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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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schichte seines Volkes mit Glanz und Hoheit im Stil bearbeitet. Ich preise
seinen lebhaften, feurigen Geist, seinen niemals von Erschlaffung oder Er¬
müdung zeugenden Vortrag nicht minder, als seine ungewöhnliche Sprachfülle,
seinen Reichthum an guten Lehren und seine bewunderungswürdige Mannig¬
faltigkeit an Bildern, so daß man nicht genug darüber staunen kann, woher
ein Däne zu jener Zeit eine so große Kraft in seiner Beredtsamkeit nehmen
konnte." Anziehend ist auch der Abschnitt über die Volksliederdichtung des
skandinavischen Mittelalters, obschon auch hier derjenige, der für skandinavische
Literatur von vorn herein größere Theilnahme hat, im Interesse derer, die
zum Studium derselben erst aufgemuntert werden sollen, mehr Eingehen auf den
Inhalt wünschen möchte. Aus dem Reformationszeitaltex fesselt uns besonders
die Person des Christjern Petersen, des "Vaters der dänischen Literatur", der
wesentlich zur Förderung der Reformation beitrug. Bedeutungsvoll sind seine
Verdienste um die Schaffung einer dänischen Schriftsprache.

Das eigentliche Leben in der dänisch-norwegischen Literatur beginnt aber
erst mit Ludwig Holberg, dem "Begründer der neueren dänischen Literatur".
Er hat zwar keine Schule gegründet, aber doch Anregung genug gegeben und
Bahnen vorgezeichnet, auf denen Spätere weiter schreiten und ihn überholen
konnten. "In der Holberg'schen Periode begann die moderne Romanliteratur
vom Auslande her immer stärker in Dänemark einzudringen", und was noch
wichtiger ist, es beginnt eine "Zeitschriftenliteratur". Aus dem Zeitalter der
Aufklärung heben wir hervor Johannes Ewald; von ihm stammt das erste
dänische, in fünffüßigen Jamben geschriebene Drama "Balders Tod". Er ist
aber auch vielleicht der größte Lyriker des Nordens. Der Stern, mit dem die
neuere dänische Literatur beginnt, ist Adam Gottlob Oehlenschläger, "der nordische
Sängerkönig". Auf ihn folgen eine Reihe hochbedeutender Erscheinungen, so
N. F. S. Grundtvig, an den sich eine große kirchliche Partei, die Grundtvigianer,
anschließt. Später reiht sich unser Liebling H. C. Andersen an, dann der
hervorragende Dramatiker Johann Ludwig Heiberg und der geistvolle Frederik
Paludan-Müller. Von besonderem Interesse ist auch die Partie, die das junge
Norwegen behandelt; der ungestüme Henrik Wergeland und der gemäßigte
I. S. C. Welhaven sind die Repräsentanten der beiden bedeutungsvollsten
Richtungen, aus deren Zusammenstoß die neuere norwegische Literatur erwuchs,
deren Koryphäen Björnstjerne Björnson und Henrik Ibsen sind.

Schwedens Größe beginnt in jeglicher Hinsicht, auch in literarischer, im
17. Jahrhundert. Das Land nahm damals den Anlauf zu einer Großmacht,
ohne jedoch die Mittel zu besitze,,, diese Macht zu erhalten. Immerhin war
das politische Emporgehen wichtig für die geistige Entwicklung der Einwohner¬
schaft, für die Ausbildung der Literatur. Begründet wurde die schwedische


schichte seines Volkes mit Glanz und Hoheit im Stil bearbeitet. Ich preise
seinen lebhaften, feurigen Geist, seinen niemals von Erschlaffung oder Er¬
müdung zeugenden Vortrag nicht minder, als seine ungewöhnliche Sprachfülle,
seinen Reichthum an guten Lehren und seine bewunderungswürdige Mannig¬
faltigkeit an Bildern, so daß man nicht genug darüber staunen kann, woher
ein Däne zu jener Zeit eine so große Kraft in seiner Beredtsamkeit nehmen
konnte." Anziehend ist auch der Abschnitt über die Volksliederdichtung des
skandinavischen Mittelalters, obschon auch hier derjenige, der für skandinavische
Literatur von vorn herein größere Theilnahme hat, im Interesse derer, die
zum Studium derselben erst aufgemuntert werden sollen, mehr Eingehen auf den
Inhalt wünschen möchte. Aus dem Reformationszeitaltex fesselt uns besonders
die Person des Christjern Petersen, des „Vaters der dänischen Literatur", der
wesentlich zur Förderung der Reformation beitrug. Bedeutungsvoll sind seine
Verdienste um die Schaffung einer dänischen Schriftsprache.

Das eigentliche Leben in der dänisch-norwegischen Literatur beginnt aber
erst mit Ludwig Holberg, dem „Begründer der neueren dänischen Literatur".
Er hat zwar keine Schule gegründet, aber doch Anregung genug gegeben und
Bahnen vorgezeichnet, auf denen Spätere weiter schreiten und ihn überholen
konnten. „In der Holberg'schen Periode begann die moderne Romanliteratur
vom Auslande her immer stärker in Dänemark einzudringen", und was noch
wichtiger ist, es beginnt eine „Zeitschriftenliteratur". Aus dem Zeitalter der
Aufklärung heben wir hervor Johannes Ewald; von ihm stammt das erste
dänische, in fünffüßigen Jamben geschriebene Drama „Balders Tod". Er ist
aber auch vielleicht der größte Lyriker des Nordens. Der Stern, mit dem die
neuere dänische Literatur beginnt, ist Adam Gottlob Oehlenschläger, „der nordische
Sängerkönig". Auf ihn folgen eine Reihe hochbedeutender Erscheinungen, so
N. F. S. Grundtvig, an den sich eine große kirchliche Partei, die Grundtvigianer,
anschließt. Später reiht sich unser Liebling H. C. Andersen an, dann der
hervorragende Dramatiker Johann Ludwig Heiberg und der geistvolle Frederik
Paludan-Müller. Von besonderem Interesse ist auch die Partie, die das junge
Norwegen behandelt; der ungestüme Henrik Wergeland und der gemäßigte
I. S. C. Welhaven sind die Repräsentanten der beiden bedeutungsvollsten
Richtungen, aus deren Zusammenstoß die neuere norwegische Literatur erwuchs,
deren Koryphäen Björnstjerne Björnson und Henrik Ibsen sind.

Schwedens Größe beginnt in jeglicher Hinsicht, auch in literarischer, im
17. Jahrhundert. Das Land nahm damals den Anlauf zu einer Großmacht,
ohne jedoch die Mittel zu besitze,,, diese Macht zu erhalten. Immerhin war
das politische Emporgehen wichtig für die geistige Entwicklung der Einwohner¬
schaft, für die Ausbildung der Literatur. Begründet wurde die schwedische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/208>, abgerufen am 22.07.2024.