Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.wie z. B. Georg Napp es that, um ihre Seelen zu retten, und dazu bedürfen sie, Was schließlich das transatlantische internationale Element betrifft, so bemerkt Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hiithel K Herrmann in Leipzig. wie z. B. Georg Napp es that, um ihre Seelen zu retten, und dazu bedürfen sie, Was schließlich das transatlantische internationale Element betrifft, so bemerkt Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hiithel K Herrmann in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146637"/> <p xml:id="ID_389" prev="#ID_388"> wie z. B. Georg Napp es that, um ihre Seelen zu retten, und dazu bedürfen sie,<lb/> zumal fast alle den niederen Ständen angehören, keiner irdischen Güter; es wird<lb/> ihnen deshalb verhältnißmäßig leicht, den Egoismus abzustreifen. Die weltlichen<lb/> Communisten aber wollen genießen, gründlich genießen, sie mißgönnen ihren Mit¬<lb/> menschen den Besitz irdischer Güter, und es ist nur Egoismus, der sie dem Com¬<lb/> munismus in die Arme treibt. In einem communistischen Gemeinwesen aber muß<lb/> das Wort „Egoismus" ein hohler Schall sein, sonst ist das Fundament, auf welchem<lb/> das Gebäude ruhen soll, nicht vorhanden. Die Communisten, welche namentlich in<lb/> der Neuzeit so laut nach communistischen Institutionen rufen, sind am allerwenigsten<lb/> das Material für den Aufbau eines Communistenstaates zu verwenden. Wenn man<lb/> sagt, daß zu eiuer Republik vor allen Dingen Republikaner gehören, so kann man<lb/> noch viel treffender sagen: Zu einem Commuuisteustaat gehören vor allen Dingen<lb/> Communisten. Wirkliche Communisten, d. h. völlig selbstlose, nur für das Glück<lb/> ihrer Nächsten besorgte Menschen, sind aber nicht vorhanden, wenigstens nicht in<lb/> den Reihen derjenigen, welche den Communistenstaat verlangen. Der Verfasser faßt<lb/> sein Urtheil über die wenigen, noch in der nordamerikanischen Union bestehenden<lb/> religiösen Communistengemeinden in folgenden Worten zusammen: „Wir haben<lb/> es hier mit practischen Versuchsstationen des Communismus zu thun, und es wird<lb/> durch sie unumstößlich bewiesen, daß freie Menschen und der Communismus zwei<lb/> unvereinbare Dinge sind. Nur wo Menschen, auf eigenes Denken und Handeln<lb/> verzichtend, sich gefügig dem Willen einer Einzelperson unterordnen, und wo dazu<lb/> noch ein Religionssystem tritt, welches diese Einzelperson als von Gott besonders<lb/> begnadet, ausgezeichnet und geheiligt erscheinen läßt, ist ein commnnistisches Zusam¬<lb/> menleben möglich, jedoch auch hier nur wenn die Mitgliederzahl eine sehr beschränkte<lb/> bleibt. Diese Communistengemeinden haben große Aehnlichkeit mit Klöstern, wenn<lb/> bei ihnen auch der Menschlichkeit und den Pflichten gegen die Natur etwas mehr<lb/> Rücksicht getragen wird, und sie namentlich den Barbarismus der Geschlechtertren-<lb/> nuug nicht adoptirt haben. Einzelne Menschen mögen in solchen Communisten-<lb/> colonien Glück, Ruhe und Vergessenheit finden. Die Menschheit als solche aber<lb/> kann zu ihrer Entwicklung unbedingt der individuellen Freiheit nicht entrathen."</p><lb/> <p xml:id="ID_390"> Was schließlich das transatlantische internationale Element betrifft, so bemerkt<lb/> der Verfasser mit Recht, daß die socialdemokratische, internationale Epoche in den<lb/> Vereinigten Staaten noch keine Geschichte hat und keine haben kann, weil die inter¬<lb/> nationalen Socialdemokraten, die bekanntlich von allen Privatversuchen zur Be¬<lb/> glückung der Menschheit ausdrücklich absehen, auch vom amerikanischen Volke noch<lb/> nicht haben erreichen können, daß der Staat sofort und unmittelbar die Vertheilung<lb/> der Güter nach communistisch - socialistischen Principien in die Hand nehme. Sie<lb/> werden dies auch um so weniger erreichen, als sich bei den Untersuchungen, welche<lb/> in Folge der Pöbelaufstände in Pittsburg, Chicago u. s. w. durch den Bundes-<lb/> congreß angeordnet wurden, herausstellte, daß die Wortführer der internationalen<lb/> Socialistenpartei bei der Schilderung des Bauplanes ihres Zukunftsstaates über<lb/> leere Phrasen und Gemeinplätze nicht hinauskamen und überdies bei vielen Haupt¬<lb/> fragen in Widersprüche geriethen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.<lb/> Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hiithel K Herrmann in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
wie z. B. Georg Napp es that, um ihre Seelen zu retten, und dazu bedürfen sie,
zumal fast alle den niederen Ständen angehören, keiner irdischen Güter; es wird
ihnen deshalb verhältnißmäßig leicht, den Egoismus abzustreifen. Die weltlichen
Communisten aber wollen genießen, gründlich genießen, sie mißgönnen ihren Mit¬
menschen den Besitz irdischer Güter, und es ist nur Egoismus, der sie dem Com¬
munismus in die Arme treibt. In einem communistischen Gemeinwesen aber muß
das Wort „Egoismus" ein hohler Schall sein, sonst ist das Fundament, auf welchem
das Gebäude ruhen soll, nicht vorhanden. Die Communisten, welche namentlich in
der Neuzeit so laut nach communistischen Institutionen rufen, sind am allerwenigsten
das Material für den Aufbau eines Communistenstaates zu verwenden. Wenn man
sagt, daß zu eiuer Republik vor allen Dingen Republikaner gehören, so kann man
noch viel treffender sagen: Zu einem Commuuisteustaat gehören vor allen Dingen
Communisten. Wirkliche Communisten, d. h. völlig selbstlose, nur für das Glück
ihrer Nächsten besorgte Menschen, sind aber nicht vorhanden, wenigstens nicht in
den Reihen derjenigen, welche den Communistenstaat verlangen. Der Verfasser faßt
sein Urtheil über die wenigen, noch in der nordamerikanischen Union bestehenden
religiösen Communistengemeinden in folgenden Worten zusammen: „Wir haben
es hier mit practischen Versuchsstationen des Communismus zu thun, und es wird
durch sie unumstößlich bewiesen, daß freie Menschen und der Communismus zwei
unvereinbare Dinge sind. Nur wo Menschen, auf eigenes Denken und Handeln
verzichtend, sich gefügig dem Willen einer Einzelperson unterordnen, und wo dazu
noch ein Religionssystem tritt, welches diese Einzelperson als von Gott besonders
begnadet, ausgezeichnet und geheiligt erscheinen läßt, ist ein commnnistisches Zusam¬
menleben möglich, jedoch auch hier nur wenn die Mitgliederzahl eine sehr beschränkte
bleibt. Diese Communistengemeinden haben große Aehnlichkeit mit Klöstern, wenn
bei ihnen auch der Menschlichkeit und den Pflichten gegen die Natur etwas mehr
Rücksicht getragen wird, und sie namentlich den Barbarismus der Geschlechtertren-
nuug nicht adoptirt haben. Einzelne Menschen mögen in solchen Communisten-
colonien Glück, Ruhe und Vergessenheit finden. Die Menschheit als solche aber
kann zu ihrer Entwicklung unbedingt der individuellen Freiheit nicht entrathen."
Was schließlich das transatlantische internationale Element betrifft, so bemerkt
der Verfasser mit Recht, daß die socialdemokratische, internationale Epoche in den
Vereinigten Staaten noch keine Geschichte hat und keine haben kann, weil die inter¬
nationalen Socialdemokraten, die bekanntlich von allen Privatversuchen zur Be¬
glückung der Menschheit ausdrücklich absehen, auch vom amerikanischen Volke noch
nicht haben erreichen können, daß der Staat sofort und unmittelbar die Vertheilung
der Güter nach communistisch - socialistischen Principien in die Hand nehme. Sie
werden dies auch um so weniger erreichen, als sich bei den Untersuchungen, welche
in Folge der Pöbelaufstände in Pittsburg, Chicago u. s. w. durch den Bundes-
congreß angeordnet wurden, herausstellte, daß die Wortführer der internationalen
Socialistenpartei bei der Schilderung des Bauplanes ihres Zukunftsstaates über
leere Phrasen und Gemeinplätze nicht hinauskamen und überdies bei vielen Haupt¬
fragen in Widersprüche geriethen.
Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hiithel K Herrmann in Leipzig.
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