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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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licht zu werden, die Existenz eines unabhängigen Elsaß voraussetzt. Das wäre
möglich gewesen in dem alten zur Sage gewordenen (in^suäairs) Deutschland,
aber nicht in dem neuen. Baiern würde die Mission, Elsaß-Lothringen mit seiner
neuen Bestimmung zu versöhnen, vielleicht gelungen sein; aber das Land sollte
ja nur ein Bollwerk gegen Frankreich und ein Pfand der Einigung sein. Hat
doch der Reichskanzler in der Sitzung vom 30. Mai 1874 erklärt, daß die
Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung Elsaß-Lothringens ihm am Ende
wenig ins Gewicht fallen, da das Land nur erobert sei, um dem Reiche als
Glacis zu dienen. In der That hat sich Preußen nie um das Wohl der
Bevölkerung gekümmert. Man hat das Land ungetheilt gelassen, um ganz
Deutschland an seinem Besitze zu interessiren, und der Deutsche wird es fest¬
halten, denn er ist zäh von Natur.

"In Kabylien bedienen sich die Eingebornen eines ebenso einfachen wie
sinnreichen Mittels, um die Affen, welche in den Schluchten des Gebel-el-Akre
umherspringen, lebendig zu fangen. In eine leere Kalabasse, die an einen
Baumast befestigt ist, thun sie eine Nuß. Das Thier steckt seinen Arm in die
Flasche, packt die Nuß und wird nun durch die Faust mit der Nuß, die zu
groß ist, um sie wieder herauszuziehen, gefangen gehalten. Der Affe läßt seine
Beute nicht fahren, so lange er irgend hoffen kann, hineinzubeißen. Er fühlt
wohl das Falsche seiner Lage und bezeugt es durch die abscheulichen Gesichter,
die er schneidet; aber es würde ihm nie einfallen, die Hand zu öffnen, um sie
wieder herauszuziehen. Gegen Abend kommt der Kabyle wieder und trägt Affen,
Nuß und Kalabasse nach Hause. Ist das nicht einigermaßen das Bild des
deutschen Volkes, das freiwillig an dies imposante, aber hohle Ding, welches
das Reich darstellt, geschmiedet ist, und sich lieber Preußen mit Leib und Seele
hingiebt, als daß es die Lockspeise aufgäbe, von der es doch, es mag kommen,
was da will, nur die Bitterkeiten (asxörltüZ), kennen gelernt haben wird?"

Mit diesem geschmackvollen Gleichnisse schließt unser Artikel. -- Die Behaup¬
tungen und Anschauungen desselben im Einzelnen zu widerlegen, wird man uns nicht
zumuthen. Wir haben uns damit begnügt, anstatt einzelne Stellen hervorzuheben,
den ganzen Gedankengang des Verfassers getreulich und vielfach in buchstäblicher
Uebersetzung wiederzugeben, um ein vollständiges Beispiel von der Art und
Weise zu liefern, wie die Ksvus clss äsux Nonclizs den literarischen Krieg
gegen Deutschland führt, und wie sie im Auslande und in Elsaß-Lothringen
gegen das Reich und insbesondere das tödtlich gehaßte Preußen Propaganda
zu machen sucht. Denn soviel man auch auf das Conto der Verblendung durch
Haß und Ingrimm und der Unmöglichkeit für die Franzosen, dergleichen Dinge
mit ruhiger Objectivität anzuschauen und zu beurtheilen, setzen mag, so läßt sich
doch bei einem Manne, dem es weder an Urtheilskraft noch an den nöthigen


licht zu werden, die Existenz eines unabhängigen Elsaß voraussetzt. Das wäre
möglich gewesen in dem alten zur Sage gewordenen (in^suäairs) Deutschland,
aber nicht in dem neuen. Baiern würde die Mission, Elsaß-Lothringen mit seiner
neuen Bestimmung zu versöhnen, vielleicht gelungen sein; aber das Land sollte
ja nur ein Bollwerk gegen Frankreich und ein Pfand der Einigung sein. Hat
doch der Reichskanzler in der Sitzung vom 30. Mai 1874 erklärt, daß die
Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung Elsaß-Lothringens ihm am Ende
wenig ins Gewicht fallen, da das Land nur erobert sei, um dem Reiche als
Glacis zu dienen. In der That hat sich Preußen nie um das Wohl der
Bevölkerung gekümmert. Man hat das Land ungetheilt gelassen, um ganz
Deutschland an seinem Besitze zu interessiren, und der Deutsche wird es fest¬
halten, denn er ist zäh von Natur.

„In Kabylien bedienen sich die Eingebornen eines ebenso einfachen wie
sinnreichen Mittels, um die Affen, welche in den Schluchten des Gebel-el-Akre
umherspringen, lebendig zu fangen. In eine leere Kalabasse, die an einen
Baumast befestigt ist, thun sie eine Nuß. Das Thier steckt seinen Arm in die
Flasche, packt die Nuß und wird nun durch die Faust mit der Nuß, die zu
groß ist, um sie wieder herauszuziehen, gefangen gehalten. Der Affe läßt seine
Beute nicht fahren, so lange er irgend hoffen kann, hineinzubeißen. Er fühlt
wohl das Falsche seiner Lage und bezeugt es durch die abscheulichen Gesichter,
die er schneidet; aber es würde ihm nie einfallen, die Hand zu öffnen, um sie
wieder herauszuziehen. Gegen Abend kommt der Kabyle wieder und trägt Affen,
Nuß und Kalabasse nach Hause. Ist das nicht einigermaßen das Bild des
deutschen Volkes, das freiwillig an dies imposante, aber hohle Ding, welches
das Reich darstellt, geschmiedet ist, und sich lieber Preußen mit Leib und Seele
hingiebt, als daß es die Lockspeise aufgäbe, von der es doch, es mag kommen,
was da will, nur die Bitterkeiten (asxörltüZ), kennen gelernt haben wird?"

Mit diesem geschmackvollen Gleichnisse schließt unser Artikel. — Die Behaup¬
tungen und Anschauungen desselben im Einzelnen zu widerlegen, wird man uns nicht
zumuthen. Wir haben uns damit begnügt, anstatt einzelne Stellen hervorzuheben,
den ganzen Gedankengang des Verfassers getreulich und vielfach in buchstäblicher
Uebersetzung wiederzugeben, um ein vollständiges Beispiel von der Art und
Weise zu liefern, wie die Ksvus clss äsux Nonclizs den literarischen Krieg
gegen Deutschland führt, und wie sie im Auslande und in Elsaß-Lothringen
gegen das Reich und insbesondere das tödtlich gehaßte Preußen Propaganda
zu machen sucht. Denn soviel man auch auf das Conto der Verblendung durch
Haß und Ingrimm und der Unmöglichkeit für die Franzosen, dergleichen Dinge
mit ruhiger Objectivität anzuschauen und zu beurtheilen, setzen mag, so läßt sich
doch bei einem Manne, dem es weder an Urtheilskraft noch an den nöthigen


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[0374] licht zu werden, die Existenz eines unabhängigen Elsaß voraussetzt. Das wäre möglich gewesen in dem alten zur Sage gewordenen (in^suäairs) Deutschland, aber nicht in dem neuen. Baiern würde die Mission, Elsaß-Lothringen mit seiner neuen Bestimmung zu versöhnen, vielleicht gelungen sein; aber das Land sollte ja nur ein Bollwerk gegen Frankreich und ein Pfand der Einigung sein. Hat doch der Reichskanzler in der Sitzung vom 30. Mai 1874 erklärt, daß die Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung Elsaß-Lothringens ihm am Ende wenig ins Gewicht fallen, da das Land nur erobert sei, um dem Reiche als Glacis zu dienen. In der That hat sich Preußen nie um das Wohl der Bevölkerung gekümmert. Man hat das Land ungetheilt gelassen, um ganz Deutschland an seinem Besitze zu interessiren, und der Deutsche wird es fest¬ halten, denn er ist zäh von Natur. „In Kabylien bedienen sich die Eingebornen eines ebenso einfachen wie sinnreichen Mittels, um die Affen, welche in den Schluchten des Gebel-el-Akre umherspringen, lebendig zu fangen. In eine leere Kalabasse, die an einen Baumast befestigt ist, thun sie eine Nuß. Das Thier steckt seinen Arm in die Flasche, packt die Nuß und wird nun durch die Faust mit der Nuß, die zu groß ist, um sie wieder herauszuziehen, gefangen gehalten. Der Affe läßt seine Beute nicht fahren, so lange er irgend hoffen kann, hineinzubeißen. Er fühlt wohl das Falsche seiner Lage und bezeugt es durch die abscheulichen Gesichter, die er schneidet; aber es würde ihm nie einfallen, die Hand zu öffnen, um sie wieder herauszuziehen. Gegen Abend kommt der Kabyle wieder und trägt Affen, Nuß und Kalabasse nach Hause. Ist das nicht einigermaßen das Bild des deutschen Volkes, das freiwillig an dies imposante, aber hohle Ding, welches das Reich darstellt, geschmiedet ist, und sich lieber Preußen mit Leib und Seele hingiebt, als daß es die Lockspeise aufgäbe, von der es doch, es mag kommen, was da will, nur die Bitterkeiten (asxörltüZ), kennen gelernt haben wird?" Mit diesem geschmackvollen Gleichnisse schließt unser Artikel. — Die Behaup¬ tungen und Anschauungen desselben im Einzelnen zu widerlegen, wird man uns nicht zumuthen. Wir haben uns damit begnügt, anstatt einzelne Stellen hervorzuheben, den ganzen Gedankengang des Verfassers getreulich und vielfach in buchstäblicher Uebersetzung wiederzugeben, um ein vollständiges Beispiel von der Art und Weise zu liefern, wie die Ksvus clss äsux Nonclizs den literarischen Krieg gegen Deutschland führt, und wie sie im Auslande und in Elsaß-Lothringen gegen das Reich und insbesondere das tödtlich gehaßte Preußen Propaganda zu machen sucht. Denn soviel man auch auf das Conto der Verblendung durch Haß und Ingrimm und der Unmöglichkeit für die Franzosen, dergleichen Dinge mit ruhiger Objectivität anzuschauen und zu beurtheilen, setzen mag, so läßt sich doch bei einem Manne, dem es weder an Urtheilskraft noch an den nöthigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/374>, abgerufen am 22.07.2024.