puttkamer doppelt angemessen
erscheinen. Die Sachlage nun aber so zu verdrehen, daß eine Vorlage, die
Fürst Bismarck deshalb nicht unter seinem Namen einbringt, um sie destomehr
als Ausdruck der Gesammtpolitik des Staates erscheinen zu lassen, gerade darum
auf Rechnung der „particularistischen", d. h. von der Gesammtpolitik abgelösten
Tendenzen des jeweiligen Cultusministers gesetzt wird, ist ein Verfahren, das
von wenig Muth zeigt, der Lage der Dinge ins Auge zu sehen, und daher auch
von wenig Fähigkeit, der öffentlichen Meinung den Dienst der Aufklärung des
Urtheils zu erweisen, dessen sie gerade diesmal dringend bedürfte.

Es ist unschwer zu erkennen, daß trotz des natürlichen Bestrebens, gerade
diese Vorlage als Ausdruck der Gesammtpolitik der Regierung hinzustellen, die
Vorlage in den eigensten Organismus der Gesammtpolitik des Kanzlers hinein¬
gehört, gleichviel ob der Cultusminister an der bestimmten Gestaltung den
Hauptantheil hat. Auffallend ist an dem Gesetzentwurfe zunächst, daß von einer
Voranscmssetzung Abstand genommen worden ist, welche in dem Staatsmiui-
sterialbeschluß vom 17. März d. Is. für die Einbringung eines solchen Ent¬
wurfs aufgestellt war. In dem erwähnten, seiner Zeit veröffentlichten Staats-
ministerialbeschluß heißt es mit Bezug auf das unterm 24. Februar an den
entsetzten Erzbischof von Cöln gerichtete Breve des Papstes: „Sie (die Regie¬
rung) hofft zunächst erwarten zu dürfen, daß der erneuten Erklärung über die
versöhnlichen Absichten Sr. Heiligkeit auch praktische Folge gegeben wird. So¬
bald die königliche Regierung den sichtlichen und in Thatsachen ausgedrückten
Beweis hierfür in Händen hat, wird sie sich bemühen, von der Landesvertre¬
tung Vollmachten zu gewinnen, welche ihr bei Anwendung und Handhabung
der einschlagenden Gesetzgebung freiere Hand gewähren u. f. w." Man fragt,
wo denn der erwartete Beweis ist und wie die Staatsregierung, trotz ihrer
Erklärung, ohne denselben die betreffenden Vollmachten beantragen kann. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/402>, abgerufen am 03.07.2024.