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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Flotten bei Kriegen mit Rußland oder zwischen Kontinentalmächten heutzutage
überhaupt leisten, haben wir im vorletzten orientalischen Kriege und 1870 ge¬
nügend gesehen, um von jener keine allzugroße Erwartungen zu hegen. So
bleibt also die Landmacht, die England in Europa besitzt, und von der von
vornherein zu sagen ist, daß sie verhültnißmäßig wenig bedeuten will.

Die englischen Streitkräfte bestehen nach den Mittheilungen in der Regi¬
strande unseres Großen Generalstabs (9. Jahrg. S. 318 ff.) zunächst aus der
regulären Armee. Die Infanterie zählt in Linie und Garde 148 Bataillone.
Hiervon befinden sich auf den auswärtigen Stationen, in Indien, Gibraltar,
Malta, Kapland, Kanada u. s. w. 73, von denen die 12 in Gibraltar und
Malta garnisonirenden im Verlauf eines Kriegs durch Milizbataillone abge¬
löst und so zur Verwendung im Auslande gebracht werden könnten. Zunächst
aber wären nur 68 Bataillone der Linie für einen auswärtigen Krieg ver¬
wendbar. Die Kavallerie besteht aus 31 Regimentern, von denen indeß 9 sich
in Indien befinden und 3 Gardekürassier-Regimenter für den Dienst in einem
auswärtigen Kriege nicht in Aussicht genommen sind, so daß also nur 19
Regimenter für einen solchen zur Verfügung stehen. Die Artillerie zählt 30
reitende, 114 Feldbatterien, 90 Batterien Festungs- und Belagerungs-Artillerie
und 10 Batterien Küsten-Artillerie. Von der reitenden Artillerie können 15,
von der Feldartillerie 45, von der Festungs- und Belagerungs-Artillerie eben¬
falls 45 Batterien, zusammen 630 Geschütze im Auslande verwendet werden.
Von den 49 Jngenieurkompagnien sind 27 zu diesem Zwecke disponibel. Dazu
kommen die Reserven der aktiven Armee. Die Reserve erster Klasse soll bis
zur Höhe von 80000 Mann gebracht werden, beträgt jedoch zur Zeit nicht
mehr als 15000 Mann, die in ihrer ganzen Stärke sofort zur ersten Mobili-
sirung auch nur zweier Armeekorps gebraucht werden, wobei zu bemerken, daß
ein mobiles englisches Armeekorps die Stärke von 1414 Offizieren, 35579
Mannschaften, 12 849 Pferden und 90 Geschützen haben soll. Ja, jene Reserve
genügt in ihrer jetzigen Zahl für den genannten Zweck noch nicht einmal, so-
daß noch außerdem die nicht mobilen Bataillone bei einer Mobilisirung von
nur zwei Korps schon den größten Theil ihrer ausgebildeten Mannschaften an
die zu mobilisirenden Bataillone abgeben müßten. Die Reserve zweiter Klasse
ist ungefähr 23000 Mann stark und besteht aus lauter durchaus ausgebildeten
Leuten. Dazu treten ferner die Milizreserve, die 30 000 Mann zählen soll,
diesen Bestand aber in Wirklichkeit nicht erreicht, und deren Mannschaften mit
ihrer Einwilligung der aktiven Armee einverleibt werden können, und die Miliz,
die nur aus Infanterie (85000 Mann), Artillerie (12500 Mann) und Inge¬
nieuren (1000 Mann) besteht. Die ^son-zur^ ist eine Art berittene Miliz,
deren Werth für zweifelhaft gilt. Im Kriegsfalle darf die Miliz der Armee


Flotten bei Kriegen mit Rußland oder zwischen Kontinentalmächten heutzutage
überhaupt leisten, haben wir im vorletzten orientalischen Kriege und 1870 ge¬
nügend gesehen, um von jener keine allzugroße Erwartungen zu hegen. So
bleibt also die Landmacht, die England in Europa besitzt, und von der von
vornherein zu sagen ist, daß sie verhültnißmäßig wenig bedeuten will.

Die englischen Streitkräfte bestehen nach den Mittheilungen in der Regi¬
strande unseres Großen Generalstabs (9. Jahrg. S. 318 ff.) zunächst aus der
regulären Armee. Die Infanterie zählt in Linie und Garde 148 Bataillone.
Hiervon befinden sich auf den auswärtigen Stationen, in Indien, Gibraltar,
Malta, Kapland, Kanada u. s. w. 73, von denen die 12 in Gibraltar und
Malta garnisonirenden im Verlauf eines Kriegs durch Milizbataillone abge¬
löst und so zur Verwendung im Auslande gebracht werden könnten. Zunächst
aber wären nur 68 Bataillone der Linie für einen auswärtigen Krieg ver¬
wendbar. Die Kavallerie besteht aus 31 Regimentern, von denen indeß 9 sich
in Indien befinden und 3 Gardekürassier-Regimenter für den Dienst in einem
auswärtigen Kriege nicht in Aussicht genommen sind, so daß also nur 19
Regimenter für einen solchen zur Verfügung stehen. Die Artillerie zählt 30
reitende, 114 Feldbatterien, 90 Batterien Festungs- und Belagerungs-Artillerie
und 10 Batterien Küsten-Artillerie. Von der reitenden Artillerie können 15,
von der Feldartillerie 45, von der Festungs- und Belagerungs-Artillerie eben¬
falls 45 Batterien, zusammen 630 Geschütze im Auslande verwendet werden.
Von den 49 Jngenieurkompagnien sind 27 zu diesem Zwecke disponibel. Dazu
kommen die Reserven der aktiven Armee. Die Reserve erster Klasse soll bis
zur Höhe von 80000 Mann gebracht werden, beträgt jedoch zur Zeit nicht
mehr als 15000 Mann, die in ihrer ganzen Stärke sofort zur ersten Mobili-
sirung auch nur zweier Armeekorps gebraucht werden, wobei zu bemerken, daß
ein mobiles englisches Armeekorps die Stärke von 1414 Offizieren, 35579
Mannschaften, 12 849 Pferden und 90 Geschützen haben soll. Ja, jene Reserve
genügt in ihrer jetzigen Zahl für den genannten Zweck noch nicht einmal, so-
daß noch außerdem die nicht mobilen Bataillone bei einer Mobilisirung von
nur zwei Korps schon den größten Theil ihrer ausgebildeten Mannschaften an
die zu mobilisirenden Bataillone abgeben müßten. Die Reserve zweiter Klasse
ist ungefähr 23000 Mann stark und besteht aus lauter durchaus ausgebildeten
Leuten. Dazu treten ferner die Milizreserve, die 30 000 Mann zählen soll,
diesen Bestand aber in Wirklichkeit nicht erreicht, und deren Mannschaften mit
ihrer Einwilligung der aktiven Armee einverleibt werden können, und die Miliz,
die nur aus Infanterie (85000 Mann), Artillerie (12500 Mann) und Inge¬
nieuren (1000 Mann) besteht. Die ^son-zur^ ist eine Art berittene Miliz,
deren Werth für zweifelhaft gilt. Im Kriegsfalle darf die Miliz der Armee


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[0485] Flotten bei Kriegen mit Rußland oder zwischen Kontinentalmächten heutzutage überhaupt leisten, haben wir im vorletzten orientalischen Kriege und 1870 ge¬ nügend gesehen, um von jener keine allzugroße Erwartungen zu hegen. So bleibt also die Landmacht, die England in Europa besitzt, und von der von vornherein zu sagen ist, daß sie verhültnißmäßig wenig bedeuten will. Die englischen Streitkräfte bestehen nach den Mittheilungen in der Regi¬ strande unseres Großen Generalstabs (9. Jahrg. S. 318 ff.) zunächst aus der regulären Armee. Die Infanterie zählt in Linie und Garde 148 Bataillone. Hiervon befinden sich auf den auswärtigen Stationen, in Indien, Gibraltar, Malta, Kapland, Kanada u. s. w. 73, von denen die 12 in Gibraltar und Malta garnisonirenden im Verlauf eines Kriegs durch Milizbataillone abge¬ löst und so zur Verwendung im Auslande gebracht werden könnten. Zunächst aber wären nur 68 Bataillone der Linie für einen auswärtigen Krieg ver¬ wendbar. Die Kavallerie besteht aus 31 Regimentern, von denen indeß 9 sich in Indien befinden und 3 Gardekürassier-Regimenter für den Dienst in einem auswärtigen Kriege nicht in Aussicht genommen sind, so daß also nur 19 Regimenter für einen solchen zur Verfügung stehen. Die Artillerie zählt 30 reitende, 114 Feldbatterien, 90 Batterien Festungs- und Belagerungs-Artillerie und 10 Batterien Küsten-Artillerie. Von der reitenden Artillerie können 15, von der Feldartillerie 45, von der Festungs- und Belagerungs-Artillerie eben¬ falls 45 Batterien, zusammen 630 Geschütze im Auslande verwendet werden. Von den 49 Jngenieurkompagnien sind 27 zu diesem Zwecke disponibel. Dazu kommen die Reserven der aktiven Armee. Die Reserve erster Klasse soll bis zur Höhe von 80000 Mann gebracht werden, beträgt jedoch zur Zeit nicht mehr als 15000 Mann, die in ihrer ganzen Stärke sofort zur ersten Mobili- sirung auch nur zweier Armeekorps gebraucht werden, wobei zu bemerken, daß ein mobiles englisches Armeekorps die Stärke von 1414 Offizieren, 35579 Mannschaften, 12 849 Pferden und 90 Geschützen haben soll. Ja, jene Reserve genügt in ihrer jetzigen Zahl für den genannten Zweck noch nicht einmal, so- daß noch außerdem die nicht mobilen Bataillone bei einer Mobilisirung von nur zwei Korps schon den größten Theil ihrer ausgebildeten Mannschaften an die zu mobilisirenden Bataillone abgeben müßten. Die Reserve zweiter Klasse ist ungefähr 23000 Mann stark und besteht aus lauter durchaus ausgebildeten Leuten. Dazu treten ferner die Milizreserve, die 30 000 Mann zählen soll, diesen Bestand aber in Wirklichkeit nicht erreicht, und deren Mannschaften mit ihrer Einwilligung der aktiven Armee einverleibt werden können, und die Miliz, die nur aus Infanterie (85000 Mann), Artillerie (12500 Mann) und Inge¬ nieuren (1000 Mann) besteht. Die ^son-zur^ ist eine Art berittene Miliz, deren Werth für zweifelhaft gilt. Im Kriegsfalle darf die Miliz der Armee

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/485>, abgerufen am 23.07.2024.