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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Nilflvtten hin für die kurze Ueberfahrt und die Eroberung der Insel. Als
sich dann in Asien Monarchien bildeten, von denen eine der anderen folgte,
zahlte Cypern seinen Tribut an den Hof des Großkönigs, obwohl die Meder
wie die Perser immer wesentlich eine Landmacht geblieben sind. Die Herrschaft
des Meeres gehört selbst in jenen Zeiten den Phöniciern, wo sie oft durch die
unglückliche Lage ihres Heimatlandes, das bald den Aegyptern, bald den Asiaten
gehorchte, gezwungen waren, diese Herrschaft unter fremder Flagge auszuüben.
Die Nachfolger der Phönicier in der Thalassokratie waren die Hellenen, die
allerdings schon viel früher auf Cypern ansässig waren.

Es war vorauszusetzen, daß alle diese Kulturvölker Spuren ihrer Herr¬
schaft auf der Insel zurückgelassen haben. Was aber die frühere Zeit nur
vermuthen durfte, das kann die unsere jetzt mit Händen greifen, seitdem syste¬
matische Nachgrabungen uns mit einer Fülle neuen Materials versehen und
uns gezeigt haben, daß Cypern in der That ein Mikrokosmus der alten Welt
genannt werden kann. In früheren Zeiten, als die reale Seite des Alter¬
thums nur wenig Interesse fand, hat man Ausgrabungen in größerem Ma߬
stabe überhaupt nicht versucht. Seit aber schon in der letzten Hälfte des vori¬
gen Jahrhunderts die Ausgrabung von Pompeji gezeigt hat, wie viel von
dieser Seite noch zu erwarten steht, hat man einsehen gelernt, daß unsere Kenntniß
des Alterthums dadurch nicht nur auf eine viel breitere, sondern auch auf
eine viel solidere Basis gestellt wird, und in unserem Jahrhundert der Aus¬
grabungen sind bereits die meisten berühmten Orte der verschiedensten Völker
und Zeiten durchforscht, meist mit gutem, oft mit einem über alle Erwartung
reichen Erfolge. Wir sehen dabei gänzlich ab von den kolossalen Funden in
Niniveh, in Aegypten, kurz auf barbarischem Boden, und beschränken uns blos
auf die Wohnstätten der beiden klassischen Völker. Die Ausgrabungen von
Troja, Halicarnaß und Ephesus haben ein ganz neues Licht verbreitet über
das reiche Leben an den kleinasiatischen Küsten; Mykenae und Olympia haben
für die heroische und die eigentlich klassische Zeit Griechenlands eine fundamen¬
tale Bedeutung erhalten; die Funde in Delphi und in Dodona lassen uns einen
Blick thun in das bunte, vielgestaltige Leben der griechischen Orakel; in Etrurien,
Latium und Unteritalien haben tausende von Gräbern der verschiedensten Epochen
ihre Kunstgegenstände zurückgeben müssen, durch welche ganze Disciplinen der
Alterthumswissenschaft, wie die Vasenkunde, erst möglich wurden. Ja selbst
am cimmerischen Bosporus haben die russischen Nachgrabungen höchst interes¬
sante Neste zu Tage gefördert, die für uns in Bezug auf das Leben der Hel¬
lenen unter den Barbaren, bez. für die Wechselwirkung beider, von der größten
Bedeutung geworden sind. Ueber die schönen Erfolge endlich der neuesten


Nilflvtten hin für die kurze Ueberfahrt und die Eroberung der Insel. Als
sich dann in Asien Monarchien bildeten, von denen eine der anderen folgte,
zahlte Cypern seinen Tribut an den Hof des Großkönigs, obwohl die Meder
wie die Perser immer wesentlich eine Landmacht geblieben sind. Die Herrschaft
des Meeres gehört selbst in jenen Zeiten den Phöniciern, wo sie oft durch die
unglückliche Lage ihres Heimatlandes, das bald den Aegyptern, bald den Asiaten
gehorchte, gezwungen waren, diese Herrschaft unter fremder Flagge auszuüben.
Die Nachfolger der Phönicier in der Thalassokratie waren die Hellenen, die
allerdings schon viel früher auf Cypern ansässig waren.

Es war vorauszusetzen, daß alle diese Kulturvölker Spuren ihrer Herr¬
schaft auf der Insel zurückgelassen haben. Was aber die frühere Zeit nur
vermuthen durfte, das kann die unsere jetzt mit Händen greifen, seitdem syste¬
matische Nachgrabungen uns mit einer Fülle neuen Materials versehen und
uns gezeigt haben, daß Cypern in der That ein Mikrokosmus der alten Welt
genannt werden kann. In früheren Zeiten, als die reale Seite des Alter¬
thums nur wenig Interesse fand, hat man Ausgrabungen in größerem Ma߬
stabe überhaupt nicht versucht. Seit aber schon in der letzten Hälfte des vori¬
gen Jahrhunderts die Ausgrabung von Pompeji gezeigt hat, wie viel von
dieser Seite noch zu erwarten steht, hat man einsehen gelernt, daß unsere Kenntniß
des Alterthums dadurch nicht nur auf eine viel breitere, sondern auch auf
eine viel solidere Basis gestellt wird, und in unserem Jahrhundert der Aus¬
grabungen sind bereits die meisten berühmten Orte der verschiedensten Völker
und Zeiten durchforscht, meist mit gutem, oft mit einem über alle Erwartung
reichen Erfolge. Wir sehen dabei gänzlich ab von den kolossalen Funden in
Niniveh, in Aegypten, kurz auf barbarischem Boden, und beschränken uns blos
auf die Wohnstätten der beiden klassischen Völker. Die Ausgrabungen von
Troja, Halicarnaß und Ephesus haben ein ganz neues Licht verbreitet über
das reiche Leben an den kleinasiatischen Küsten; Mykenae und Olympia haben
für die heroische und die eigentlich klassische Zeit Griechenlands eine fundamen¬
tale Bedeutung erhalten; die Funde in Delphi und in Dodona lassen uns einen
Blick thun in das bunte, vielgestaltige Leben der griechischen Orakel; in Etrurien,
Latium und Unteritalien haben tausende von Gräbern der verschiedensten Epochen
ihre Kunstgegenstände zurückgeben müssen, durch welche ganze Disciplinen der
Alterthumswissenschaft, wie die Vasenkunde, erst möglich wurden. Ja selbst
am cimmerischen Bosporus haben die russischen Nachgrabungen höchst interes¬
sante Neste zu Tage gefördert, die für uns in Bezug auf das Leben der Hel¬
lenen unter den Barbaren, bez. für die Wechselwirkung beider, von der größten
Bedeutung geworden sind. Ueber die schönen Erfolge endlich der neuesten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/407>, abgerufen am 03.07.2024.