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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Denkmal zum Gedächtniß der Gefallenen von 1866 für die Stadt Halle, die
seine Thätigkeit in Anspruch nahmen. Das erstere besteht aus zwei Karyatiden,
welche ein Gebälk tragen, und aus einem zwischen den beiden Figuren in die
Wand eingelassenen Doppelrelief. Die Karyatiden sind zwei ernste Frauen¬
gestalten, welche den Glauben und den Tod symbolisieren. Junige Zuversicht
in dem Antlitz der einen, tiefe Trauer in den Mienen der anderen -- so wird
der ursprünglich rein architektonische Gedanke, der die Karyatiden zu Lasten¬
trägerinnen bestimmte, veredelt und vertieft. Das Kriegerdenkmal war von
Hitzig entworfen: Schayer hatte nur den plastischen Schmuck zu liefern, der
in einer Borussia und zwei, zu beiden Seiten ihres Fußgestells gelagerten
Löwen bestand. Der eine zum Tode verwundet, senkt sterbend sein müdes
Haupt, der andere erhebt sich in neuerwachender Kraft. Die meisterliche Aus¬
führung der prächtigen Thiere zeugte ebenso wohl von ernsten Studien nach
der Natur als von Kraft und Energie der Auffassung und Sorgsamkeit in der
Detailliruttg. Neben diesen und den folgenden größeren Arbeiten wurden auch
Büsten und kleinere Genrefiguren ausgeführt. Ein kleines Mädchen, das sich
eben ins Bad zu steigen anschickt, aber erst vorsichtig prüfend den Fuß voraus¬
schiebt, ist um seiner reizenden Naivetät und seines glücklichen Humors willen
besonders zu erwähnen. Dann aber beschäftigte den Künstler vorzugsweise die
um ein Goethedenkmal für Berlin aufgeschriebene Concurrenz.

Nach langen Vorbereitungen und verzögert durch verschiedene Zwischenfälle,
besonders durch den Krieg mit Frankreich, hatte am 11. November 1871 die
Enthüllung des Schillerdenkmals gegenüber dem Schauspielhause stattgefunden.
Die ursprünglich wohl gefaßte Idee, den beiden Dichterheroen ein Doppeldenkmal
zu errichten oder auch für Goethe vor dem Schauspielhause einen Platz auf¬
zubewahren, war endgiltig aufgegeben worden. Indessen bildete sich unter dem
Vorsitze des Geh. Regierungsrathes Loeper ein Comitö, welches alsbald eine
Concurrenz aufschrieb, deren Resultat im Mai 1872 in der Rotunde des alten
Museums ausgestellt wurde. Was man da zu Gesichte bekam -- es waren,
wenn ich nicht irre, achtzig und einige Entwürfe --, war nicht fehr ermuthigend.
Die Jury konnte sich über keinen derselben einigen, und so wurden aus der
Menge die vier relativ besten ausgewählt und ihre Urheber, die Bildhauer
Siemering, Schayer, Donndorf und Calandrelli, zu einer zweiten engern Con¬
currenz aufgefordert, deren Ergebniß im Januar 1873 zur Ausstellung gelangte-
Bei der ersten sowohl als bei dieser zweiten Concurrenz hatte sich die öffent¬
liche Meinung entschieden für Siemering ausgesprochen, der schon bei der Schiller-
concurrenz unbillig übergangen worden war. Sein Goethe, der auf einem ein¬
fachen, nur vorn durch das Relief eines Eros geschmückten Postamente in einem
Halbkreise thront, welcher nach hinten durch eine Bank abgeschlossen wird, war


Denkmal zum Gedächtniß der Gefallenen von 1866 für die Stadt Halle, die
seine Thätigkeit in Anspruch nahmen. Das erstere besteht aus zwei Karyatiden,
welche ein Gebälk tragen, und aus einem zwischen den beiden Figuren in die
Wand eingelassenen Doppelrelief. Die Karyatiden sind zwei ernste Frauen¬
gestalten, welche den Glauben und den Tod symbolisieren. Junige Zuversicht
in dem Antlitz der einen, tiefe Trauer in den Mienen der anderen — so wird
der ursprünglich rein architektonische Gedanke, der die Karyatiden zu Lasten¬
trägerinnen bestimmte, veredelt und vertieft. Das Kriegerdenkmal war von
Hitzig entworfen: Schayer hatte nur den plastischen Schmuck zu liefern, der
in einer Borussia und zwei, zu beiden Seiten ihres Fußgestells gelagerten
Löwen bestand. Der eine zum Tode verwundet, senkt sterbend sein müdes
Haupt, der andere erhebt sich in neuerwachender Kraft. Die meisterliche Aus¬
führung der prächtigen Thiere zeugte ebenso wohl von ernsten Studien nach
der Natur als von Kraft und Energie der Auffassung und Sorgsamkeit in der
Detailliruttg. Neben diesen und den folgenden größeren Arbeiten wurden auch
Büsten und kleinere Genrefiguren ausgeführt. Ein kleines Mädchen, das sich
eben ins Bad zu steigen anschickt, aber erst vorsichtig prüfend den Fuß voraus¬
schiebt, ist um seiner reizenden Naivetät und seines glücklichen Humors willen
besonders zu erwähnen. Dann aber beschäftigte den Künstler vorzugsweise die
um ein Goethedenkmal für Berlin aufgeschriebene Concurrenz.

Nach langen Vorbereitungen und verzögert durch verschiedene Zwischenfälle,
besonders durch den Krieg mit Frankreich, hatte am 11. November 1871 die
Enthüllung des Schillerdenkmals gegenüber dem Schauspielhause stattgefunden.
Die ursprünglich wohl gefaßte Idee, den beiden Dichterheroen ein Doppeldenkmal
zu errichten oder auch für Goethe vor dem Schauspielhause einen Platz auf¬
zubewahren, war endgiltig aufgegeben worden. Indessen bildete sich unter dem
Vorsitze des Geh. Regierungsrathes Loeper ein Comitö, welches alsbald eine
Concurrenz aufschrieb, deren Resultat im Mai 1872 in der Rotunde des alten
Museums ausgestellt wurde. Was man da zu Gesichte bekam — es waren,
wenn ich nicht irre, achtzig und einige Entwürfe —, war nicht fehr ermuthigend.
Die Jury konnte sich über keinen derselben einigen, und so wurden aus der
Menge die vier relativ besten ausgewählt und ihre Urheber, die Bildhauer
Siemering, Schayer, Donndorf und Calandrelli, zu einer zweiten engern Con¬
currenz aufgefordert, deren Ergebniß im Januar 1873 zur Ausstellung gelangte-
Bei der ersten sowohl als bei dieser zweiten Concurrenz hatte sich die öffent¬
liche Meinung entschieden für Siemering ausgesprochen, der schon bei der Schiller-
concurrenz unbillig übergangen worden war. Sein Goethe, der auf einem ein¬
fachen, nur vorn durch das Relief eines Eros geschmückten Postamente in einem
Halbkreise thront, welcher nach hinten durch eine Bank abgeschlossen wird, war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/380>, abgerufen am 22.07.2024.