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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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kluger Mann, der Vieles über die Vergangenheit seines Landes gehört und
selbst reiche Gelegenheit gehabt hatte, Beobachtungen anzustellen. Es war er¬
klärlich, daß er die Vergangenheit auf Kosten der Gegenwart über Gebühr
lobte, doch läßt sich der allmähliche Rückschritt von Tripolis und Fezzau nicht
leugnen. Die Reste der arabischen Kastelle, welche im südlichen Fezzän dem
Reisenden aufstoßen, wie die Schlösser Kasr MesMa, Dekttr, Serendibs, Kimba
u. s. w., legen das lebendigste Zeugniß ab sür den größeren Wohlstand, die
zahlreichere Bevölkerung und die höhere Thatkraft, die in früheren Zeiten hier
zu finden waren.

Eine fünftägige Unterbrechung des Marsches in Katrmi, die dadurch her¬
vorgerufen wurde, daß man den Anschluß noch einiger anderer Reisegefährten
erwartete, kam gerade zu rechter Zeit, um das in Folge allzureichlicher Ge¬
treidenahrung krank gewordene Pferd Nachtigals mit Hilfe der reichen Erfah¬
rung Bü Wschas wieder herzustellen. Zu seinem Bedauern erfuhr Nachtigal
hier, daß sein Freund und Berather Hädsch DsckMer plötzlich gestorben sei,
und zwar, wie es hieß, in Folge der Aufregung, in welche ihn die rohen
Uebergriffe, die Drohungen und Thätlichkeiten der Nomaden Barkas, deren Zeuge
Nachtigal bei seiner Rückkehr aus Tibesti zum Theil gewesen war, versetzt
hatten. Doch empfing ihn statt seiner in freundlicher Weise sein Enkel und
Nachfolger in der Würde, namens SAih, der trotz seiner Jugend sich der
Pflichten der Repräsentation und Gastfreundschaft mit Sicherheit entledigte.

Mit den aus Mursuk ankommenden Reisegefährten traf auch eine Eskorte
von 50 Reitern ein, welche die Mursuker Behörden nachsenden zu müssen ge¬
glaubt hatten, weil mit großer Sicherheit die Nachricht auftrat, daß die Tubu
im Begriffe ständen, 170 Reitkameele gegen Fezzän auszurüsten. Leider zeigte
sich schon in Katriln unter den Marokkanern eine gewisse Uneinigkeit und Un¬
zufriedenheit mit dem Anführer, die im Verlaufe der Reise wegen dessen Strenge
und Härte immer größere Dimensionen annahm, aber trotzdem die Leute nicht
hinderte, ihre Gefährten durch malerische Leistungen zu unterhalten. Ueberhaupt
vollzog sich die Reise bis zur nächsten Hauptstation, dem Oasenkomplex KawSr,
ohne bedeutenderen Zwischenfall, zunächst ans dem bereits bekannten Wege bis
zum Tümmogebirge. Dieses bildet den höchst gelegenen Theil der Wüste auf
dieser Straße und erhebt sich im Durchschnitt bis zu 625 Mr., einzelne Kegel
bis etwa 800 Mir. Nach Süden zu dacht es sich mit einer Unterbrechung in
einigen aneinander geschobenen Ebenen ab, bis der tiefste Punkt mit 330 Mer.
in Bilma, dem südlichsten Theile KawÄs, erreicht wird. Mit der Abdachung
der Wüste ändert sich auch ihr Charakter. Während zwischen Fezz^n und dem
Tümmo jene gleichmäßig ebenen, durchaus sterilen, steinig-kiesigen Hochebenen
herrschen, welche ihren vollsten Ausdruck in der Hammäda Alciöta Kjü finden,


kluger Mann, der Vieles über die Vergangenheit seines Landes gehört und
selbst reiche Gelegenheit gehabt hatte, Beobachtungen anzustellen. Es war er¬
klärlich, daß er die Vergangenheit auf Kosten der Gegenwart über Gebühr
lobte, doch läßt sich der allmähliche Rückschritt von Tripolis und Fezzau nicht
leugnen. Die Reste der arabischen Kastelle, welche im südlichen Fezzän dem
Reisenden aufstoßen, wie die Schlösser Kasr MesMa, Dekttr, Serendibs, Kimba
u. s. w., legen das lebendigste Zeugniß ab sür den größeren Wohlstand, die
zahlreichere Bevölkerung und die höhere Thatkraft, die in früheren Zeiten hier
zu finden waren.

Eine fünftägige Unterbrechung des Marsches in Katrmi, die dadurch her¬
vorgerufen wurde, daß man den Anschluß noch einiger anderer Reisegefährten
erwartete, kam gerade zu rechter Zeit, um das in Folge allzureichlicher Ge¬
treidenahrung krank gewordene Pferd Nachtigals mit Hilfe der reichen Erfah¬
rung Bü Wschas wieder herzustellen. Zu seinem Bedauern erfuhr Nachtigal
hier, daß sein Freund und Berather Hädsch DsckMer plötzlich gestorben sei,
und zwar, wie es hieß, in Folge der Aufregung, in welche ihn die rohen
Uebergriffe, die Drohungen und Thätlichkeiten der Nomaden Barkas, deren Zeuge
Nachtigal bei seiner Rückkehr aus Tibesti zum Theil gewesen war, versetzt
hatten. Doch empfing ihn statt seiner in freundlicher Weise sein Enkel und
Nachfolger in der Würde, namens SAih, der trotz seiner Jugend sich der
Pflichten der Repräsentation und Gastfreundschaft mit Sicherheit entledigte.

Mit den aus Mursuk ankommenden Reisegefährten traf auch eine Eskorte
von 50 Reitern ein, welche die Mursuker Behörden nachsenden zu müssen ge¬
glaubt hatten, weil mit großer Sicherheit die Nachricht auftrat, daß die Tubu
im Begriffe ständen, 170 Reitkameele gegen Fezzän auszurüsten. Leider zeigte
sich schon in Katriln unter den Marokkanern eine gewisse Uneinigkeit und Un¬
zufriedenheit mit dem Anführer, die im Verlaufe der Reise wegen dessen Strenge
und Härte immer größere Dimensionen annahm, aber trotzdem die Leute nicht
hinderte, ihre Gefährten durch malerische Leistungen zu unterhalten. Ueberhaupt
vollzog sich die Reise bis zur nächsten Hauptstation, dem Oasenkomplex KawSr,
ohne bedeutenderen Zwischenfall, zunächst ans dem bereits bekannten Wege bis
zum Tümmogebirge. Dieses bildet den höchst gelegenen Theil der Wüste auf
dieser Straße und erhebt sich im Durchschnitt bis zu 625 Mr., einzelne Kegel
bis etwa 800 Mir. Nach Süden zu dacht es sich mit einer Unterbrechung in
einigen aneinander geschobenen Ebenen ab, bis der tiefste Punkt mit 330 Mer.
in Bilma, dem südlichsten Theile KawÄs, erreicht wird. Mit der Abdachung
der Wüste ändert sich auch ihr Charakter. Während zwischen Fezz^n und dem
Tümmo jene gleichmäßig ebenen, durchaus sterilen, steinig-kiesigen Hochebenen
herrschen, welche ihren vollsten Ausdruck in der Hammäda Alciöta Kjü finden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/205>, abgerufen am 28.09.2024.