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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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einige Fragmente von Hochreliefs zu finden, mehr als zehn Centner im Ge¬
wicht, die er im Jahre 1872 dem Berliner Museum zum Geschenk machte. Es
waren drei Platten, die zusammen einen Umfang von fünf Quadratmetern
haben. Dieser Fund beschäftigte natürlich unsere Gelehrten in hohem Grade,
und der jetzige Direktor der Berliner Antikensammlung, Professor Conze,fand
bei seinen Nachforschungen eine Stelle in einem römischen Memorabilienschreiber
des 3. Jahrhunderts n. Chr. (Ampelius), an welcher von einem an vierzig Fuß
hohen Altar in Pergamon die Rede ist, der mit bildlichen Darstellungen einer
Gigantomachie geschmückt sei. Daraufhin stellte Conze einen Antrag beim
Ministerium, welches die Mittel zu Ausgrabungen bewilligte, und nachdem die
Genehmigung der türkischen Regierung, Dank der diplomatischen Gewandtheit
des deutschen Botschafters Graf Hatzfeldt, im Monat August 1878 erlaugt
war, begann der Ingenieur Humann am 9. September seine Arbeit.

Der Burgberg ist mit zahlreichen Befestigungen aus byzantinischer und
späterer türkischer Zeit versehen, von denen besonders eine fünf Meter dicke
byzantinische Mauer wegen ihres Reichthums an Marmorresten die Aufmerk¬
samkeit des Herrn Humann erregt hatte. In ihr hatte er auch die Fragmente
gefunden, die er dem Berliner Museum geschickt. Wenn der Altar des Ampe¬
lius keine bloße Fiktion war, mußte er in der Nähe dieser Mauer zu suchen
sein, die augenscheinlich zum Theil aus seinen Resten erbaut worden war.
Nördlich von dieser Mauer entdeckte er auch eine Bodenerhebung, die ihm nicht
natürlich zu sein, sondern von Trümmern herzurühren schien. Seine Berech¬
nung hatte ihn nicht getäuscht: in der That war dies die Stelle, auf welcher
sich einst der Altar erhob. Die Bildwerke waren aber durch rohe Barbaren-
Hände von ihrem hohen Aufstellungsorte herabgestürzt und in die byzantinische
Mauer mit Mörtel so fest eingefügt worden, daß die Arbeiter Humanus jeden
einzelnen Stein mit Hacken, Hämmern und Hebestangen herausbrechen mußten.
Am 12. September waren bereits 11 große Bilder, 30 Bruchstücke und die
Substruktionen des Altars gefunden worden. Wir entnehmen dem Ausgra¬
bungsberichte noch, daß der Gigantenfries sich nach der Berechnung des Herrn
Humann in einer Länge von 130 Metern um den Altar herumzog. Da die
Reliefs 2,30 Meter hoch sind, bedeckten sie eine Fläche von ca. 300 Quadrat¬
metern. Die Zahl der theils in der ganzen Höhe, theils in großen Bruch¬
stücken gefundenen Platten beträgt nach dem Berichte der Museumsverwaltung
mehr als neunzig; dazu kommen noch ca. 1500 Fragmente. Das würde zu¬
sammen eine Bildfläche von 150 Quadratmeter ergeben, so daß uns also die
Hälfte des Frieses erhalten wäre. Der Rest scheint unwiederbringlich verloren
zu sein. Er ist augenscheinlich von den Byzantinern zu Kalk verbrannt worden,
und zwar berechnet man nach der Ausdehnung der Mauer die Masse des


einige Fragmente von Hochreliefs zu finden, mehr als zehn Centner im Ge¬
wicht, die er im Jahre 1872 dem Berliner Museum zum Geschenk machte. Es
waren drei Platten, die zusammen einen Umfang von fünf Quadratmetern
haben. Dieser Fund beschäftigte natürlich unsere Gelehrten in hohem Grade,
und der jetzige Direktor der Berliner Antikensammlung, Professor Conze,fand
bei seinen Nachforschungen eine Stelle in einem römischen Memorabilienschreiber
des 3. Jahrhunderts n. Chr. (Ampelius), an welcher von einem an vierzig Fuß
hohen Altar in Pergamon die Rede ist, der mit bildlichen Darstellungen einer
Gigantomachie geschmückt sei. Daraufhin stellte Conze einen Antrag beim
Ministerium, welches die Mittel zu Ausgrabungen bewilligte, und nachdem die
Genehmigung der türkischen Regierung, Dank der diplomatischen Gewandtheit
des deutschen Botschafters Graf Hatzfeldt, im Monat August 1878 erlaugt
war, begann der Ingenieur Humann am 9. September seine Arbeit.

Der Burgberg ist mit zahlreichen Befestigungen aus byzantinischer und
späterer türkischer Zeit versehen, von denen besonders eine fünf Meter dicke
byzantinische Mauer wegen ihres Reichthums an Marmorresten die Aufmerk¬
samkeit des Herrn Humann erregt hatte. In ihr hatte er auch die Fragmente
gefunden, die er dem Berliner Museum geschickt. Wenn der Altar des Ampe¬
lius keine bloße Fiktion war, mußte er in der Nähe dieser Mauer zu suchen
sein, die augenscheinlich zum Theil aus seinen Resten erbaut worden war.
Nördlich von dieser Mauer entdeckte er auch eine Bodenerhebung, die ihm nicht
natürlich zu sein, sondern von Trümmern herzurühren schien. Seine Berech¬
nung hatte ihn nicht getäuscht: in der That war dies die Stelle, auf welcher
sich einst der Altar erhob. Die Bildwerke waren aber durch rohe Barbaren-
Hände von ihrem hohen Aufstellungsorte herabgestürzt und in die byzantinische
Mauer mit Mörtel so fest eingefügt worden, daß die Arbeiter Humanus jeden
einzelnen Stein mit Hacken, Hämmern und Hebestangen herausbrechen mußten.
Am 12. September waren bereits 11 große Bilder, 30 Bruchstücke und die
Substruktionen des Altars gefunden worden. Wir entnehmen dem Ausgra¬
bungsberichte noch, daß der Gigantenfries sich nach der Berechnung des Herrn
Humann in einer Länge von 130 Metern um den Altar herumzog. Da die
Reliefs 2,30 Meter hoch sind, bedeckten sie eine Fläche von ca. 300 Quadrat¬
metern. Die Zahl der theils in der ganzen Höhe, theils in großen Bruch¬
stücken gefundenen Platten beträgt nach dem Berichte der Museumsverwaltung
mehr als neunzig; dazu kommen noch ca. 1500 Fragmente. Das würde zu¬
sammen eine Bildfläche von 150 Quadratmeter ergeben, so daß uns also die
Hälfte des Frieses erhalten wäre. Der Rest scheint unwiederbringlich verloren
zu sein. Er ist augenscheinlich von den Byzantinern zu Kalk verbrannt worden,
und zwar berechnet man nach der Ausdehnung der Mauer die Masse des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/462>, abgerufen am 23.07.2024.