Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

auch die VasaNeuländer und führte sie wenigstens so weit der protestantischen
Kirche zu, daß der offne Widerspruch aufhörte. Allmählich erstreckte sich der
Einfluß der Wittenberger auf die Gebiete der Albertiuer, und später ließ der
Schmalkaldische Bund sogar im Lande des Herzogs von Braunschweig-Wolfen-
büttel eine Visitation vornehmen und dasselbe dem Protestantismus einverleibe".
An die Visitationen in den ernestinischen Landen schloß sich die Begründung
anderer bedeutsamer Institutionen an. Man hatte sich überzeugt, daß die
Superinteudenturen zur Beschützung und Weiterentwickelung der lutherischen
Kirche nicht genügten, und daß es dazu der Einrichtung von Konsistorien be¬
dürfte. Während man solche Behörden schuf, bemühte man sich durch Ausbil¬
dung des Stipendiatenwesens der Kirche und Schule wieder die Kräfte zuzu¬
wenden, welche nach dem Zuge der Zeit den geistlichen Beruf zu fliehen pflegten.
Endlich aber versuchte man im Anschluß an die Visitationen und nach Abschluß
der Aufhebung der geistlichen Güter das Werk der Reformation durch die "Be-
widmung" sämmtlicher geistliche" Stellen zu krönen.

Dies fand in den Jahren 1544 bis 1546 statt. Die materielle Lage der
Geistlichen war dnrch die Visitationen noch keineswegs genügend gebessert, ob¬
wohl man auch die Klostergüter in reichem Maße zur Dotation derselben her¬
angezogen hatte. Jetzt ging man auf Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich
von neuem an die Feststellung der Einnahmen der Pfarrstellen, und darauf
wurden einer großen Anzahl von Geistlichen Zulagen bewilligt. Uebermäßig
reichlich bedacht waren dieselben aber auch jetzt nicht. In den Superintenden-
turen Grimma, Weida, Neustadt, Eisenach, Planen, Oelsnitz und Liebenwerda
war die höchste Durchschuittsbesoldung 55, die niedrigste 40 Gulden jährlich,
und in der Superintendentur Gera betrug die Besoldung der Pfarrer durch¬
schnittlich gar nur 35 Gulden. Indeß war die Lage des Einzelnen durch diese
Bewidmung, die einer Zulage von 15 bis 25 Gulden gleichkam, nicht unwesent¬
lich verbessert worden.

Wir schalten hier nach Burkhardt einige Worte über den Geldwerth im
Reformationszeitalter und dessen Verhältniß zum heutigen Gelde ein. Der
Gulden, unter dem man den meißnischen verstand, hat nach unserm Gelde einen
Silberwerth von 4'/-. Mark. Da der Geldwerth aber gesunken ist und die
Durchschnittspreise des Getreides im 16. Jahrhunderte sich zu den unsern wie
1 zu 3,75 verhalten, so stellt sich der Werth des Guldens auf 15 Mark 75
Pfennige. Das heißt: für einen Gulden konnte man zu Luthers Zeit ebenso¬
viel Korn kaufen als jetzt für 15^ Mark. Eine Hilfe Landes (30 Acker) lieferte
einen Ertrag, welcher einen Werth von 5 Gulden hatte. Ein Fuder Heu galt
einem Gulden gleich. Korn wurde zu 3, Gerste ebenfalls zu 3, Hafer zu
2 Gulden das Malter veranschlagt. Eine Pfarre, die 60 Gulden vaares Ein-


auch die VasaNeuländer und führte sie wenigstens so weit der protestantischen
Kirche zu, daß der offne Widerspruch aufhörte. Allmählich erstreckte sich der
Einfluß der Wittenberger auf die Gebiete der Albertiuer, und später ließ der
Schmalkaldische Bund sogar im Lande des Herzogs von Braunschweig-Wolfen-
büttel eine Visitation vornehmen und dasselbe dem Protestantismus einverleibe».
An die Visitationen in den ernestinischen Landen schloß sich die Begründung
anderer bedeutsamer Institutionen an. Man hatte sich überzeugt, daß die
Superinteudenturen zur Beschützung und Weiterentwickelung der lutherischen
Kirche nicht genügten, und daß es dazu der Einrichtung von Konsistorien be¬
dürfte. Während man solche Behörden schuf, bemühte man sich durch Ausbil¬
dung des Stipendiatenwesens der Kirche und Schule wieder die Kräfte zuzu¬
wenden, welche nach dem Zuge der Zeit den geistlichen Beruf zu fliehen pflegten.
Endlich aber versuchte man im Anschluß an die Visitationen und nach Abschluß
der Aufhebung der geistlichen Güter das Werk der Reformation durch die „Be-
widmung" sämmtlicher geistliche« Stellen zu krönen.

Dies fand in den Jahren 1544 bis 1546 statt. Die materielle Lage der
Geistlichen war dnrch die Visitationen noch keineswegs genügend gebessert, ob¬
wohl man auch die Klostergüter in reichem Maße zur Dotation derselben her¬
angezogen hatte. Jetzt ging man auf Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich
von neuem an die Feststellung der Einnahmen der Pfarrstellen, und darauf
wurden einer großen Anzahl von Geistlichen Zulagen bewilligt. Uebermäßig
reichlich bedacht waren dieselben aber auch jetzt nicht. In den Superintenden-
turen Grimma, Weida, Neustadt, Eisenach, Planen, Oelsnitz und Liebenwerda
war die höchste Durchschuittsbesoldung 55, die niedrigste 40 Gulden jährlich,
und in der Superintendentur Gera betrug die Besoldung der Pfarrer durch¬
schnittlich gar nur 35 Gulden. Indeß war die Lage des Einzelnen durch diese
Bewidmung, die einer Zulage von 15 bis 25 Gulden gleichkam, nicht unwesent¬
lich verbessert worden.

Wir schalten hier nach Burkhardt einige Worte über den Geldwerth im
Reformationszeitalter und dessen Verhältniß zum heutigen Gelde ein. Der
Gulden, unter dem man den meißnischen verstand, hat nach unserm Gelde einen
Silberwerth von 4'/-. Mark. Da der Geldwerth aber gesunken ist und die
Durchschnittspreise des Getreides im 16. Jahrhunderte sich zu den unsern wie
1 zu 3,75 verhalten, so stellt sich der Werth des Guldens auf 15 Mark 75
Pfennige. Das heißt: für einen Gulden konnte man zu Luthers Zeit ebenso¬
viel Korn kaufen als jetzt für 15^ Mark. Eine Hilfe Landes (30 Acker) lieferte
einen Ertrag, welcher einen Werth von 5 Gulden hatte. Ein Fuder Heu galt
einem Gulden gleich. Korn wurde zu 3, Gerste ebenfalls zu 3, Hafer zu
2 Gulden das Malter veranschlagt. Eine Pfarre, die 60 Gulden vaares Ein-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143601"/>
          <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569"> auch die VasaNeuländer und führte sie wenigstens so weit der protestantischen<lb/>
Kirche zu, daß der offne Widerspruch aufhörte. Allmählich erstreckte sich der<lb/>
Einfluß der Wittenberger auf die Gebiete der Albertiuer, und später ließ der<lb/>
Schmalkaldische Bund sogar im Lande des Herzogs von Braunschweig-Wolfen-<lb/>
büttel eine Visitation vornehmen und dasselbe dem Protestantismus einverleibe».<lb/>
An die Visitationen in den ernestinischen Landen schloß sich die Begründung<lb/>
anderer bedeutsamer Institutionen an. Man hatte sich überzeugt, daß die<lb/>
Superinteudenturen zur Beschützung und Weiterentwickelung der lutherischen<lb/>
Kirche nicht genügten, und daß es dazu der Einrichtung von Konsistorien be¬<lb/>
dürfte. Während man solche Behörden schuf, bemühte man sich durch Ausbil¬<lb/>
dung des Stipendiatenwesens der Kirche und Schule wieder die Kräfte zuzu¬<lb/>
wenden, welche nach dem Zuge der Zeit den geistlichen Beruf zu fliehen pflegten.<lb/>
Endlich aber versuchte man im Anschluß an die Visitationen und nach Abschluß<lb/>
der Aufhebung der geistlichen Güter das Werk der Reformation durch die &#x201E;Be-<lb/>
widmung" sämmtlicher geistliche« Stellen zu krönen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1571"> Dies fand in den Jahren 1544 bis 1546 statt. Die materielle Lage der<lb/>
Geistlichen war dnrch die Visitationen noch keineswegs genügend gebessert, ob¬<lb/>
wohl man auch die Klostergüter in reichem Maße zur Dotation derselben her¬<lb/>
angezogen hatte. Jetzt ging man auf Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich<lb/>
von neuem an die Feststellung der Einnahmen der Pfarrstellen, und darauf<lb/>
wurden einer großen Anzahl von Geistlichen Zulagen bewilligt. Uebermäßig<lb/>
reichlich bedacht waren dieselben aber auch jetzt nicht. In den Superintenden-<lb/>
turen Grimma, Weida, Neustadt, Eisenach, Planen, Oelsnitz und Liebenwerda<lb/>
war die höchste Durchschuittsbesoldung 55, die niedrigste 40 Gulden jährlich,<lb/>
und in der Superintendentur Gera betrug die Besoldung der Pfarrer durch¬<lb/>
schnittlich gar nur 35 Gulden. Indeß war die Lage des Einzelnen durch diese<lb/>
Bewidmung, die einer Zulage von 15 bis 25 Gulden gleichkam, nicht unwesent¬<lb/>
lich verbessert worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1572" next="#ID_1573"> Wir schalten hier nach Burkhardt einige Worte über den Geldwerth im<lb/>
Reformationszeitalter und dessen Verhältniß zum heutigen Gelde ein. Der<lb/>
Gulden, unter dem man den meißnischen verstand, hat nach unserm Gelde einen<lb/>
Silberwerth von 4'/-. Mark. Da der Geldwerth aber gesunken ist und die<lb/>
Durchschnittspreise des Getreides im 16. Jahrhunderte sich zu den unsern wie<lb/>
1 zu 3,75 verhalten, so stellt sich der Werth des Guldens auf 15 Mark 75<lb/>
Pfennige. Das heißt: für einen Gulden konnte man zu Luthers Zeit ebenso¬<lb/>
viel Korn kaufen als jetzt für 15^ Mark. Eine Hilfe Landes (30 Acker) lieferte<lb/>
einen Ertrag, welcher einen Werth von 5 Gulden hatte. Ein Fuder Heu galt<lb/>
einem Gulden gleich. Korn wurde zu 3, Gerste ebenfalls zu 3, Hafer zu<lb/>
2 Gulden das Malter veranschlagt. Eine Pfarre, die 60 Gulden vaares Ein-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0546] auch die VasaNeuländer und führte sie wenigstens so weit der protestantischen Kirche zu, daß der offne Widerspruch aufhörte. Allmählich erstreckte sich der Einfluß der Wittenberger auf die Gebiete der Albertiuer, und später ließ der Schmalkaldische Bund sogar im Lande des Herzogs von Braunschweig-Wolfen- büttel eine Visitation vornehmen und dasselbe dem Protestantismus einverleibe». An die Visitationen in den ernestinischen Landen schloß sich die Begründung anderer bedeutsamer Institutionen an. Man hatte sich überzeugt, daß die Superinteudenturen zur Beschützung und Weiterentwickelung der lutherischen Kirche nicht genügten, und daß es dazu der Einrichtung von Konsistorien be¬ dürfte. Während man solche Behörden schuf, bemühte man sich durch Ausbil¬ dung des Stipendiatenwesens der Kirche und Schule wieder die Kräfte zuzu¬ wenden, welche nach dem Zuge der Zeit den geistlichen Beruf zu fliehen pflegten. Endlich aber versuchte man im Anschluß an die Visitationen und nach Abschluß der Aufhebung der geistlichen Güter das Werk der Reformation durch die „Be- widmung" sämmtlicher geistliche« Stellen zu krönen. Dies fand in den Jahren 1544 bis 1546 statt. Die materielle Lage der Geistlichen war dnrch die Visitationen noch keineswegs genügend gebessert, ob¬ wohl man auch die Klostergüter in reichem Maße zur Dotation derselben her¬ angezogen hatte. Jetzt ging man auf Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich von neuem an die Feststellung der Einnahmen der Pfarrstellen, und darauf wurden einer großen Anzahl von Geistlichen Zulagen bewilligt. Uebermäßig reichlich bedacht waren dieselben aber auch jetzt nicht. In den Superintenden- turen Grimma, Weida, Neustadt, Eisenach, Planen, Oelsnitz und Liebenwerda war die höchste Durchschuittsbesoldung 55, die niedrigste 40 Gulden jährlich, und in der Superintendentur Gera betrug die Besoldung der Pfarrer durch¬ schnittlich gar nur 35 Gulden. Indeß war die Lage des Einzelnen durch diese Bewidmung, die einer Zulage von 15 bis 25 Gulden gleichkam, nicht unwesent¬ lich verbessert worden. Wir schalten hier nach Burkhardt einige Worte über den Geldwerth im Reformationszeitalter und dessen Verhältniß zum heutigen Gelde ein. Der Gulden, unter dem man den meißnischen verstand, hat nach unserm Gelde einen Silberwerth von 4'/-. Mark. Da der Geldwerth aber gesunken ist und die Durchschnittspreise des Getreides im 16. Jahrhunderte sich zu den unsern wie 1 zu 3,75 verhalten, so stellt sich der Werth des Guldens auf 15 Mark 75 Pfennige. Das heißt: für einen Gulden konnte man zu Luthers Zeit ebenso¬ viel Korn kaufen als jetzt für 15^ Mark. Eine Hilfe Landes (30 Acker) lieferte einen Ertrag, welcher einen Werth von 5 Gulden hatte. Ein Fuder Heu galt einem Gulden gleich. Korn wurde zu 3, Gerste ebenfalls zu 3, Hafer zu 2 Gulden das Malter veranschlagt. Eine Pfarre, die 60 Gulden vaares Ein-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/546
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/546>, abgerufen am 23.07.2024.