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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Genrebilder und Landschaften, die in aller Eile nach den willkürlichen Nei¬
gungen einiger Künstler zusammengerafft waren, die deutsche Kunst in ihrer
Totalität nicht repräsentiren konnte. Trotzdem faßt er sein Urtheil über die
außerfranzösische Kunst in folgende Sätze zusammen: "Was diese gemeinsame
Konkurrenz unsern Augen offenbart, ist folgendes: Die Kunst erwacht in
Griechenland und Italien, sie geht in Spanien einer Umwandlung entgegen,
und in Portugal schläft sie ein; England verleiht ihr in merkwürdiger Weise
einen eigenthümlichen Privatcharakter, Belgien kultivirt sie mit Erfolg und
Liebe, und Deutschland hält ihre Ehre aufrecht; in Holland wird sie grämlich,
in Dänemark vegetirt sie, in Schweden führt sie ein beschränktes Dasein, und
in Rußland feiert sie. Die Schweiz besitzt nur eine fragmentarische Kunst.
Oesterreich-Ungarn scheint allein die edle, ehrgeizige Absicht zu haben, eines
Tages, wenigstens in der Malerei, vorneanzustehen."

In diesen Sätzen ist Wahres mit Falschen gemischt. Die Absicht, Oester¬
reich auf Kosten Deutschlands ein Kompliment zu machen, ist unverkennbar.
Aber Deutschland darf von diesem Komplimente einen guten Theil für sich in
Anspruch nehmen. Die Kunst Oesterreichs, insbesondere die Malerei, ist von
der Deutschlands nicht zu trennen. Männer wie Makart, Gabriel Max,
Defregger, Kurzbauer, Benczur sind Sprößlinge der Münchener Schule, Mun-
kacsy und H. v. Angeli haben ihre künstlerische Reife in Düsseldorf erhalten,
und nur die Gruppe der Slawen, Matejko, Brozik, Czermak, steht außerhalb
der deutschen Kunstbewegung. Freilich präsentirt sich die Kunst Oesterreichs in
ihrer Gesammtheit ungleich glänzender als die Deutschlands. Das ist aber
nicht so sehr der höheren künstlerischen Bedeutung und Begabung ihrer einzelnen
Vertreter zu danken als vielmehr der aufmerksamen und verständnißvollen
Pflege der österreichischen Regierung, speziell des Kaisers Franz Joseph,
welcher in der schwersten Periode seiner Regierung den Plan zu einer hoch¬
herzigen Förderung der Künste in großem Stile faßte. Seiner Initiative ist
der mächtige Aufschwung zu danken, welchen zunächst die Architektur und in
ihrem Gefolge die gesammte Kunstindustrie genommen hat. Plastik und Malerei
blieben nicht zurück, und besonders die erstere hat unter Kaiser Franz Joseph
eine Höhe erreicht, die sie unter keinem seiner Vorgänger eingenommen. So
war die großartige Huldigung, welche Kunst und Gewerbe dem österreichischen
Kaiserpaare am Tage seiner silbernen Hochzeit darbrachten, keine inhaltsleere
Schmeichelei, sondern ein verdienter Zoll wohlbegründeter Dankbarkeit.

Die politische Gestaltung Deutschlands macht eine gleiche Einwirkung vom
Throne herab unmöglich. Die Pflege der Kunst bleibt nach wie vor den
Einzelstaaten überlassen: Das Reich als solches hat für die Förderung der
zeitgenössischen Kunst noch so gut wie nichts gethan. Die einzige Unternehmung


Genrebilder und Landschaften, die in aller Eile nach den willkürlichen Nei¬
gungen einiger Künstler zusammengerafft waren, die deutsche Kunst in ihrer
Totalität nicht repräsentiren konnte. Trotzdem faßt er sein Urtheil über die
außerfranzösische Kunst in folgende Sätze zusammen: „Was diese gemeinsame
Konkurrenz unsern Augen offenbart, ist folgendes: Die Kunst erwacht in
Griechenland und Italien, sie geht in Spanien einer Umwandlung entgegen,
und in Portugal schläft sie ein; England verleiht ihr in merkwürdiger Weise
einen eigenthümlichen Privatcharakter, Belgien kultivirt sie mit Erfolg und
Liebe, und Deutschland hält ihre Ehre aufrecht; in Holland wird sie grämlich,
in Dänemark vegetirt sie, in Schweden führt sie ein beschränktes Dasein, und
in Rußland feiert sie. Die Schweiz besitzt nur eine fragmentarische Kunst.
Oesterreich-Ungarn scheint allein die edle, ehrgeizige Absicht zu haben, eines
Tages, wenigstens in der Malerei, vorneanzustehen."

In diesen Sätzen ist Wahres mit Falschen gemischt. Die Absicht, Oester¬
reich auf Kosten Deutschlands ein Kompliment zu machen, ist unverkennbar.
Aber Deutschland darf von diesem Komplimente einen guten Theil für sich in
Anspruch nehmen. Die Kunst Oesterreichs, insbesondere die Malerei, ist von
der Deutschlands nicht zu trennen. Männer wie Makart, Gabriel Max,
Defregger, Kurzbauer, Benczur sind Sprößlinge der Münchener Schule, Mun-
kacsy und H. v. Angeli haben ihre künstlerische Reife in Düsseldorf erhalten,
und nur die Gruppe der Slawen, Matejko, Brozik, Czermak, steht außerhalb
der deutschen Kunstbewegung. Freilich präsentirt sich die Kunst Oesterreichs in
ihrer Gesammtheit ungleich glänzender als die Deutschlands. Das ist aber
nicht so sehr der höheren künstlerischen Bedeutung und Begabung ihrer einzelnen
Vertreter zu danken als vielmehr der aufmerksamen und verständnißvollen
Pflege der österreichischen Regierung, speziell des Kaisers Franz Joseph,
welcher in der schwersten Periode seiner Regierung den Plan zu einer hoch¬
herzigen Förderung der Künste in großem Stile faßte. Seiner Initiative ist
der mächtige Aufschwung zu danken, welchen zunächst die Architektur und in
ihrem Gefolge die gesammte Kunstindustrie genommen hat. Plastik und Malerei
blieben nicht zurück, und besonders die erstere hat unter Kaiser Franz Joseph
eine Höhe erreicht, die sie unter keinem seiner Vorgänger eingenommen. So
war die großartige Huldigung, welche Kunst und Gewerbe dem österreichischen
Kaiserpaare am Tage seiner silbernen Hochzeit darbrachten, keine inhaltsleere
Schmeichelei, sondern ein verdienter Zoll wohlbegründeter Dankbarkeit.

Die politische Gestaltung Deutschlands macht eine gleiche Einwirkung vom
Throne herab unmöglich. Die Pflege der Kunst bleibt nach wie vor den
Einzelstaaten überlassen: Das Reich als solches hat für die Förderung der
zeitgenössischen Kunst noch so gut wie nichts gethan. Die einzige Unternehmung


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[0419] Genrebilder und Landschaften, die in aller Eile nach den willkürlichen Nei¬ gungen einiger Künstler zusammengerafft waren, die deutsche Kunst in ihrer Totalität nicht repräsentiren konnte. Trotzdem faßt er sein Urtheil über die außerfranzösische Kunst in folgende Sätze zusammen: „Was diese gemeinsame Konkurrenz unsern Augen offenbart, ist folgendes: Die Kunst erwacht in Griechenland und Italien, sie geht in Spanien einer Umwandlung entgegen, und in Portugal schläft sie ein; England verleiht ihr in merkwürdiger Weise einen eigenthümlichen Privatcharakter, Belgien kultivirt sie mit Erfolg und Liebe, und Deutschland hält ihre Ehre aufrecht; in Holland wird sie grämlich, in Dänemark vegetirt sie, in Schweden führt sie ein beschränktes Dasein, und in Rußland feiert sie. Die Schweiz besitzt nur eine fragmentarische Kunst. Oesterreich-Ungarn scheint allein die edle, ehrgeizige Absicht zu haben, eines Tages, wenigstens in der Malerei, vorneanzustehen." In diesen Sätzen ist Wahres mit Falschen gemischt. Die Absicht, Oester¬ reich auf Kosten Deutschlands ein Kompliment zu machen, ist unverkennbar. Aber Deutschland darf von diesem Komplimente einen guten Theil für sich in Anspruch nehmen. Die Kunst Oesterreichs, insbesondere die Malerei, ist von der Deutschlands nicht zu trennen. Männer wie Makart, Gabriel Max, Defregger, Kurzbauer, Benczur sind Sprößlinge der Münchener Schule, Mun- kacsy und H. v. Angeli haben ihre künstlerische Reife in Düsseldorf erhalten, und nur die Gruppe der Slawen, Matejko, Brozik, Czermak, steht außerhalb der deutschen Kunstbewegung. Freilich präsentirt sich die Kunst Oesterreichs in ihrer Gesammtheit ungleich glänzender als die Deutschlands. Das ist aber nicht so sehr der höheren künstlerischen Bedeutung und Begabung ihrer einzelnen Vertreter zu danken als vielmehr der aufmerksamen und verständnißvollen Pflege der österreichischen Regierung, speziell des Kaisers Franz Joseph, welcher in der schwersten Periode seiner Regierung den Plan zu einer hoch¬ herzigen Förderung der Künste in großem Stile faßte. Seiner Initiative ist der mächtige Aufschwung zu danken, welchen zunächst die Architektur und in ihrem Gefolge die gesammte Kunstindustrie genommen hat. Plastik und Malerei blieben nicht zurück, und besonders die erstere hat unter Kaiser Franz Joseph eine Höhe erreicht, die sie unter keinem seiner Vorgänger eingenommen. So war die großartige Huldigung, welche Kunst und Gewerbe dem österreichischen Kaiserpaare am Tage seiner silbernen Hochzeit darbrachten, keine inhaltsleere Schmeichelei, sondern ein verdienter Zoll wohlbegründeter Dankbarkeit. Die politische Gestaltung Deutschlands macht eine gleiche Einwirkung vom Throne herab unmöglich. Die Pflege der Kunst bleibt nach wie vor den Einzelstaaten überlassen: Das Reich als solches hat für die Förderung der zeitgenössischen Kunst noch so gut wie nichts gethan. Die einzige Unternehmung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/419>, abgerufen am 27.08.2024.