Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Literatur.

Handbuch der Statistik von Maurice Block. Deutsche Ausgabe, zugleich
als Handbuch der Statistik des deutschen Reiches von H. v. Scheel. Leipzig,
Veit et Co., 187S.

Dieses Handbuch soll nach der Vorrede sowohl dem größeren gebildeten Publi¬
kum als insbesondere den Studirenden als Einführung in die Statistik dienen, sie
mit wichtigen Problemen und Streitfragen derselben bekannt machen, die Entstehung
und den Werth der statistischen Zahlen beurtheilen lehren, sie endlich in der Stati¬
stik des deutschen Reiches zurechtweisen und ihnen die Ergebnisse derselben mittheilen.
Dies Ziel ist besonders gut in den ersten drei Büchern erreicht. Das vierte Buch,
die Ergebnisse der Statistik enthaltend, ist verhältnißmäßig dürftig, besonders die
Statistik der volkswirtschaftlichen Verhältnisse ist schlecht weggekommen; es fehlt
hier die Vergleichung verschiedener Jahre und Länder, und vieles andere. Man
kann allerdings einwenden, daß die Statistik, die in die materiellen Verhältnisse
eingreift, oft zur Sophistik wird, und daß es darum passend gewesen sei, sich in
einer Einführung in die Statistik, also für Lehrzwecke, auf die Bevölkerungsstatistik
zu beschränken. Wir geben das zu, meinen jedoch, daß eine Kritik von ein paar
handgreiflichen Beispielen der landläufigen Uebertreibungen gerade in einem der¬
artigen Lehrbuche sehr am Platze gewesen wäre. Verfasser und Bearbeiter, die mit
gesundem Tact den mathematischen Humbng bei Seite gelassen haben, hätten auch
dies fertig gebracht. Als Lehrbuch darf das Werk unbedingt empfohlen werden,
und als solches hätte man es auch bezeichnen sollen, als einen "Cursus"; denn ein
Handbuch, ein statistisches Nachschlagewerk ist es nicht. Für diesen Zweck bleibt
das leider nicht sehr übersichtlich geordnete Handbuch von Kolb (Leipzig, Felix)
doch besser, für engere Grenzen und bloß deutsche Verhältnisse, wenn man will,
auch der statistische Almanach von Reese (Jena, Fischer). Eine Bemerkung, die sich
uns bei der Durchsicht des Werkes aufdrängte, glauben wir zum Schlüsse nicht
unterdrücken zu dürfen. Es wird in dein Buche die Ansicht ausgesprochen, der junge
Statistiker habe, ehe er in ein statistisches Bureau eintrete, sich mit Volkswirth¬
schaftslehre und Jurisprudenz zu befassen. Das ist gewiß ganz richtig. Allein
wichtiger als die Jurisprudenz scheint uns für die eigentliche Statistik denn doch
die Bekanntschaft mit den Untersuchungsmethoden der Physik zu sein. Die Statistik
füllt desto rationeller aus, je mehr sie sich jene Methoden aneignet und mit einer
gesunden Sachlogik paart. Wäre dies der Fall, so Würde die Statistik für Partei¬
kniffe weniger Raum haben. Natürlich gilt dies nur für die Statistik als Wissen¬
schaft, die ihre Zahlen gruppirt, discutirt und zu einer Physik der Gesellschaft, wie
Quetelet wollte, verwerthet; die bloßen Zählkünste und die Registrirung der Zahlen
brauchen keine naturwissenschaftlichen Methoden, aber auch keine Volkswirthschafts¬
lehre und Jurisprudenz, sondern nur ein wenig Arithmetik; diese Künste dürfen
aber auch nicht den Anspruch erheben, eine Wissenschaft zu sein.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, -- Druck von Hüthel K, Herrmann in Leipzig.
Literatur.

Handbuch der Statistik von Maurice Block. Deutsche Ausgabe, zugleich
als Handbuch der Statistik des deutschen Reiches von H. v. Scheel. Leipzig,
Veit et Co., 187S.

Dieses Handbuch soll nach der Vorrede sowohl dem größeren gebildeten Publi¬
kum als insbesondere den Studirenden als Einführung in die Statistik dienen, sie
mit wichtigen Problemen und Streitfragen derselben bekannt machen, die Entstehung
und den Werth der statistischen Zahlen beurtheilen lehren, sie endlich in der Stati¬
stik des deutschen Reiches zurechtweisen und ihnen die Ergebnisse derselben mittheilen.
Dies Ziel ist besonders gut in den ersten drei Büchern erreicht. Das vierte Buch,
die Ergebnisse der Statistik enthaltend, ist verhältnißmäßig dürftig, besonders die
Statistik der volkswirtschaftlichen Verhältnisse ist schlecht weggekommen; es fehlt
hier die Vergleichung verschiedener Jahre und Länder, und vieles andere. Man
kann allerdings einwenden, daß die Statistik, die in die materiellen Verhältnisse
eingreift, oft zur Sophistik wird, und daß es darum passend gewesen sei, sich in
einer Einführung in die Statistik, also für Lehrzwecke, auf die Bevölkerungsstatistik
zu beschränken. Wir geben das zu, meinen jedoch, daß eine Kritik von ein paar
handgreiflichen Beispielen der landläufigen Uebertreibungen gerade in einem der¬
artigen Lehrbuche sehr am Platze gewesen wäre. Verfasser und Bearbeiter, die mit
gesundem Tact den mathematischen Humbng bei Seite gelassen haben, hätten auch
dies fertig gebracht. Als Lehrbuch darf das Werk unbedingt empfohlen werden,
und als solches hätte man es auch bezeichnen sollen, als einen „Cursus"; denn ein
Handbuch, ein statistisches Nachschlagewerk ist es nicht. Für diesen Zweck bleibt
das leider nicht sehr übersichtlich geordnete Handbuch von Kolb (Leipzig, Felix)
doch besser, für engere Grenzen und bloß deutsche Verhältnisse, wenn man will,
auch der statistische Almanach von Reese (Jena, Fischer). Eine Bemerkung, die sich
uns bei der Durchsicht des Werkes aufdrängte, glauben wir zum Schlüsse nicht
unterdrücken zu dürfen. Es wird in dein Buche die Ansicht ausgesprochen, der junge
Statistiker habe, ehe er in ein statistisches Bureau eintrete, sich mit Volkswirth¬
schaftslehre und Jurisprudenz zu befassen. Das ist gewiß ganz richtig. Allein
wichtiger als die Jurisprudenz scheint uns für die eigentliche Statistik denn doch
die Bekanntschaft mit den Untersuchungsmethoden der Physik zu sein. Die Statistik
füllt desto rationeller aus, je mehr sie sich jene Methoden aneignet und mit einer
gesunden Sachlogik paart. Wäre dies der Fall, so Würde die Statistik für Partei¬
kniffe weniger Raum haben. Natürlich gilt dies nur für die Statistik als Wissen¬
schaft, die ihre Zahlen gruppirt, discutirt und zu einer Physik der Gesellschaft, wie
Quetelet wollte, verwerthet; die bloßen Zählkünste und die Registrirung der Zahlen
brauchen keine naturwissenschaftlichen Methoden, aber auch keine Volkswirthschafts¬
lehre und Jurisprudenz, sondern nur ein wenig Arithmetik; diese Künste dürfen
aber auch nicht den Anspruch erheben, eine Wissenschaft zu sein.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Hüthel K, Herrmann in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146733"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_681"> Handbuch der Statistik von Maurice Block. Deutsche Ausgabe, zugleich<lb/>
als Handbuch der Statistik des deutschen Reiches von H. v. Scheel. Leipzig,<lb/>
Veit et Co., 187S.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_682"> Dieses Handbuch soll nach der Vorrede sowohl dem größeren gebildeten Publi¬<lb/>
kum als insbesondere den Studirenden als Einführung in die Statistik dienen, sie<lb/>
mit wichtigen Problemen und Streitfragen derselben bekannt machen, die Entstehung<lb/>
und den Werth der statistischen Zahlen beurtheilen lehren, sie endlich in der Stati¬<lb/>
stik des deutschen Reiches zurechtweisen und ihnen die Ergebnisse derselben mittheilen.<lb/>
Dies Ziel ist besonders gut in den ersten drei Büchern erreicht. Das vierte Buch,<lb/>
die Ergebnisse der Statistik enthaltend, ist verhältnißmäßig dürftig, besonders die<lb/>
Statistik der volkswirtschaftlichen Verhältnisse ist schlecht weggekommen; es fehlt<lb/>
hier die Vergleichung verschiedener Jahre und Länder, und vieles andere. Man<lb/>
kann allerdings einwenden, daß die Statistik, die in die materiellen Verhältnisse<lb/>
eingreift, oft zur Sophistik wird, und daß es darum passend gewesen sei, sich in<lb/>
einer Einführung in die Statistik, also für Lehrzwecke, auf die Bevölkerungsstatistik<lb/>
zu beschränken. Wir geben das zu, meinen jedoch, daß eine Kritik von ein paar<lb/>
handgreiflichen Beispielen der landläufigen Uebertreibungen gerade in einem der¬<lb/>
artigen Lehrbuche sehr am Platze gewesen wäre. Verfasser und Bearbeiter, die mit<lb/>
gesundem Tact den mathematischen Humbng bei Seite gelassen haben, hätten auch<lb/>
dies fertig gebracht. Als Lehrbuch darf das Werk unbedingt empfohlen werden,<lb/>
und als solches hätte man es auch bezeichnen sollen, als einen &#x201E;Cursus"; denn ein<lb/>
Handbuch, ein statistisches Nachschlagewerk ist es nicht. Für diesen Zweck bleibt<lb/>
das leider nicht sehr übersichtlich geordnete Handbuch von Kolb (Leipzig, Felix)<lb/>
doch besser, für engere Grenzen und bloß deutsche Verhältnisse, wenn man will,<lb/>
auch der statistische Almanach von Reese (Jena, Fischer). Eine Bemerkung, die sich<lb/>
uns bei der Durchsicht des Werkes aufdrängte, glauben wir zum Schlüsse nicht<lb/>
unterdrücken zu dürfen. Es wird in dein Buche die Ansicht ausgesprochen, der junge<lb/>
Statistiker habe, ehe er in ein statistisches Bureau eintrete, sich mit Volkswirth¬<lb/>
schaftslehre und Jurisprudenz zu befassen. Das ist gewiß ganz richtig. Allein<lb/>
wichtiger als die Jurisprudenz scheint uns für die eigentliche Statistik denn doch<lb/>
die Bekanntschaft mit den Untersuchungsmethoden der Physik zu sein. Die Statistik<lb/>
füllt desto rationeller aus, je mehr sie sich jene Methoden aneignet und mit einer<lb/>
gesunden Sachlogik paart. Wäre dies der Fall, so Würde die Statistik für Partei¬<lb/>
kniffe weniger Raum haben. Natürlich gilt dies nur für die Statistik als Wissen¬<lb/>
schaft, die ihre Zahlen gruppirt, discutirt und zu einer Physik der Gesellschaft, wie<lb/>
Quetelet wollte, verwerthet; die bloßen Zählkünste und die Registrirung der Zahlen<lb/>
brauchen keine naturwissenschaftlichen Methoden, aber auch keine Volkswirthschafts¬<lb/>
lehre und Jurisprudenz, sondern nur ein wenig Arithmetik; diese Künste dürfen<lb/>
aber auch nicht den Anspruch erheben, eine Wissenschaft zu sein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.<lb/>
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, &#x2014; Druck von Hüthel K, Herrmann in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] Literatur. Handbuch der Statistik von Maurice Block. Deutsche Ausgabe, zugleich als Handbuch der Statistik des deutschen Reiches von H. v. Scheel. Leipzig, Veit et Co., 187S. Dieses Handbuch soll nach der Vorrede sowohl dem größeren gebildeten Publi¬ kum als insbesondere den Studirenden als Einführung in die Statistik dienen, sie mit wichtigen Problemen und Streitfragen derselben bekannt machen, die Entstehung und den Werth der statistischen Zahlen beurtheilen lehren, sie endlich in der Stati¬ stik des deutschen Reiches zurechtweisen und ihnen die Ergebnisse derselben mittheilen. Dies Ziel ist besonders gut in den ersten drei Büchern erreicht. Das vierte Buch, die Ergebnisse der Statistik enthaltend, ist verhältnißmäßig dürftig, besonders die Statistik der volkswirtschaftlichen Verhältnisse ist schlecht weggekommen; es fehlt hier die Vergleichung verschiedener Jahre und Länder, und vieles andere. Man kann allerdings einwenden, daß die Statistik, die in die materiellen Verhältnisse eingreift, oft zur Sophistik wird, und daß es darum passend gewesen sei, sich in einer Einführung in die Statistik, also für Lehrzwecke, auf die Bevölkerungsstatistik zu beschränken. Wir geben das zu, meinen jedoch, daß eine Kritik von ein paar handgreiflichen Beispielen der landläufigen Uebertreibungen gerade in einem der¬ artigen Lehrbuche sehr am Platze gewesen wäre. Verfasser und Bearbeiter, die mit gesundem Tact den mathematischen Humbng bei Seite gelassen haben, hätten auch dies fertig gebracht. Als Lehrbuch darf das Werk unbedingt empfohlen werden, und als solches hätte man es auch bezeichnen sollen, als einen „Cursus"; denn ein Handbuch, ein statistisches Nachschlagewerk ist es nicht. Für diesen Zweck bleibt das leider nicht sehr übersichtlich geordnete Handbuch von Kolb (Leipzig, Felix) doch besser, für engere Grenzen und bloß deutsche Verhältnisse, wenn man will, auch der statistische Almanach von Reese (Jena, Fischer). Eine Bemerkung, die sich uns bei der Durchsicht des Werkes aufdrängte, glauben wir zum Schlüsse nicht unterdrücken zu dürfen. Es wird in dein Buche die Ansicht ausgesprochen, der junge Statistiker habe, ehe er in ein statistisches Bureau eintrete, sich mit Volkswirth¬ schaftslehre und Jurisprudenz zu befassen. Das ist gewiß ganz richtig. Allein wichtiger als die Jurisprudenz scheint uns für die eigentliche Statistik denn doch die Bekanntschaft mit den Untersuchungsmethoden der Physik zu sein. Die Statistik füllt desto rationeller aus, je mehr sie sich jene Methoden aneignet und mit einer gesunden Sachlogik paart. Wäre dies der Fall, so Würde die Statistik für Partei¬ kniffe weniger Raum haben. Natürlich gilt dies nur für die Statistik als Wissen¬ schaft, die ihre Zahlen gruppirt, discutirt und zu einer Physik der Gesellschaft, wie Quetelet wollte, verwerthet; die bloßen Zählkünste und die Registrirung der Zahlen brauchen keine naturwissenschaftlichen Methoden, aber auch keine Volkswirthschafts¬ lehre und Jurisprudenz, sondern nur ein wenig Arithmetik; diese Künste dürfen aber auch nicht den Anspruch erheben, eine Wissenschaft zu sein. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Hüthel K, Herrmann in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/228>, abgerufen am 03.07.2024.