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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Seevögel und Fische malte, muß an der See gewohnt und, da
wir seine Spuren auf Cypern, Italien und vielen Inseln des Archi¬
pels :c. wiederfinden, einen ausgebreiteten Seehandel getrieben haben,
der nach den Verhältnissen der ältesten Zeit wiederum nicht möglich
ist ohne eine wirkliche Seeherrschaft. Alle diese Umstände treffen
zusammen bei den Phöniciern, die für die Hellenen gefährliche
Concurrenten auf Cypern waren, deren Spuren man daher von
vornherein auf dieser Insel zu finden erwarten mußte. Schon früher hatten
Brunn und Helbig die Ansicht verfochten, daß die geometrischen Ornamente
phönicisch seien; durch die Ausgrabungen auf Cypern hat diese Hypothese eine
wichtige Bestätigung gefunden. Cesnola hat zwei Vasen gefunden (Taf. 5,2
u. 43.2), die geometrische Ornamente und phönicische Inschriften verbinden; die
eine von beiden ist aus Thon und die Inschrift nicht etwa von einem späteren
Besitzer eingeritzt, sondern -- was besonders wichtig ist -- vom Töpfer vor
dem Brennen eingedrückt worden; dagegen hat sich bis jetzt noch keine griechi¬
sche Inschrift auf diesen Vasen ältesten Stiles entdecken lassen. -- Die Griechen
der späteren Zeit erinnerten sich noch deutlich einer Periode, die vor ihrer
eigenen Entwickelung lag, in der die Phönieier nicht das herrschende, sondern
das einzige Seevolk des Mittelmeeres waren, bis die Hellenen und Etrusker
sich soweit entwickelt hatten, daß sie ihnen sowohl den Westen als auch den Osten
streitig machen konnten. Bis dahin bedeckten phönicische Schiffe das Mittelmeer,
ihre Faktoreien die Küsten und Inseln; denn wo sich ihnen Platz bot, günstig zum
Landen oder für die Fischerei und den Fang der Purpurschnecke, da siedelten
sich die Phönicier dauernd an. Kurz, es gab eine Zeit, in der man mit einem
gewissen Rechte das Mittelmeer einen phönicischen Binnensee nennen konnte,
und selbst im Inneren des Landes hatten die Phönicier feste Niederlassungen.
Es ist von denen, welche die griechische Kultur rein aus sich selbst ableiten
möchten, lange bestritten worden, daß das "siebenthorige" Theben eine phöni¬
cische Kolonie sei; seit aber Brandes den Nachweis geführt hat, daß selbst diese
Binnenstadt von den Phöniciern gegründet wurde, muß man einräumen, daß
diese ganze Hypothese gerade an ihrer schwächsten Stelle bedeutend an Festig¬
keit gewonnen hat. Die Periode phönicischer Herrschaft lag allerdings in einer
Zeit vor der Entwickelung hellenischen Geistes, reicht aber dennoch wenigstens
theilweise in diese hinein. Alles, was Homer als besonders prächtig und kunst¬
reich schildern will, ist bei ihm das Werk sidonischer Männer, deren Metall¬
arbeiten und Webereien er nicht müde wird zu preisen.

Daß wir also bei den engen Beziehungen zwischen Phönicien und Cypern
und bei der geographischen Lage der Insel hier zahlreiche Spuren der Phöni-


Seevögel und Fische malte, muß an der See gewohnt und, da
wir seine Spuren auf Cypern, Italien und vielen Inseln des Archi¬
pels :c. wiederfinden, einen ausgebreiteten Seehandel getrieben haben,
der nach den Verhältnissen der ältesten Zeit wiederum nicht möglich
ist ohne eine wirkliche Seeherrschaft. Alle diese Umstände treffen
zusammen bei den Phöniciern, die für die Hellenen gefährliche
Concurrenten auf Cypern waren, deren Spuren man daher von
vornherein auf dieser Insel zu finden erwarten mußte. Schon früher hatten
Brunn und Helbig die Ansicht verfochten, daß die geometrischen Ornamente
phönicisch seien; durch die Ausgrabungen auf Cypern hat diese Hypothese eine
wichtige Bestätigung gefunden. Cesnola hat zwei Vasen gefunden (Taf. 5,2
u. 43.2), die geometrische Ornamente und phönicische Inschriften verbinden; die
eine von beiden ist aus Thon und die Inschrift nicht etwa von einem späteren
Besitzer eingeritzt, sondern — was besonders wichtig ist — vom Töpfer vor
dem Brennen eingedrückt worden; dagegen hat sich bis jetzt noch keine griechi¬
sche Inschrift auf diesen Vasen ältesten Stiles entdecken lassen. — Die Griechen
der späteren Zeit erinnerten sich noch deutlich einer Periode, die vor ihrer
eigenen Entwickelung lag, in der die Phönieier nicht das herrschende, sondern
das einzige Seevolk des Mittelmeeres waren, bis die Hellenen und Etrusker
sich soweit entwickelt hatten, daß sie ihnen sowohl den Westen als auch den Osten
streitig machen konnten. Bis dahin bedeckten phönicische Schiffe das Mittelmeer,
ihre Faktoreien die Küsten und Inseln; denn wo sich ihnen Platz bot, günstig zum
Landen oder für die Fischerei und den Fang der Purpurschnecke, da siedelten
sich die Phönicier dauernd an. Kurz, es gab eine Zeit, in der man mit einem
gewissen Rechte das Mittelmeer einen phönicischen Binnensee nennen konnte,
und selbst im Inneren des Landes hatten die Phönicier feste Niederlassungen.
Es ist von denen, welche die griechische Kultur rein aus sich selbst ableiten
möchten, lange bestritten worden, daß das „siebenthorige" Theben eine phöni¬
cische Kolonie sei; seit aber Brandes den Nachweis geführt hat, daß selbst diese
Binnenstadt von den Phöniciern gegründet wurde, muß man einräumen, daß
diese ganze Hypothese gerade an ihrer schwächsten Stelle bedeutend an Festig¬
keit gewonnen hat. Die Periode phönicischer Herrschaft lag allerdings in einer
Zeit vor der Entwickelung hellenischen Geistes, reicht aber dennoch wenigstens
theilweise in diese hinein. Alles, was Homer als besonders prächtig und kunst¬
reich schildern will, ist bei ihm das Werk sidonischer Männer, deren Metall¬
arbeiten und Webereien er nicht müde wird zu preisen.

Daß wir also bei den engen Beziehungen zwischen Phönicien und Cypern
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[0415] [Abbildung] Seevögel und Fische malte, muß an der See gewohnt und, da wir seine Spuren auf Cypern, Italien und vielen Inseln des Archi¬ pels :c. wiederfinden, einen ausgebreiteten Seehandel getrieben haben, der nach den Verhältnissen der ältesten Zeit wiederum nicht möglich ist ohne eine wirkliche Seeherrschaft. Alle diese Umstände treffen zusammen bei den Phöniciern, die für die Hellenen gefährliche Concurrenten auf Cypern waren, deren Spuren man daher von vornherein auf dieser Insel zu finden erwarten mußte. Schon früher hatten Brunn und Helbig die Ansicht verfochten, daß die geometrischen Ornamente phönicisch seien; durch die Ausgrabungen auf Cypern hat diese Hypothese eine wichtige Bestätigung gefunden. Cesnola hat zwei Vasen gefunden (Taf. 5,2 u. 43.2), die geometrische Ornamente und phönicische Inschriften verbinden; die eine von beiden ist aus Thon und die Inschrift nicht etwa von einem späteren Besitzer eingeritzt, sondern — was besonders wichtig ist — vom Töpfer vor dem Brennen eingedrückt worden; dagegen hat sich bis jetzt noch keine griechi¬ sche Inschrift auf diesen Vasen ältesten Stiles entdecken lassen. — Die Griechen der späteren Zeit erinnerten sich noch deutlich einer Periode, die vor ihrer eigenen Entwickelung lag, in der die Phönieier nicht das herrschende, sondern das einzige Seevolk des Mittelmeeres waren, bis die Hellenen und Etrusker sich soweit entwickelt hatten, daß sie ihnen sowohl den Westen als auch den Osten streitig machen konnten. Bis dahin bedeckten phönicische Schiffe das Mittelmeer, ihre Faktoreien die Küsten und Inseln; denn wo sich ihnen Platz bot, günstig zum Landen oder für die Fischerei und den Fang der Purpurschnecke, da siedelten sich die Phönicier dauernd an. Kurz, es gab eine Zeit, in der man mit einem gewissen Rechte das Mittelmeer einen phönicischen Binnensee nennen konnte, und selbst im Inneren des Landes hatten die Phönicier feste Niederlassungen. Es ist von denen, welche die griechische Kultur rein aus sich selbst ableiten möchten, lange bestritten worden, daß das „siebenthorige" Theben eine phöni¬ cische Kolonie sei; seit aber Brandes den Nachweis geführt hat, daß selbst diese Binnenstadt von den Phöniciern gegründet wurde, muß man einräumen, daß diese ganze Hypothese gerade an ihrer schwächsten Stelle bedeutend an Festig¬ keit gewonnen hat. Die Periode phönicischer Herrschaft lag allerdings in einer Zeit vor der Entwickelung hellenischen Geistes, reicht aber dennoch wenigstens theilweise in diese hinein. Alles, was Homer als besonders prächtig und kunst¬ reich schildern will, ist bei ihm das Werk sidonischer Männer, deren Metall¬ arbeiten und Webereien er nicht müde wird zu preisen. Daß wir also bei den engen Beziehungen zwischen Phönicien und Cypern und bei der geographischen Lage der Insel hier zahlreiche Spuren der Phöni-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/415>, abgerufen am 26.08.2024.