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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Als wir später Gelegenheit hatten, uns Hansen und seine Experimente aus
der Nähe anzusehen, gelangten wir zu der Ansicht, daß er, obwohl er mit den
Erscheinungen des Hypnotismus bekannt ist, an seine magische Kraft wirklich glaubt.
Für die Stärke des Besuches seiner Vorträge war dieser Glaube und das daraus
entspringende Verhalten selbstverständlich nicht ohne Bedeutung; denn durch das
Geheimnißvolle wird das Publikum immer mehr gekitzelt, als durch Dinge, die
am Ende Jeder vorführen kann, wenn auch nicht in so vollkommener Weise
wie Einer, der durch vieles Experimentiren große Gewandheit erlangt hat und
mancherlei Kleinigkeiten geschickt verwerthet, die dem Anfänger entgehen oder
noch nicht geläufig sind.

Im Laufe des Sommers und Winters trat Hansen dann in einer Reihe
von Städten auf, und überall mit glücklichem Erfolge. Die Sache machte immer
mehr Aufsehen und wurde immer herausfordernder für die Wissenschaft der
Physiologen und Mediciner, besonders da das bereitwillige Eingehen Hansens
auf alle Vorschläge zu Untersuchungen jeden Gedanken an Betrug ausschloß.
Da machte sich endlich der Chemnitzer Physiker Weinhold daran, die Experi¬
mente nachzumachen und zwar nicht auf Grund der Braidschen Entdeckungen,
sondern auf Grund der Erklärungsweise Hansens, indem er durch Electricität
dasselbe zu erreichen suchte, was Hansen durch seinen "thierischen Magnetismus"
erreichte. Weinhold hatte mit der Electricität kein sonderliches Glück, aber die
Versuche hatten doch das Gute, daß sie nach und nach zu richtigen Voraus¬
setzungen führten. Da ließ Weinhold die Electricität bei Seite und versuchte,
gleichwie Hansen, durch Fixiren und Streichen zum Ziele zu gelangen. Und
siehe da, es gelang ihm. Weinhold besaß jetzt mit einem Male auch magne¬
tische Kraft; er konnte alles vollbringen, was Hansen vollbrachte, und wohl gar
noch mehr; denn es gelang ihm, zu hypnotistren, wenn er einem Empfänglichen
im Nebenzimmer nur die Vorstellung beibrachte, er sei in der Nähe, ohne es
wirklich zu sein.*) Auch einem anderen Physiker in Chemnitz, Rühlmann, ge¬
lang das Magnetisiren jetzt vorzüglich.

Auf seiner magnetischen Reise kam Hansen auch nach Breslau. Sein
Erfolg mußte auch hier glänzend ausfallen, da ja nach den Untersuchungen der
Chemnitzer Physiker etwa 8 bis 10 Procent der Menschen hypnotisirbar sind.
Auch in Breslau that das Publikum nun eine stumme Frage an die Wissen¬
schaft, und der Professor der Physiologie an der dortigen Universität, Heiden¬
hain, der sich überzeugt hatte, daß von Betrug bei Hansens Künsten nicht die
Rede sein könne, machte sich an eine gründliche physiologische Untersuchung der



S. Weinhold, Hypnotische Versuche. Cxperimentclle Beiträge zur Kenntniß
des sogenannten thierischen Magnetismus. Chemnitz, Martin Bülz, 1S7S.

Als wir später Gelegenheit hatten, uns Hansen und seine Experimente aus
der Nähe anzusehen, gelangten wir zu der Ansicht, daß er, obwohl er mit den
Erscheinungen des Hypnotismus bekannt ist, an seine magische Kraft wirklich glaubt.
Für die Stärke des Besuches seiner Vorträge war dieser Glaube und das daraus
entspringende Verhalten selbstverständlich nicht ohne Bedeutung; denn durch das
Geheimnißvolle wird das Publikum immer mehr gekitzelt, als durch Dinge, die
am Ende Jeder vorführen kann, wenn auch nicht in so vollkommener Weise
wie Einer, der durch vieles Experimentiren große Gewandheit erlangt hat und
mancherlei Kleinigkeiten geschickt verwerthet, die dem Anfänger entgehen oder
noch nicht geläufig sind.

Im Laufe des Sommers und Winters trat Hansen dann in einer Reihe
von Städten auf, und überall mit glücklichem Erfolge. Die Sache machte immer
mehr Aufsehen und wurde immer herausfordernder für die Wissenschaft der
Physiologen und Mediciner, besonders da das bereitwillige Eingehen Hansens
auf alle Vorschläge zu Untersuchungen jeden Gedanken an Betrug ausschloß.
Da machte sich endlich der Chemnitzer Physiker Weinhold daran, die Experi¬
mente nachzumachen und zwar nicht auf Grund der Braidschen Entdeckungen,
sondern auf Grund der Erklärungsweise Hansens, indem er durch Electricität
dasselbe zu erreichen suchte, was Hansen durch seinen „thierischen Magnetismus"
erreichte. Weinhold hatte mit der Electricität kein sonderliches Glück, aber die
Versuche hatten doch das Gute, daß sie nach und nach zu richtigen Voraus¬
setzungen führten. Da ließ Weinhold die Electricität bei Seite und versuchte,
gleichwie Hansen, durch Fixiren und Streichen zum Ziele zu gelangen. Und
siehe da, es gelang ihm. Weinhold besaß jetzt mit einem Male auch magne¬
tische Kraft; er konnte alles vollbringen, was Hansen vollbrachte, und wohl gar
noch mehr; denn es gelang ihm, zu hypnotistren, wenn er einem Empfänglichen
im Nebenzimmer nur die Vorstellung beibrachte, er sei in der Nähe, ohne es
wirklich zu sein.*) Auch einem anderen Physiker in Chemnitz, Rühlmann, ge¬
lang das Magnetisiren jetzt vorzüglich.

Auf seiner magnetischen Reise kam Hansen auch nach Breslau. Sein
Erfolg mußte auch hier glänzend ausfallen, da ja nach den Untersuchungen der
Chemnitzer Physiker etwa 8 bis 10 Procent der Menschen hypnotisirbar sind.
Auch in Breslau that das Publikum nun eine stumme Frage an die Wissen¬
schaft, und der Professor der Physiologie an der dortigen Universität, Heiden¬
hain, der sich überzeugt hatte, daß von Betrug bei Hansens Künsten nicht die
Rede sein könne, machte sich an eine gründliche physiologische Untersuchung der



S. Weinhold, Hypnotische Versuche. Cxperimentclle Beiträge zur Kenntniß
des sogenannten thierischen Magnetismus. Chemnitz, Martin Bülz, 1S7S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/172>, abgerufen am 03.07.2024.