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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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vom geistlichen Amte gelöst werden zu sollen, wenigstens in den Bezirken mit
konfessionell gemischter Bevölkerung. In den Regierungsbezirken Marienwerder,
Oppeln, Münster, Düsseldorf, Köln und Trier ist die Kreisschulinspektion der
Superintendenten fast ganz beseitigt. In anderen Bezirken, insbesondere den
Provinzen Posen, Preußen, Schlesien, Westfalen und Rheinland, ist eine
größere Zahl besonderer Kreisschulinspektoren angestellt. Hingegen ist die Lokal¬
schulinspektion an evangelischen Schulen in der Regel den evangelischen Orts-
geistlichen anvertraut geblieben. Unter diesen Verhältnissen haben die evangeli¬
schen Geistlichen zu einem großen Theile nur in Folge dringender Mahnungen
des Kirchenregiments noch die Schulinspektion übernommen und behalten. Das
peinliche Gefühl, nur widerruflich dieselbe auszuüben, die gemehrte Arbeit, die
in den letzten Jahren durch die rege Thätigkeit der Schulbehörden den Lokal¬
schulinspektoren erwuchs, zum Theil eine Arbeit, die vermöge ihres disciplinären
Charakters, als Kontrole des Schulbesuchs und Bestrafung der Schulversäum-
nisse, die seelsorgerische Stellung des Geistlichen zur Gemeinde leicht beeinträch¬
tigt, der Mangel einer Besoldung oder Remuneration, ja sogar einer vollen
Entschädigung sür eigene Auslagen, die Unterordnung unter Kreisschulinspek¬
toren, von denen einige katholisch waren, andere nicht akademisch gebildet, diese
und andere Verhältnisse, die damit im Zusammenhang stehen, haben es oft
den Geistlichen nahe gelegt, die Schulinspektion niederzulegen.

Dies die Verhältnisse, die in Folge der neueren Gesetzgebung, noch mehr
in Folge der Grundsätze, denen die Verwaltung folgte, gegenwärtig sich ge¬
bildet haben. Die Maßnahmen, die von Seiten des Oberkirchenraths ergriffen
wurden, sind vor allem dahin gegangen, die Staatsregierung zu veran¬
lassen, bei tief eingreifenden Organisationen, welche die religiöse Seite des
Volksschulwesens betreffen, die Organe der Kirche als die Vertreter der vor¬
zugsweise Jnteressirten, Erfahrenen und zur Mitwirkung Berufenen zu Rathe
zu ziehen. Der Oberkirchenrath gründete diesen Anspruch nicht auf eine recht¬
liche Basis, sondern auf die grundsätzlich pietäts- und vertrauensvolle Stellung
der evangelischen Kirche zu der obrigkeitlichen Autorität, sowie aus das organi¬
sche Band der kirchenregimentlichen Behörden mit dem Staate, die einen ver¬
traulichen Austausch königlicher Behörden über gemeinsame Aufgaben erwarten
lassen.

Die bestimmenden Gesichtspunkte dieser Vorlage fanden in der Synode
den lebhaftesten Wiederhall; or. Schrader, eine auf dem Gebiete der Schul¬
verwaltung wie der pädagogischen Wissenschaft hervorragende und anerkannte
Autorität, gab der allgemeinen Stimmung der Synode in dieser Frage einen
beredten Ausdruck. In keinem anderen Falle ist es einem Redner gelungen,
in solchem Maße die Sympathie und den Beifall der Synode zu gewinnen.


vom geistlichen Amte gelöst werden zu sollen, wenigstens in den Bezirken mit
konfessionell gemischter Bevölkerung. In den Regierungsbezirken Marienwerder,
Oppeln, Münster, Düsseldorf, Köln und Trier ist die Kreisschulinspektion der
Superintendenten fast ganz beseitigt. In anderen Bezirken, insbesondere den
Provinzen Posen, Preußen, Schlesien, Westfalen und Rheinland, ist eine
größere Zahl besonderer Kreisschulinspektoren angestellt. Hingegen ist die Lokal¬
schulinspektion an evangelischen Schulen in der Regel den evangelischen Orts-
geistlichen anvertraut geblieben. Unter diesen Verhältnissen haben die evangeli¬
schen Geistlichen zu einem großen Theile nur in Folge dringender Mahnungen
des Kirchenregiments noch die Schulinspektion übernommen und behalten. Das
peinliche Gefühl, nur widerruflich dieselbe auszuüben, die gemehrte Arbeit, die
in den letzten Jahren durch die rege Thätigkeit der Schulbehörden den Lokal¬
schulinspektoren erwuchs, zum Theil eine Arbeit, die vermöge ihres disciplinären
Charakters, als Kontrole des Schulbesuchs und Bestrafung der Schulversäum-
nisse, die seelsorgerische Stellung des Geistlichen zur Gemeinde leicht beeinträch¬
tigt, der Mangel einer Besoldung oder Remuneration, ja sogar einer vollen
Entschädigung sür eigene Auslagen, die Unterordnung unter Kreisschulinspek¬
toren, von denen einige katholisch waren, andere nicht akademisch gebildet, diese
und andere Verhältnisse, die damit im Zusammenhang stehen, haben es oft
den Geistlichen nahe gelegt, die Schulinspektion niederzulegen.

Dies die Verhältnisse, die in Folge der neueren Gesetzgebung, noch mehr
in Folge der Grundsätze, denen die Verwaltung folgte, gegenwärtig sich ge¬
bildet haben. Die Maßnahmen, die von Seiten des Oberkirchenraths ergriffen
wurden, sind vor allem dahin gegangen, die Staatsregierung zu veran¬
lassen, bei tief eingreifenden Organisationen, welche die religiöse Seite des
Volksschulwesens betreffen, die Organe der Kirche als die Vertreter der vor¬
zugsweise Jnteressirten, Erfahrenen und zur Mitwirkung Berufenen zu Rathe
zu ziehen. Der Oberkirchenrath gründete diesen Anspruch nicht auf eine recht¬
liche Basis, sondern auf die grundsätzlich pietäts- und vertrauensvolle Stellung
der evangelischen Kirche zu der obrigkeitlichen Autorität, sowie aus das organi¬
sche Band der kirchenregimentlichen Behörden mit dem Staate, die einen ver¬
traulichen Austausch königlicher Behörden über gemeinsame Aufgaben erwarten
lassen.

Die bestimmenden Gesichtspunkte dieser Vorlage fanden in der Synode
den lebhaftesten Wiederhall; or. Schrader, eine auf dem Gebiete der Schul¬
verwaltung wie der pädagogischen Wissenschaft hervorragende und anerkannte
Autorität, gab der allgemeinen Stimmung der Synode in dieser Frage einen
beredten Ausdruck. In keinem anderen Falle ist es einem Redner gelungen,
in solchem Maße die Sympathie und den Beifall der Synode zu gewinnen.


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[0528] vom geistlichen Amte gelöst werden zu sollen, wenigstens in den Bezirken mit konfessionell gemischter Bevölkerung. In den Regierungsbezirken Marienwerder, Oppeln, Münster, Düsseldorf, Köln und Trier ist die Kreisschulinspektion der Superintendenten fast ganz beseitigt. In anderen Bezirken, insbesondere den Provinzen Posen, Preußen, Schlesien, Westfalen und Rheinland, ist eine größere Zahl besonderer Kreisschulinspektoren angestellt. Hingegen ist die Lokal¬ schulinspektion an evangelischen Schulen in der Regel den evangelischen Orts- geistlichen anvertraut geblieben. Unter diesen Verhältnissen haben die evangeli¬ schen Geistlichen zu einem großen Theile nur in Folge dringender Mahnungen des Kirchenregiments noch die Schulinspektion übernommen und behalten. Das peinliche Gefühl, nur widerruflich dieselbe auszuüben, die gemehrte Arbeit, die in den letzten Jahren durch die rege Thätigkeit der Schulbehörden den Lokal¬ schulinspektoren erwuchs, zum Theil eine Arbeit, die vermöge ihres disciplinären Charakters, als Kontrole des Schulbesuchs und Bestrafung der Schulversäum- nisse, die seelsorgerische Stellung des Geistlichen zur Gemeinde leicht beeinträch¬ tigt, der Mangel einer Besoldung oder Remuneration, ja sogar einer vollen Entschädigung sür eigene Auslagen, die Unterordnung unter Kreisschulinspek¬ toren, von denen einige katholisch waren, andere nicht akademisch gebildet, diese und andere Verhältnisse, die damit im Zusammenhang stehen, haben es oft den Geistlichen nahe gelegt, die Schulinspektion niederzulegen. Dies die Verhältnisse, die in Folge der neueren Gesetzgebung, noch mehr in Folge der Grundsätze, denen die Verwaltung folgte, gegenwärtig sich ge¬ bildet haben. Die Maßnahmen, die von Seiten des Oberkirchenraths ergriffen wurden, sind vor allem dahin gegangen, die Staatsregierung zu veran¬ lassen, bei tief eingreifenden Organisationen, welche die religiöse Seite des Volksschulwesens betreffen, die Organe der Kirche als die Vertreter der vor¬ zugsweise Jnteressirten, Erfahrenen und zur Mitwirkung Berufenen zu Rathe zu ziehen. Der Oberkirchenrath gründete diesen Anspruch nicht auf eine recht¬ liche Basis, sondern auf die grundsätzlich pietäts- und vertrauensvolle Stellung der evangelischen Kirche zu der obrigkeitlichen Autorität, sowie aus das organi¬ sche Band der kirchenregimentlichen Behörden mit dem Staate, die einen ver¬ traulichen Austausch königlicher Behörden über gemeinsame Aufgaben erwarten lassen. Die bestimmenden Gesichtspunkte dieser Vorlage fanden in der Synode den lebhaftesten Wiederhall; or. Schrader, eine auf dem Gebiete der Schul¬ verwaltung wie der pädagogischen Wissenschaft hervorragende und anerkannte Autorität, gab der allgemeinen Stimmung der Synode in dieser Frage einen beredten Ausdruck. In keinem anderen Falle ist es einem Redner gelungen, in solchem Maße die Sympathie und den Beifall der Synode zu gewinnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/528>, abgerufen am 23.07.2024.