Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

reden Kleebüschel zu achten; trüge peitschten sie mit den Schweifen die zudring¬
lichen Mücken und Bremsen hinweg. Hinter den Pflöcken blinkten die hell¬
grünen Pulverwagen und etwas weiter entfernt die blanken Mündungen der
kupfernen Kanonen, vor denen wieder die unvermeidlichen Schildwachen standen.

Ein weit bunteres Treiben herrschte in dem etwas detachirten Kosakenlager.
Die bunten Fähnchen hingen unbeweglich in der schwülen Luft, hie und da
wirbelten bläuliche Dampfsäulen empor, und die Gestelle der Raketenbatterieen
hatten aus der Ferne ganz das Ansehen von dreibeinigen Spinnen. Ein höchst
wildes und ungeordnetes Bild dagegen boten die einheimischen Milizen, und
den größten Raum im ganzen Lager nahm die Bagage ein, die von Kavallerie-
und Jnfanteriepikets umstellt war und fast bis an den in den Wolken ver-
schwimmenden Horizont reichte. Sie bestand aus dreitausend Kameelen, die jetzt
abgesattelt waren und in langen Reihen auf dem glühenden Sande liegend die
langen Hälse ausreckten und ihren schaumigen, grünen Speisebrei wiederkäuten.
Ihnen gegenüber lagen in ebenso regelmäßigen Reihen Ballen mit Fourage,
Proviant, filzenen Kibitken und anderem militärischen Bedarf.

Schwerfällig schleppten sich die unbehilflichen Kameeltreiber zwischen ihren
Thieren hin und her. Sie warfen ihnen Häcksel vor, untersuchten gemächlich
die Packsättel und blickten dabei scheel und unfreundlich auf die wachthabenden
Kosaken, die das ganze Troßbivouak mit ihrer bunten Kette umfaßten. Schon
mehrmals war es vorgekommen, daß die Treiber sich heimlich weggeschlichen,
die Kameele mit fortgetrieben und die Abtheilung in der allerpeinlichsten Lage
zurückgelassen hatten. Die daraus entstehenden Hemmnisse unserer Bewegung
inmitten der todten, unfruchtbaren Steppe machten sich allzu fühlbar, als daß
wir nicht hätten lernen sollen, uns dieser schiefäugigen Steppensöhne zu ver¬
sichern , die unsern Feinden in allen Stücken verwandt waren und daher un¬
willkürlich mit ihnen sympathisirten. Jetzt wurden die Treiber wie die Kameele
selbst keinen Augenblick mehr ohne die schärfste Aufsicht gelassen.

Das bewegteste Leben entfaltete sich jedoch bei den Brunnen, wo die Küche
aufgeschlagen war. Dichter, schwarzer Rauch stieg aus der Vertiefung auf;
Brand- und Fettgeruch lag in der Luft. Traurig brüllten die zum Schlachten
bestimmten Stiere, und aus dem Gewir.r der zahllosen Stimmen klangen russi¬
sche und einheimische Laute und Lieder.

"Hierher, Ew. Wohlgeboren, hierher," mahnte mich mein Führer, der ura¬
lische Kosak. "Hierher, wenn's gefällig ist, dort ist der Troß, wir haben einen
weiten Umweg zu machen." -- Ich folgte ihm und schritt, in mein Schicksal
ergeben, zwischen den eine halbe Elle über dem Boden aufgespannten Seilen
der hellgrünen, rothen, weißen, bunten, gestreiften, leget-, Würfel- und zylinder-
förmigen Zelte hin. Etwas abgesondert stand eine große Kibitla aus weißem


Grenzboten IV. I"79. 3

reden Kleebüschel zu achten; trüge peitschten sie mit den Schweifen die zudring¬
lichen Mücken und Bremsen hinweg. Hinter den Pflöcken blinkten die hell¬
grünen Pulverwagen und etwas weiter entfernt die blanken Mündungen der
kupfernen Kanonen, vor denen wieder die unvermeidlichen Schildwachen standen.

Ein weit bunteres Treiben herrschte in dem etwas detachirten Kosakenlager.
Die bunten Fähnchen hingen unbeweglich in der schwülen Luft, hie und da
wirbelten bläuliche Dampfsäulen empor, und die Gestelle der Raketenbatterieen
hatten aus der Ferne ganz das Ansehen von dreibeinigen Spinnen. Ein höchst
wildes und ungeordnetes Bild dagegen boten die einheimischen Milizen, und
den größten Raum im ganzen Lager nahm die Bagage ein, die von Kavallerie-
und Jnfanteriepikets umstellt war und fast bis an den in den Wolken ver-
schwimmenden Horizont reichte. Sie bestand aus dreitausend Kameelen, die jetzt
abgesattelt waren und in langen Reihen auf dem glühenden Sande liegend die
langen Hälse ausreckten und ihren schaumigen, grünen Speisebrei wiederkäuten.
Ihnen gegenüber lagen in ebenso regelmäßigen Reihen Ballen mit Fourage,
Proviant, filzenen Kibitken und anderem militärischen Bedarf.

Schwerfällig schleppten sich die unbehilflichen Kameeltreiber zwischen ihren
Thieren hin und her. Sie warfen ihnen Häcksel vor, untersuchten gemächlich
die Packsättel und blickten dabei scheel und unfreundlich auf die wachthabenden
Kosaken, die das ganze Troßbivouak mit ihrer bunten Kette umfaßten. Schon
mehrmals war es vorgekommen, daß die Treiber sich heimlich weggeschlichen,
die Kameele mit fortgetrieben und die Abtheilung in der allerpeinlichsten Lage
zurückgelassen hatten. Die daraus entstehenden Hemmnisse unserer Bewegung
inmitten der todten, unfruchtbaren Steppe machten sich allzu fühlbar, als daß
wir nicht hätten lernen sollen, uns dieser schiefäugigen Steppensöhne zu ver¬
sichern , die unsern Feinden in allen Stücken verwandt waren und daher un¬
willkürlich mit ihnen sympathisirten. Jetzt wurden die Treiber wie die Kameele
selbst keinen Augenblick mehr ohne die schärfste Aufsicht gelassen.

Das bewegteste Leben entfaltete sich jedoch bei den Brunnen, wo die Küche
aufgeschlagen war. Dichter, schwarzer Rauch stieg aus der Vertiefung auf;
Brand- und Fettgeruch lag in der Luft. Traurig brüllten die zum Schlachten
bestimmten Stiere, und aus dem Gewir.r der zahllosen Stimmen klangen russi¬
sche und einheimische Laute und Lieder.

„Hierher, Ew. Wohlgeboren, hierher," mahnte mich mein Führer, der ura¬
lische Kosak. „Hierher, wenn's gefällig ist, dort ist der Troß, wir haben einen
weiten Umweg zu machen." — Ich folgte ihm und schritt, in mein Schicksal
ergeben, zwischen den eine halbe Elle über dem Boden aufgespannten Seilen
der hellgrünen, rothen, weißen, bunten, gestreiften, leget-, Würfel- und zylinder-
förmigen Zelte hin. Etwas abgesondert stand eine große Kibitla aus weißem


Grenzboten IV. I«79. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143076"/>
          <p xml:id="ID_73" prev="#ID_72"> reden Kleebüschel zu achten; trüge peitschten sie mit den Schweifen die zudring¬<lb/>
lichen Mücken und Bremsen hinweg. Hinter den Pflöcken blinkten die hell¬<lb/>
grünen Pulverwagen und etwas weiter entfernt die blanken Mündungen der<lb/>
kupfernen Kanonen, vor denen wieder die unvermeidlichen Schildwachen standen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_74"> Ein weit bunteres Treiben herrschte in dem etwas detachirten Kosakenlager.<lb/>
Die bunten Fähnchen hingen unbeweglich in der schwülen Luft, hie und da<lb/>
wirbelten bläuliche Dampfsäulen empor, und die Gestelle der Raketenbatterieen<lb/>
hatten aus der Ferne ganz das Ansehen von dreibeinigen Spinnen. Ein höchst<lb/>
wildes und ungeordnetes Bild dagegen boten die einheimischen Milizen, und<lb/>
den größten Raum im ganzen Lager nahm die Bagage ein, die von Kavallerie-<lb/>
und Jnfanteriepikets umstellt war und fast bis an den in den Wolken ver-<lb/>
schwimmenden Horizont reichte. Sie bestand aus dreitausend Kameelen, die jetzt<lb/>
abgesattelt waren und in langen Reihen auf dem glühenden Sande liegend die<lb/>
langen Hälse ausreckten und ihren schaumigen, grünen Speisebrei wiederkäuten.<lb/>
Ihnen gegenüber lagen in ebenso regelmäßigen Reihen Ballen mit Fourage,<lb/>
Proviant, filzenen Kibitken und anderem militärischen Bedarf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_75"> Schwerfällig schleppten sich die unbehilflichen Kameeltreiber zwischen ihren<lb/>
Thieren hin und her. Sie warfen ihnen Häcksel vor, untersuchten gemächlich<lb/>
die Packsättel und blickten dabei scheel und unfreundlich auf die wachthabenden<lb/>
Kosaken, die das ganze Troßbivouak mit ihrer bunten Kette umfaßten. Schon<lb/>
mehrmals war es vorgekommen, daß die Treiber sich heimlich weggeschlichen,<lb/>
die Kameele mit fortgetrieben und die Abtheilung in der allerpeinlichsten Lage<lb/>
zurückgelassen hatten. Die daraus entstehenden Hemmnisse unserer Bewegung<lb/>
inmitten der todten, unfruchtbaren Steppe machten sich allzu fühlbar, als daß<lb/>
wir nicht hätten lernen sollen, uns dieser schiefäugigen Steppensöhne zu ver¬<lb/>
sichern , die unsern Feinden in allen Stücken verwandt waren und daher un¬<lb/>
willkürlich mit ihnen sympathisirten. Jetzt wurden die Treiber wie die Kameele<lb/>
selbst keinen Augenblick mehr ohne die schärfste Aufsicht gelassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_76"> Das bewegteste Leben entfaltete sich jedoch bei den Brunnen, wo die Küche<lb/>
aufgeschlagen war. Dichter, schwarzer Rauch stieg aus der Vertiefung auf;<lb/>
Brand- und Fettgeruch lag in der Luft. Traurig brüllten die zum Schlachten<lb/>
bestimmten Stiere, und aus dem Gewir.r der zahllosen Stimmen klangen russi¬<lb/>
sche und einheimische Laute und Lieder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_77" next="#ID_78"> &#x201E;Hierher, Ew. Wohlgeboren, hierher," mahnte mich mein Führer, der ura¬<lb/>
lische Kosak. &#x201E;Hierher, wenn's gefällig ist, dort ist der Troß, wir haben einen<lb/>
weiten Umweg zu machen." &#x2014; Ich folgte ihm und schritt, in mein Schicksal<lb/>
ergeben, zwischen den eine halbe Elle über dem Boden aufgespannten Seilen<lb/>
der hellgrünen, rothen, weißen, bunten, gestreiften, leget-, Würfel- und zylinder-<lb/>
förmigen Zelte hin. Etwas abgesondert stand eine große Kibitla aus weißem</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. I«79. 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] reden Kleebüschel zu achten; trüge peitschten sie mit den Schweifen die zudring¬ lichen Mücken und Bremsen hinweg. Hinter den Pflöcken blinkten die hell¬ grünen Pulverwagen und etwas weiter entfernt die blanken Mündungen der kupfernen Kanonen, vor denen wieder die unvermeidlichen Schildwachen standen. Ein weit bunteres Treiben herrschte in dem etwas detachirten Kosakenlager. Die bunten Fähnchen hingen unbeweglich in der schwülen Luft, hie und da wirbelten bläuliche Dampfsäulen empor, und die Gestelle der Raketenbatterieen hatten aus der Ferne ganz das Ansehen von dreibeinigen Spinnen. Ein höchst wildes und ungeordnetes Bild dagegen boten die einheimischen Milizen, und den größten Raum im ganzen Lager nahm die Bagage ein, die von Kavallerie- und Jnfanteriepikets umstellt war und fast bis an den in den Wolken ver- schwimmenden Horizont reichte. Sie bestand aus dreitausend Kameelen, die jetzt abgesattelt waren und in langen Reihen auf dem glühenden Sande liegend die langen Hälse ausreckten und ihren schaumigen, grünen Speisebrei wiederkäuten. Ihnen gegenüber lagen in ebenso regelmäßigen Reihen Ballen mit Fourage, Proviant, filzenen Kibitken und anderem militärischen Bedarf. Schwerfällig schleppten sich die unbehilflichen Kameeltreiber zwischen ihren Thieren hin und her. Sie warfen ihnen Häcksel vor, untersuchten gemächlich die Packsättel und blickten dabei scheel und unfreundlich auf die wachthabenden Kosaken, die das ganze Troßbivouak mit ihrer bunten Kette umfaßten. Schon mehrmals war es vorgekommen, daß die Treiber sich heimlich weggeschlichen, die Kameele mit fortgetrieben und die Abtheilung in der allerpeinlichsten Lage zurückgelassen hatten. Die daraus entstehenden Hemmnisse unserer Bewegung inmitten der todten, unfruchtbaren Steppe machten sich allzu fühlbar, als daß wir nicht hätten lernen sollen, uns dieser schiefäugigen Steppensöhne zu ver¬ sichern , die unsern Feinden in allen Stücken verwandt waren und daher un¬ willkürlich mit ihnen sympathisirten. Jetzt wurden die Treiber wie die Kameele selbst keinen Augenblick mehr ohne die schärfste Aufsicht gelassen. Das bewegteste Leben entfaltete sich jedoch bei den Brunnen, wo die Küche aufgeschlagen war. Dichter, schwarzer Rauch stieg aus der Vertiefung auf; Brand- und Fettgeruch lag in der Luft. Traurig brüllten die zum Schlachten bestimmten Stiere, und aus dem Gewir.r der zahllosen Stimmen klangen russi¬ sche und einheimische Laute und Lieder. „Hierher, Ew. Wohlgeboren, hierher," mahnte mich mein Führer, der ura¬ lische Kosak. „Hierher, wenn's gefällig ist, dort ist der Troß, wir haben einen weiten Umweg zu machen." — Ich folgte ihm und schritt, in mein Schicksal ergeben, zwischen den eine halbe Elle über dem Boden aufgespannten Seilen der hellgrünen, rothen, weißen, bunten, gestreiften, leget-, Würfel- und zylinder- förmigen Zelte hin. Etwas abgesondert stand eine große Kibitla aus weißem Grenzboten IV. I«79. 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/21>, abgerufen am 23.07.2024.