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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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deutschen Reiche nicht damit gedient sein könne, wenn der Habsburgischen
Monarchie die Lebensadern (im Südosten) unterbunden würden. Dem Interesse,
welches Deutschland an dem gesicherten Bestände und der gedeihlichen Ent¬
wickelung dieser Monarchie hat, und der entschiedenen Weise, in welcher der
deutsche Reichskanzler dieses Interesse bethätigte, ist es in erster Linie zu danken,
daß dem Kriege zwischen Rußland und der Türkei kein Weltkrieg folgte, und
daß die Autorität Europas ans der Balkanhalbinsel trotz des entscheidenden
Sieges der Russen und trotz der hochfliegenden Pläne das Panslavisten in fried¬
licher Weise gewahrt wurde.

Die Interessengemeinschaft Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, wie sie
auf dem Berliner Kongresse und bei der Durchführung der dort gefaßten Be¬
schlüsse zu Tage trat, hat aber nicht aufgehört, seitdem letztere zur Wahrheit
geworden sind, d. h. sich in Thatsachen verwandelt haben. Deutschland muß
seiner Sicherheit halber immer darauf bedacht sein, daß Oesterreich-Ungarn
selbst gesichert und stark bleibt, und umgekehrt muß letzteres wünschen und be¬
strebt sein, daß ersteres ungeschwächt an Kraft und Macht sich weiter entwickeln
kann. Beide Staaten aber haben ein gleich großes Interesse daran, ihren fried¬
lichen Einfluß in den noch schwebenden europäischen Fragen gemeinschaftlich
zur Geltung zu bringen, und in Wien wie in Berlin ist, wie das hier be-
sprochne Ereigniß zeigt, der feste Entschluß dazu vorhanden. Daß sich daraus
ein förmliches Bündniß zu gegenseitiger Hilfe mit den Waffen entwickeln würde,
falls die Umstände es erforderten, ist selbstverständlich; aber immerhin würde
es dann nnr eine Defensiv-Allianz sein. Bis jetzt liegt zu einem derartigen
Abkommen, so weit wir sehen können, kein ernstlicher Grund vor.




HIarsiglio von Mdua.
Ein Vorkämpfer des Staates gegen die Kirche im
14. Jahrhundert.

Seit alter Zeit gehört die Frage nach dem Verhältniß zwischen der Staats¬
gewalt und der Kirche zu den schwierigsten Problemen, welche die Wissenschaft
zu lösen hat. Jeder Konflikt, in den die Kurie mit irgend einem Staate gerieth,
hat beide Parteien veranlaßt, oft in weitschichtigen Streitschriften ihren Stand¬
punkt zu vertheidigen. Verschwommen und unklar, voll von phantastischen


deutschen Reiche nicht damit gedient sein könne, wenn der Habsburgischen
Monarchie die Lebensadern (im Südosten) unterbunden würden. Dem Interesse,
welches Deutschland an dem gesicherten Bestände und der gedeihlichen Ent¬
wickelung dieser Monarchie hat, und der entschiedenen Weise, in welcher der
deutsche Reichskanzler dieses Interesse bethätigte, ist es in erster Linie zu danken,
daß dem Kriege zwischen Rußland und der Türkei kein Weltkrieg folgte, und
daß die Autorität Europas ans der Balkanhalbinsel trotz des entscheidenden
Sieges der Russen und trotz der hochfliegenden Pläne das Panslavisten in fried¬
licher Weise gewahrt wurde.

Die Interessengemeinschaft Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, wie sie
auf dem Berliner Kongresse und bei der Durchführung der dort gefaßten Be¬
schlüsse zu Tage trat, hat aber nicht aufgehört, seitdem letztere zur Wahrheit
geworden sind, d. h. sich in Thatsachen verwandelt haben. Deutschland muß
seiner Sicherheit halber immer darauf bedacht sein, daß Oesterreich-Ungarn
selbst gesichert und stark bleibt, und umgekehrt muß letzteres wünschen und be¬
strebt sein, daß ersteres ungeschwächt an Kraft und Macht sich weiter entwickeln
kann. Beide Staaten aber haben ein gleich großes Interesse daran, ihren fried¬
lichen Einfluß in den noch schwebenden europäischen Fragen gemeinschaftlich
zur Geltung zu bringen, und in Wien wie in Berlin ist, wie das hier be-
sprochne Ereigniß zeigt, der feste Entschluß dazu vorhanden. Daß sich daraus
ein förmliches Bündniß zu gegenseitiger Hilfe mit den Waffen entwickeln würde,
falls die Umstände es erforderten, ist selbstverständlich; aber immerhin würde
es dann nnr eine Defensiv-Allianz sein. Bis jetzt liegt zu einem derartigen
Abkommen, so weit wir sehen können, kein ernstlicher Grund vor.




HIarsiglio von Mdua.
Ein Vorkämpfer des Staates gegen die Kirche im
14. Jahrhundert.

Seit alter Zeit gehört die Frage nach dem Verhältniß zwischen der Staats¬
gewalt und der Kirche zu den schwierigsten Problemen, welche die Wissenschaft
zu lösen hat. Jeder Konflikt, in den die Kurie mit irgend einem Staate gerieth,
hat beide Parteien veranlaßt, oft in weitschichtigen Streitschriften ihren Stand¬
punkt zu vertheidigen. Verschwommen und unklar, voll von phantastischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/8>, abgerufen am 23.07.2024.