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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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der Fall gewesen. In den Jahren der Krisis lag die Besiedelung neuer Län¬
dereien gerade so darnieder wie alle anderen Unternehmungen. Erst mit der
Wiederbelebung des Handels und der Industrie nahm auch die Gründung
neuer Heimstätten einen bedeutenden Aufschwung. Es erklärt sich dies wohl
daraus, daß anch auf diesem Gebiete menschlicher Thätigkeit Unternehmungs¬
geist und Vertrauen in die allgemeine Finanz - und Geschäftslage des Landes
nöthig sind. Wer da glaubt, daß die Ansiedler im fernen Westen Amerikas
sich vorzugsweise aus der Armenbevölkerung der größeren Fabrikstädte rekru-
tiren, befindet sich in einem starken Irrthum. Zwar sind, mit Hilfe von Kapi¬
talisten, manche armen Leute unter dem Heimstättegesetz Ansiedler geworden;
die Mehrzahl der Heimstüttegründer waren jedoch Leute, die schon vorher zu
arbeiten und zu sparen wußten.

Das Heimstättengesetz hat sich ster das Volk der Vereinigten Staaten als
ein wahrer Segen erwiesen. Indem es eine angemessene Vertheilung des
Grundbesitzes mit Ausschluß wüster Landspekulation herbeiführt, bildet es die
Grundlage für die Entwickelung eines unabhängigen Bauernstandes. Es hat
namentlich die heilsame Tendenz, dem Landmonopol entgegenzuwirken, indem
es die Besitznahme großer Länderstrecken seitens weniger Individuen möglichst
verhütet. --

Es ist oft die Rede davon gewesen, dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten einen seiner Stellung würdigen Wohnsitz zu schaffen, und der unter
der Administration des Präsidenten U. S. Grant herrschende Spekulationsgeist
hätte diese wohlberechtigte Idee fast zur Ausführung kommen lassen. Von Jahr
zu Jahr wächst aber die Nothwendigkeit, in dieser Beziehung eine Aenderung
zu treffen, und schließlich wird sich die Bundesgesetzgebung in Washington City
entschließen müssen, die Sache ernstlich zu betreiben, wenn anders diese Stadt
die Haupt- und Residenzstadt der Union bleiben soll. Die Gründe für eine
solche Aenderung sind sehr mannigfache. Einmal ist die Gegend, in welcher
das "Weiße Haus", die bekannte Amtswohnung des Präsidenten der Vereinigten
Staaten, liegt, entschieden ungesund. Der ganze dortige Stadttheil, das soge¬
nannte ^VöstsM, ist allerdings noch immer mit der beste Theil von Washington
City, aber nur für solche Familien zum Wohnen eingerichtet, die während des
Sommers ihre Häuser zuschließen und in die Bäder gehen oder eine Vergnü¬
gungsreise, sei es anch über den Ozean, unternehmen können. Das "Weiße
Haus" liegt aber in mancher Hinsicht noch ungesunder als die weiter westlich
gelegenen Häuser. Das sumpfige Tiefland des Potomacflusses erstreckt sich
fast bis zu dem verhältnißmüßig kleinen Garten südlich vom "Weißen Hause";
und wenn auch die Fernsicht von der Veranda eine köstliche ist und den
Potomac und die Hügelketten der Nachbarstaaten Marylnnd und Virginien


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der Fall gewesen. In den Jahren der Krisis lag die Besiedelung neuer Län¬
dereien gerade so darnieder wie alle anderen Unternehmungen. Erst mit der
Wiederbelebung des Handels und der Industrie nahm auch die Gründung
neuer Heimstätten einen bedeutenden Aufschwung. Es erklärt sich dies wohl
daraus, daß anch auf diesem Gebiete menschlicher Thätigkeit Unternehmungs¬
geist und Vertrauen in die allgemeine Finanz - und Geschäftslage des Landes
nöthig sind. Wer da glaubt, daß die Ansiedler im fernen Westen Amerikas
sich vorzugsweise aus der Armenbevölkerung der größeren Fabrikstädte rekru-
tiren, befindet sich in einem starken Irrthum. Zwar sind, mit Hilfe von Kapi¬
talisten, manche armen Leute unter dem Heimstättegesetz Ansiedler geworden;
die Mehrzahl der Heimstüttegründer waren jedoch Leute, die schon vorher zu
arbeiten und zu sparen wußten.

Das Heimstättengesetz hat sich ster das Volk der Vereinigten Staaten als
ein wahrer Segen erwiesen. Indem es eine angemessene Vertheilung des
Grundbesitzes mit Ausschluß wüster Landspekulation herbeiführt, bildet es die
Grundlage für die Entwickelung eines unabhängigen Bauernstandes. Es hat
namentlich die heilsame Tendenz, dem Landmonopol entgegenzuwirken, indem
es die Besitznahme großer Länderstrecken seitens weniger Individuen möglichst
verhütet. —

Es ist oft die Rede davon gewesen, dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten einen seiner Stellung würdigen Wohnsitz zu schaffen, und der unter
der Administration des Präsidenten U. S. Grant herrschende Spekulationsgeist
hätte diese wohlberechtigte Idee fast zur Ausführung kommen lassen. Von Jahr
zu Jahr wächst aber die Nothwendigkeit, in dieser Beziehung eine Aenderung
zu treffen, und schließlich wird sich die Bundesgesetzgebung in Washington City
entschließen müssen, die Sache ernstlich zu betreiben, wenn anders diese Stadt
die Haupt- und Residenzstadt der Union bleiben soll. Die Gründe für eine
solche Aenderung sind sehr mannigfache. Einmal ist die Gegend, in welcher
das „Weiße Haus", die bekannte Amtswohnung des Präsidenten der Vereinigten
Staaten, liegt, entschieden ungesund. Der ganze dortige Stadttheil, das soge¬
nannte ^VöstsM, ist allerdings noch immer mit der beste Theil von Washington
City, aber nur für solche Familien zum Wohnen eingerichtet, die während des
Sommers ihre Häuser zuschließen und in die Bäder gehen oder eine Vergnü¬
gungsreise, sei es anch über den Ozean, unternehmen können. Das „Weiße
Haus" liegt aber in mancher Hinsicht noch ungesunder als die weiter westlich
gelegenen Häuser. Das sumpfige Tiefland des Potomacflusses erstreckt sich
fast bis zu dem verhältnißmüßig kleinen Garten südlich vom „Weißen Hause";
und wenn auch die Fernsicht von der Veranda eine köstliche ist und den
Potomac und die Hügelketten der Nachbarstaaten Marylnnd und Virginien


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[0045] der Fall gewesen. In den Jahren der Krisis lag die Besiedelung neuer Län¬ dereien gerade so darnieder wie alle anderen Unternehmungen. Erst mit der Wiederbelebung des Handels und der Industrie nahm auch die Gründung neuer Heimstätten einen bedeutenden Aufschwung. Es erklärt sich dies wohl daraus, daß anch auf diesem Gebiete menschlicher Thätigkeit Unternehmungs¬ geist und Vertrauen in die allgemeine Finanz - und Geschäftslage des Landes nöthig sind. Wer da glaubt, daß die Ansiedler im fernen Westen Amerikas sich vorzugsweise aus der Armenbevölkerung der größeren Fabrikstädte rekru- tiren, befindet sich in einem starken Irrthum. Zwar sind, mit Hilfe von Kapi¬ talisten, manche armen Leute unter dem Heimstättegesetz Ansiedler geworden; die Mehrzahl der Heimstüttegründer waren jedoch Leute, die schon vorher zu arbeiten und zu sparen wußten. Das Heimstättengesetz hat sich ster das Volk der Vereinigten Staaten als ein wahrer Segen erwiesen. Indem es eine angemessene Vertheilung des Grundbesitzes mit Ausschluß wüster Landspekulation herbeiführt, bildet es die Grundlage für die Entwickelung eines unabhängigen Bauernstandes. Es hat namentlich die heilsame Tendenz, dem Landmonopol entgegenzuwirken, indem es die Besitznahme großer Länderstrecken seitens weniger Individuen möglichst verhütet. — Es ist oft die Rede davon gewesen, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten einen seiner Stellung würdigen Wohnsitz zu schaffen, und der unter der Administration des Präsidenten U. S. Grant herrschende Spekulationsgeist hätte diese wohlberechtigte Idee fast zur Ausführung kommen lassen. Von Jahr zu Jahr wächst aber die Nothwendigkeit, in dieser Beziehung eine Aenderung zu treffen, und schließlich wird sich die Bundesgesetzgebung in Washington City entschließen müssen, die Sache ernstlich zu betreiben, wenn anders diese Stadt die Haupt- und Residenzstadt der Union bleiben soll. Die Gründe für eine solche Aenderung sind sehr mannigfache. Einmal ist die Gegend, in welcher das „Weiße Haus", die bekannte Amtswohnung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, liegt, entschieden ungesund. Der ganze dortige Stadttheil, das soge¬ nannte ^VöstsM, ist allerdings noch immer mit der beste Theil von Washington City, aber nur für solche Familien zum Wohnen eingerichtet, die während des Sommers ihre Häuser zuschließen und in die Bäder gehen oder eine Vergnü¬ gungsreise, sei es anch über den Ozean, unternehmen können. Das „Weiße Haus" liegt aber in mancher Hinsicht noch ungesunder als die weiter westlich gelegenen Häuser. Das sumpfige Tiefland des Potomacflusses erstreckt sich fast bis zu dem verhältnißmüßig kleinen Garten südlich vom „Weißen Hause"; und wenn auch die Fernsicht von der Veranda eine köstliche ist und den Potomac und die Hügelketten der Nachbarstaaten Marylnnd und Virginien Grmzlwlni IV. 1L79. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/45>, abgerufen am 26.06.2024.