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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Wenn das Reisen zu Pferde an sich schon die angenehmste Art der Fort¬
bewegung ist, so war es diesmal doppelt reizvoll. Ein wolkenloser, tiefblauer
Himmel über uns, links von uns das fast schwarzblaue Meer, aus dem die
Sonne kaum heraufgestiegen war, in weiter Ferne vor uns mäßig hohe Berg¬
rücken, zwischen denen die nach Madrid führende Eisenbahn zu verschwinden
schien. So ritten wir durch eine weite, wellige Ebene auf röthlich staubiger,
gerade gestreckter, aber jeder Bodensenkung folgender Straße, welcher, wie fast
allen spanischen Straßen, Schotter und Seitengräben gänzlich fehlten; hie und
da zeigte sie tiefe Löcher mit unsaubern Tümpeln. Auch zur Rechten und zur
Linken war die Erde röthlich und meist mit mageren Triften und niedrigen,
nur etwa zwei Fuß hohen Zwergpalmen bekleidet. Wo aber Ackerfeld lag, da
sproßte das brennendste Grün in mehr als schuhlangen Halmen, zwischen denen
der rothe Mohn uns anlachte. Die einsamen, niedrigen Gehöfte waren mit
Hecken von riesigen Agaven (fälschlich Aloö genannt) oder stachligen KiZ^s Ast
Noro (Cactusfeige) eingefaßt, allenthalben aber standen Oel- und Mandelbäume,
die letzteren über und über mit weißen und rosigen Blüthen bedeckt, gleich
riesigen Blumensträußen da. Die Luft war weich und wohlig, und die Pferde
griffen gut aus, denn in Südspanien, wo jeder Bauer reitet, sind auch Mieth¬
pferde gut und wohlgehalten.

Nach etwa einer halben Stunde raschen Trabens wandte sich die Straße
sanft ansteigend nach links und gewährte uns einen prachtvollen Rückblick auf
die weite Bucht von Alieante. Röthlichgelb stieg der steile, festunggekrönte
Fels von Se. Barbara aus der Meeresfluth empor, die weißschimmernden
Dächer und Kuppeln der Stadt hoch überragend; dahinter hoben sich die hohen,
steilen Gipfel des Mongo bläulichroth hervor, welche die große Halbinsel zwi¬
schen Valencia und Alieante bilden; über Allem aber, auch über dem uferlosen
Meere, spielte ein duftiges, rosiges Sonnenlicht, an Glanz und Wechsel fast
dem Opal zu vergleichen. Es sind das Landschaftsfarben, die kaum anderswo
als in Südspanien zu treffen sind, und die auch auf Gemälden aus jenem
Himmelsstriche uns oft so seltsam anmuthen.

Das fast öde und häuserlose Plateau stieg nun allmählich an; dann
näherten wir uns einer niedrigen, schroffen Felsenkette -- nackten, pflanzenlosen
Rippen, zwischen denen die Straße als breiter Hohlweg sich durchwand. Als
wir aus der Enge uns abwärts senkten, lag eine unendliche Ebene vor uns,
durch welche unsere Straße sich schnurgerade hinzog, links, weit draußen, vom
blauen Meeresbande umsäumt. Wo die gerade Linie der Straße in weiter
Ferne vor uns zu verschwinden schien, lag ein dunkelgefärbter, breiter, etwas
über den Horizont aufsteigender Streifen -- der Palmenwald von Elche!

So muß die Oase der Wüste, nach der sich nach langem, staubigem Ritte


Grenzboten IV. 1879. 38

Wenn das Reisen zu Pferde an sich schon die angenehmste Art der Fort¬
bewegung ist, so war es diesmal doppelt reizvoll. Ein wolkenloser, tiefblauer
Himmel über uns, links von uns das fast schwarzblaue Meer, aus dem die
Sonne kaum heraufgestiegen war, in weiter Ferne vor uns mäßig hohe Berg¬
rücken, zwischen denen die nach Madrid führende Eisenbahn zu verschwinden
schien. So ritten wir durch eine weite, wellige Ebene auf röthlich staubiger,
gerade gestreckter, aber jeder Bodensenkung folgender Straße, welcher, wie fast
allen spanischen Straßen, Schotter und Seitengräben gänzlich fehlten; hie und
da zeigte sie tiefe Löcher mit unsaubern Tümpeln. Auch zur Rechten und zur
Linken war die Erde röthlich und meist mit mageren Triften und niedrigen,
nur etwa zwei Fuß hohen Zwergpalmen bekleidet. Wo aber Ackerfeld lag, da
sproßte das brennendste Grün in mehr als schuhlangen Halmen, zwischen denen
der rothe Mohn uns anlachte. Die einsamen, niedrigen Gehöfte waren mit
Hecken von riesigen Agaven (fälschlich Aloö genannt) oder stachligen KiZ^s Ast
Noro (Cactusfeige) eingefaßt, allenthalben aber standen Oel- und Mandelbäume,
die letzteren über und über mit weißen und rosigen Blüthen bedeckt, gleich
riesigen Blumensträußen da. Die Luft war weich und wohlig, und die Pferde
griffen gut aus, denn in Südspanien, wo jeder Bauer reitet, sind auch Mieth¬
pferde gut und wohlgehalten.

Nach etwa einer halben Stunde raschen Trabens wandte sich die Straße
sanft ansteigend nach links und gewährte uns einen prachtvollen Rückblick auf
die weite Bucht von Alieante. Röthlichgelb stieg der steile, festunggekrönte
Fels von Se. Barbara aus der Meeresfluth empor, die weißschimmernden
Dächer und Kuppeln der Stadt hoch überragend; dahinter hoben sich die hohen,
steilen Gipfel des Mongo bläulichroth hervor, welche die große Halbinsel zwi¬
schen Valencia und Alieante bilden; über Allem aber, auch über dem uferlosen
Meere, spielte ein duftiges, rosiges Sonnenlicht, an Glanz und Wechsel fast
dem Opal zu vergleichen. Es sind das Landschaftsfarben, die kaum anderswo
als in Südspanien zu treffen sind, und die auch auf Gemälden aus jenem
Himmelsstriche uns oft so seltsam anmuthen.

Das fast öde und häuserlose Plateau stieg nun allmählich an; dann
näherten wir uns einer niedrigen, schroffen Felsenkette — nackten, pflanzenlosen
Rippen, zwischen denen die Straße als breiter Hohlweg sich durchwand. Als
wir aus der Enge uns abwärts senkten, lag eine unendliche Ebene vor uns,
durch welche unsere Straße sich schnurgerade hinzog, links, weit draußen, vom
blauen Meeresbande umsäumt. Wo die gerade Linie der Straße in weiter
Ferne vor uns zu verschwinden schien, lag ein dunkelgefärbter, breiter, etwas
über den Horizont aufsteigender Streifen — der Palmenwald von Elche!

So muß die Oase der Wüste, nach der sich nach langem, staubigem Ritte


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[0293] Wenn das Reisen zu Pferde an sich schon die angenehmste Art der Fort¬ bewegung ist, so war es diesmal doppelt reizvoll. Ein wolkenloser, tiefblauer Himmel über uns, links von uns das fast schwarzblaue Meer, aus dem die Sonne kaum heraufgestiegen war, in weiter Ferne vor uns mäßig hohe Berg¬ rücken, zwischen denen die nach Madrid führende Eisenbahn zu verschwinden schien. So ritten wir durch eine weite, wellige Ebene auf röthlich staubiger, gerade gestreckter, aber jeder Bodensenkung folgender Straße, welcher, wie fast allen spanischen Straßen, Schotter und Seitengräben gänzlich fehlten; hie und da zeigte sie tiefe Löcher mit unsaubern Tümpeln. Auch zur Rechten und zur Linken war die Erde röthlich und meist mit mageren Triften und niedrigen, nur etwa zwei Fuß hohen Zwergpalmen bekleidet. Wo aber Ackerfeld lag, da sproßte das brennendste Grün in mehr als schuhlangen Halmen, zwischen denen der rothe Mohn uns anlachte. Die einsamen, niedrigen Gehöfte waren mit Hecken von riesigen Agaven (fälschlich Aloö genannt) oder stachligen KiZ^s Ast Noro (Cactusfeige) eingefaßt, allenthalben aber standen Oel- und Mandelbäume, die letzteren über und über mit weißen und rosigen Blüthen bedeckt, gleich riesigen Blumensträußen da. Die Luft war weich und wohlig, und die Pferde griffen gut aus, denn in Südspanien, wo jeder Bauer reitet, sind auch Mieth¬ pferde gut und wohlgehalten. Nach etwa einer halben Stunde raschen Trabens wandte sich die Straße sanft ansteigend nach links und gewährte uns einen prachtvollen Rückblick auf die weite Bucht von Alieante. Röthlichgelb stieg der steile, festunggekrönte Fels von Se. Barbara aus der Meeresfluth empor, die weißschimmernden Dächer und Kuppeln der Stadt hoch überragend; dahinter hoben sich die hohen, steilen Gipfel des Mongo bläulichroth hervor, welche die große Halbinsel zwi¬ schen Valencia und Alieante bilden; über Allem aber, auch über dem uferlosen Meere, spielte ein duftiges, rosiges Sonnenlicht, an Glanz und Wechsel fast dem Opal zu vergleichen. Es sind das Landschaftsfarben, die kaum anderswo als in Südspanien zu treffen sind, und die auch auf Gemälden aus jenem Himmelsstriche uns oft so seltsam anmuthen. Das fast öde und häuserlose Plateau stieg nun allmählich an; dann näherten wir uns einer niedrigen, schroffen Felsenkette — nackten, pflanzenlosen Rippen, zwischen denen die Straße als breiter Hohlweg sich durchwand. Als wir aus der Enge uns abwärts senkten, lag eine unendliche Ebene vor uns, durch welche unsere Straße sich schnurgerade hinzog, links, weit draußen, vom blauen Meeresbande umsäumt. Wo die gerade Linie der Straße in weiter Ferne vor uns zu verschwinden schien, lag ein dunkelgefärbter, breiter, etwas über den Horizont aufsteigender Streifen — der Palmenwald von Elche! So muß die Oase der Wüste, nach der sich nach langem, staubigem Ritte Grenzboten IV. 1879. 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/293>, abgerufen am 23.07.2024.