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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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schiedenen Zeiten, aber noch vor Septimius Severus Ausbauten oder Wieder¬
herstellungen vorgenommen. Zahlreiche Votivaltäre, darunter einer des T. Fla-
vius Verecnndus, eines Centurio der 14. Legion, aus guter Zeit, und mehrere
von Andächtigen aus dem Bürgerstande geweihte Denkmäler deuten auf die
lebhafte Verehrung, welche Mithras hier genoß; Reste von Thieren und große
Mengen von Asche beweisen, daß man ihm häufig Opfer darbrachte; ein eigner
Priester war mit der Pflege des Cultus betraut. Als später das Christenthum
auch in den Donauländer mächtig Herandrang, als es die Monarchen in einen
immer heftigeren Kampf gegen seiner Ausbreitung verwickelte, Haben gerade die
höchsten Kreise besonders zäh an dein Mithrascultus festgehalten. Ein merk¬
würdiges Beispiel dafür bietet eben dies Mithräum. Denn als am 11. November
307 die Herrscher des Westens und Ostens, der greise Diocletianus, Maximianus,
Licinius, Galerius und Constantin, den eine spätere Zeit den "Großen" und
den ersten christlichen Kaiser nannte, zu Carnuntum sich versammelten, stellten
sie "dem unbesiegten Sonnengotte Mithras, dem Gönner ihrer Herrschaft" das
verfallene Mithräum wieder her. Ja als längst schon das weite Reich der
christlichen Kirche gehörte, haben in der Mithrasgrotte zu Carnuntum noch
Andächtige vor dein Bilde des stiertvdtenden Gottes gekniet. Hat sich doch dort
eine Münze aus der Zeit des Constans (337--350) gefunden. Ein zweites
Mithräum lag unweit der großen Festung bei Stirneusiedeln, doch sind bis jetzt
hier nur bürgerliche Widmungen zu Tage gekommen.

Ein so beträchtlicher militärischer Centralpunkt, wie dies Standlager von
Carnuntum war, mußte binnen kurzem auch bürgerliche Niederlassungen in seiner
Nähe ins Leben rufen- Ja der Grund zu einer solchen war schon gelegt,
ehe noch ein römischer Spaten an den Wällen der Festung arbeitete. Denn
die Entstehung der Ansiedlung, welche den Namen Carnuntum trug, fällt
unzweifelhaft längst vor die Begründung der römischen Herrschaft in diesen
Gegenden, wie ja Tiberius schon im Jahre 6 n. Chr. es als Operationsbasis gegen
die Markomannen benutzte, und wahrscheinlich lag die vorrömische Ortschaft an
der Stelle des heutigen Petronell so gut wie die spätere römische Stadt dieses
Namens, da auf diese Lage die Bezeichnung "Höhenstadt" vortrefflich paßt.
Eben aus ihm ergiebt sich auch, daß Kelten die Begründer waren, wie ja auch
ursprünglich und bis auf die Flavier der ganze Landstrich zwischen Wiener
Wald und Leitha zu dem keltische" Königreiche Noricum gehörte und keltische
Eigenname" auch in der Kaiserzeit bei den Umwohnern fortwährend in Gebrauch
blieben. Doch die eigentlich städtische Entwickelung knüpft sich erst an die römi¬
sche Kolonisation.

Sie hat sich, von staatsrechtlichen Standpunkte aus betrachtet, im Anschluß
an die festen Standlager überall wesentlich in gleicher Weise entwickelt. Schon


schiedenen Zeiten, aber noch vor Septimius Severus Ausbauten oder Wieder¬
herstellungen vorgenommen. Zahlreiche Votivaltäre, darunter einer des T. Fla-
vius Verecnndus, eines Centurio der 14. Legion, aus guter Zeit, und mehrere
von Andächtigen aus dem Bürgerstande geweihte Denkmäler deuten auf die
lebhafte Verehrung, welche Mithras hier genoß; Reste von Thieren und große
Mengen von Asche beweisen, daß man ihm häufig Opfer darbrachte; ein eigner
Priester war mit der Pflege des Cultus betraut. Als später das Christenthum
auch in den Donauländer mächtig Herandrang, als es die Monarchen in einen
immer heftigeren Kampf gegen seiner Ausbreitung verwickelte, Haben gerade die
höchsten Kreise besonders zäh an dein Mithrascultus festgehalten. Ein merk¬
würdiges Beispiel dafür bietet eben dies Mithräum. Denn als am 11. November
307 die Herrscher des Westens und Ostens, der greise Diocletianus, Maximianus,
Licinius, Galerius und Constantin, den eine spätere Zeit den „Großen" und
den ersten christlichen Kaiser nannte, zu Carnuntum sich versammelten, stellten
sie „dem unbesiegten Sonnengotte Mithras, dem Gönner ihrer Herrschaft" das
verfallene Mithräum wieder her. Ja als längst schon das weite Reich der
christlichen Kirche gehörte, haben in der Mithrasgrotte zu Carnuntum noch
Andächtige vor dein Bilde des stiertvdtenden Gottes gekniet. Hat sich doch dort
eine Münze aus der Zeit des Constans (337—350) gefunden. Ein zweites
Mithräum lag unweit der großen Festung bei Stirneusiedeln, doch sind bis jetzt
hier nur bürgerliche Widmungen zu Tage gekommen.

Ein so beträchtlicher militärischer Centralpunkt, wie dies Standlager von
Carnuntum war, mußte binnen kurzem auch bürgerliche Niederlassungen in seiner
Nähe ins Leben rufen- Ja der Grund zu einer solchen war schon gelegt,
ehe noch ein römischer Spaten an den Wällen der Festung arbeitete. Denn
die Entstehung der Ansiedlung, welche den Namen Carnuntum trug, fällt
unzweifelhaft längst vor die Begründung der römischen Herrschaft in diesen
Gegenden, wie ja Tiberius schon im Jahre 6 n. Chr. es als Operationsbasis gegen
die Markomannen benutzte, und wahrscheinlich lag die vorrömische Ortschaft an
der Stelle des heutigen Petronell so gut wie die spätere römische Stadt dieses
Namens, da auf diese Lage die Bezeichnung „Höhenstadt" vortrefflich paßt.
Eben aus ihm ergiebt sich auch, daß Kelten die Begründer waren, wie ja auch
ursprünglich und bis auf die Flavier der ganze Landstrich zwischen Wiener
Wald und Leitha zu dem keltische» Königreiche Noricum gehörte und keltische
Eigenname» auch in der Kaiserzeit bei den Umwohnern fortwährend in Gebrauch
blieben. Doch die eigentlich städtische Entwickelung knüpft sich erst an die römi¬
sche Kolonisation.

Sie hat sich, von staatsrechtlichen Standpunkte aus betrachtet, im Anschluß
an die festen Standlager überall wesentlich in gleicher Weise entwickelt. Schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/20>, abgerufen am 22.07.2024.