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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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zvgener Räumung des ausgetauschten Gebietes durch die ottomanische Armee
wird die kaiserliche Regierung jeder Verpflichtung zur Aufrechthaltung der Ord¬
nung in dieser Gegend enthoben sein und niemand Rede zu stehen haben für
Ereignisse, die sich daselbst zutragen konnten."

So schien die leidige Frage aus der Welt geschafft, als bei der Ausfüh¬
rung der obigen Bestimmungen Ereignisse eintraten, die auch dies wieder bis
jetzt verhindert haben. Dieselben sind nicht klar festgestellt, da die Montene¬
griner und die Türken die Sache wesentlich verschieden erzählen. Sicher ist nur,
daß die Albanesen die Occupation des betreffenden Territoriums durch die dazu
bestimmten montenegrinischen Truppen, die am 22. April stattfinden sollte, bis
jetzt vereitelt haben. Nach montenegrinischer Behauptung wäre der Widerstand
der Albanesen gegen die Besetzung des abgetretenen Gebietes von den türkischen
Behörden organisirt und unterstützt worden. Man hätte die Albanesen durch
Bö Bey, eines von den Häuptern der Liga, und Bib Doda, den Chef des
Miriditenstammes, aufwiegeln lassen. Osman Pascha, der Befehlshaber der
Türken in Tust, wo die Abtretung sich vollziehen sollte, hätte seine Stellung
den Albanesen vor Eintreffen der Montenegriner geräumt und sie nicht
nur durch die Albanesen besetzen lassen, sondern denselben auch bei seinem
Abzug eine große Quantität von Munition und Lebensmitteln übergeben. Als
die montenegrinische Commission dann vor Tust angekommen, um mit Osman
Pascha die Modalitäten der Besitzergreifung zu besprechen, sei sie von dort her
mit Flintenschüssen empfangen worden, und da man nicht in der Lage gewesen
sei, die Position mit Sturm zu nehmen, so habe der Act unterbleiben müssen.
Montenegro verlangte daraufhin von der Pforte Wiederbefetzung der zu früh
geräumten Stellung durch deren Truppen und Ersatz des erlittenen Schadens,
und wendete sich zu gleicher Zeit an die Signatarmächte, um deren Vermittlung
anzusprechen. Diese Vermittlung erfolgte, wurde aber von der türkischen Regie¬
rung dahin beantwortet, daß die Behauptungen Montenegros unbegründet seien.
Dessen Truppenchefs seien zu rechter Zeit von der Stunde der Räumung be¬
nachrichtigt worden, sie seien mit ihren Truppen an Ort und Stelle angekom¬
men, als die Türken die zu raunenden Stellungen noch innegehabt, und wenn
sie nicht von den Positionen Besitz ergriffen Hütten, so wäre der Grund davon
nicht böser Wille der türkischen Befehlshaber, sondern der Umstand gewesen,
daß die Albanesen, durch Proelcunationen vor der Zeit von dem, was im Werke
gewesen, bekannt gemacht, sich in Masse hinter den zum Abzüge bereiten Türken
gesammelt hätten und eher als die Montenegriner in die von jenen verlassenen
Stellungen eingerückt wären.

Die Botschafter der Großmächte in Constantinopel haben diese Erklärung
für ungenügend befunden und auf Wiederbesetzung der geräumten Punkte durch


zvgener Räumung des ausgetauschten Gebietes durch die ottomanische Armee
wird die kaiserliche Regierung jeder Verpflichtung zur Aufrechthaltung der Ord¬
nung in dieser Gegend enthoben sein und niemand Rede zu stehen haben für
Ereignisse, die sich daselbst zutragen konnten."

So schien die leidige Frage aus der Welt geschafft, als bei der Ausfüh¬
rung der obigen Bestimmungen Ereignisse eintraten, die auch dies wieder bis
jetzt verhindert haben. Dieselben sind nicht klar festgestellt, da die Montene¬
griner und die Türken die Sache wesentlich verschieden erzählen. Sicher ist nur,
daß die Albanesen die Occupation des betreffenden Territoriums durch die dazu
bestimmten montenegrinischen Truppen, die am 22. April stattfinden sollte, bis
jetzt vereitelt haben. Nach montenegrinischer Behauptung wäre der Widerstand
der Albanesen gegen die Besetzung des abgetretenen Gebietes von den türkischen
Behörden organisirt und unterstützt worden. Man hätte die Albanesen durch
Bö Bey, eines von den Häuptern der Liga, und Bib Doda, den Chef des
Miriditenstammes, aufwiegeln lassen. Osman Pascha, der Befehlshaber der
Türken in Tust, wo die Abtretung sich vollziehen sollte, hätte seine Stellung
den Albanesen vor Eintreffen der Montenegriner geräumt und sie nicht
nur durch die Albanesen besetzen lassen, sondern denselben auch bei seinem
Abzug eine große Quantität von Munition und Lebensmitteln übergeben. Als
die montenegrinische Commission dann vor Tust angekommen, um mit Osman
Pascha die Modalitäten der Besitzergreifung zu besprechen, sei sie von dort her
mit Flintenschüssen empfangen worden, und da man nicht in der Lage gewesen
sei, die Position mit Sturm zu nehmen, so habe der Act unterbleiben müssen.
Montenegro verlangte daraufhin von der Pforte Wiederbefetzung der zu früh
geräumten Stellung durch deren Truppen und Ersatz des erlittenen Schadens,
und wendete sich zu gleicher Zeit an die Signatarmächte, um deren Vermittlung
anzusprechen. Diese Vermittlung erfolgte, wurde aber von der türkischen Regie¬
rung dahin beantwortet, daß die Behauptungen Montenegros unbegründet seien.
Dessen Truppenchefs seien zu rechter Zeit von der Stunde der Räumung be¬
nachrichtigt worden, sie seien mit ihren Truppen an Ort und Stelle angekom¬
men, als die Türken die zu raunenden Stellungen noch innegehabt, und wenn
sie nicht von den Positionen Besitz ergriffen Hütten, so wäre der Grund davon
nicht böser Wille der türkischen Befehlshaber, sondern der Umstand gewesen,
daß die Albanesen, durch Proelcunationen vor der Zeit von dem, was im Werke
gewesen, bekannt gemacht, sich in Masse hinter den zum Abzüge bereiten Türken
gesammelt hätten und eher als die Montenegriner in die von jenen verlassenen
Stellungen eingerückt wären.

Die Botschafter der Großmächte in Constantinopel haben diese Erklärung
für ungenügend befunden und auf Wiederbesetzung der geräumten Punkte durch


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[0361] zvgener Räumung des ausgetauschten Gebietes durch die ottomanische Armee wird die kaiserliche Regierung jeder Verpflichtung zur Aufrechthaltung der Ord¬ nung in dieser Gegend enthoben sein und niemand Rede zu stehen haben für Ereignisse, die sich daselbst zutragen konnten." So schien die leidige Frage aus der Welt geschafft, als bei der Ausfüh¬ rung der obigen Bestimmungen Ereignisse eintraten, die auch dies wieder bis jetzt verhindert haben. Dieselben sind nicht klar festgestellt, da die Montene¬ griner und die Türken die Sache wesentlich verschieden erzählen. Sicher ist nur, daß die Albanesen die Occupation des betreffenden Territoriums durch die dazu bestimmten montenegrinischen Truppen, die am 22. April stattfinden sollte, bis jetzt vereitelt haben. Nach montenegrinischer Behauptung wäre der Widerstand der Albanesen gegen die Besetzung des abgetretenen Gebietes von den türkischen Behörden organisirt und unterstützt worden. Man hätte die Albanesen durch Bö Bey, eines von den Häuptern der Liga, und Bib Doda, den Chef des Miriditenstammes, aufwiegeln lassen. Osman Pascha, der Befehlshaber der Türken in Tust, wo die Abtretung sich vollziehen sollte, hätte seine Stellung den Albanesen vor Eintreffen der Montenegriner geräumt und sie nicht nur durch die Albanesen besetzen lassen, sondern denselben auch bei seinem Abzug eine große Quantität von Munition und Lebensmitteln übergeben. Als die montenegrinische Commission dann vor Tust angekommen, um mit Osman Pascha die Modalitäten der Besitzergreifung zu besprechen, sei sie von dort her mit Flintenschüssen empfangen worden, und da man nicht in der Lage gewesen sei, die Position mit Sturm zu nehmen, so habe der Act unterbleiben müssen. Montenegro verlangte daraufhin von der Pforte Wiederbefetzung der zu früh geräumten Stellung durch deren Truppen und Ersatz des erlittenen Schadens, und wendete sich zu gleicher Zeit an die Signatarmächte, um deren Vermittlung anzusprechen. Diese Vermittlung erfolgte, wurde aber von der türkischen Regie¬ rung dahin beantwortet, daß die Behauptungen Montenegros unbegründet seien. Dessen Truppenchefs seien zu rechter Zeit von der Stunde der Räumung be¬ nachrichtigt worden, sie seien mit ihren Truppen an Ort und Stelle angekom¬ men, als die Türken die zu raunenden Stellungen noch innegehabt, und wenn sie nicht von den Positionen Besitz ergriffen Hütten, so wäre der Grund davon nicht böser Wille der türkischen Befehlshaber, sondern der Umstand gewesen, daß die Albanesen, durch Proelcunationen vor der Zeit von dem, was im Werke gewesen, bekannt gemacht, sich in Masse hinter den zum Abzüge bereiten Türken gesammelt hätten und eher als die Montenegriner in die von jenen verlassenen Stellungen eingerückt wären. Die Botschafter der Großmächte in Constantinopel haben diese Erklärung für ungenügend befunden und auf Wiederbesetzung der geräumten Punkte durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/361>, abgerufen am 26.06.2024.