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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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"Ich fühlte mich einigermaßen bedrückt," bemerkte er, "wenn ich seine glänzende
Uniform mit meiner bescheidenen arabischen Kleidung verglich, und wenn ich
seine stolzen Pferde betrachtete, während ich bisher stets auf einfache Last-
kameele zum Reiten beschränkt gewesen war." Den Monat März, während
dessen Bü, Wscha von den ohnehin schon armen Fezzanern noch das Mögliche
von Steuern erpreßte, verwandte Nachtigal auf sorgfältige Vorbereitung zur
Reise und auf Anschaffung der nothwendigen Bedürfnisse. Der Glanz seines
Begleiters erklärt es, daß er den kostspieligen Ankauf eines anständigen Reit¬
pferdes nicht vermeiden konnte. Zum Glücke traf sich's, daß nicht nur einige
Kaufleute, sondern auch eine Truppe marokkanischer Gaukler sich einfand, um
die Wüstenreise unter dem Schutze des kaiserlichen Beamten mitzumachen; ihre
Ausrüstung bildete einen derartigen Gegensatz zu seiner Pracht, daß unsres
Landsmanns Aufzug sich doch nicht gar zu ärmlich dagegen ausnahm. Außerdem
versprach ihm der Ruf der Mannhaftigkeit, dessen sich die Marokkaner überall
erfreuen, die zahlreichen Beispiele von Muth, welche er während der tunisischen
Revolution bei den Zuawa aus den algierischen Bergen selbst beobachtet hatte,
sowie die strenge Mannszucht, welche der Anführer der Truppe unter seinen
Leuten hielt, eine ausgezeichnete Begleitmannschaft, was um so wichtiger war,
da seiue eigne Dienerschaft außer den älteren Reisegefährten: But Mohammed,
Sa'ad und Guiseppe, nur noch einen gemietheten Fezzaner und einen geliehenen
Negersklaven seines Gönners Hadsch Brahim aufwies. Immerhin durfte
seine kleine Karawane stattlicher als früher genannt werden: neun Kameele
trugen theils die für den Scheich Omar bestimmten Geschenke, theils die Wasser¬
schläuche und den diesmal ausreichenden Mundvorrath, vor allem thronte der
Reisende selbst auf einem kräftigen Rosse und fühlte sich diesmal weit eher im
Stande, den Anstrengungen eines längeren Wüstenmarsches zu trotzen.

Der 18. April, nahezu der Jahrestag der vorjährigen Ankunft in Mursuk,
führte den Reisenden aus den Thoren, begleitet von einer zahlreichen Schaar
von Freunden und Bekannten, unter denen Hädsch VrZhim und der Md! des
Ortes Nachtigal besonders nahe getreten waren. Bü Wscha, mit seinen 20
Kameelen und zahlreichen Begleitmannschaften, stieß erst einige Tage später zu
ihm. Da die Reise bis zum Tümmogebirge der Hauptsache nach dem Wege
folgte, den Nachtigal schon zwei Mal zurückgelegt hatte, so hätte er sich bei
der Einförmigkeit der Wüstennatur und bei der Unmöglichkeit, genauere Beob¬
achtungen anzustellen, ohne Zweifel gelangweilt, wenn nicht einerseits die in
ihrer Art bewundernswerthen Leistungen der sich ihm anschließenden Akrobaten¬
gesellschaft etwas Leben in die Eintönigkeit des Aufenthalts auf den Stationen
gebracht und Bü Wscha ihm die Zeit durch seine Erzählungen aus der Ge¬
schichte Fezzans vertrieben hätte. Er war ein belesener, schriftgewandter und


„Ich fühlte mich einigermaßen bedrückt," bemerkte er, „wenn ich seine glänzende
Uniform mit meiner bescheidenen arabischen Kleidung verglich, und wenn ich
seine stolzen Pferde betrachtete, während ich bisher stets auf einfache Last-
kameele zum Reiten beschränkt gewesen war." Den Monat März, während
dessen Bü, Wscha von den ohnehin schon armen Fezzanern noch das Mögliche
von Steuern erpreßte, verwandte Nachtigal auf sorgfältige Vorbereitung zur
Reise und auf Anschaffung der nothwendigen Bedürfnisse. Der Glanz seines
Begleiters erklärt es, daß er den kostspieligen Ankauf eines anständigen Reit¬
pferdes nicht vermeiden konnte. Zum Glücke traf sich's, daß nicht nur einige
Kaufleute, sondern auch eine Truppe marokkanischer Gaukler sich einfand, um
die Wüstenreise unter dem Schutze des kaiserlichen Beamten mitzumachen; ihre
Ausrüstung bildete einen derartigen Gegensatz zu seiner Pracht, daß unsres
Landsmanns Aufzug sich doch nicht gar zu ärmlich dagegen ausnahm. Außerdem
versprach ihm der Ruf der Mannhaftigkeit, dessen sich die Marokkaner überall
erfreuen, die zahlreichen Beispiele von Muth, welche er während der tunisischen
Revolution bei den Zuawa aus den algierischen Bergen selbst beobachtet hatte,
sowie die strenge Mannszucht, welche der Anführer der Truppe unter seinen
Leuten hielt, eine ausgezeichnete Begleitmannschaft, was um so wichtiger war,
da seiue eigne Dienerschaft außer den älteren Reisegefährten: But Mohammed,
Sa'ad und Guiseppe, nur noch einen gemietheten Fezzaner und einen geliehenen
Negersklaven seines Gönners Hadsch Brahim aufwies. Immerhin durfte
seine kleine Karawane stattlicher als früher genannt werden: neun Kameele
trugen theils die für den Scheich Omar bestimmten Geschenke, theils die Wasser¬
schläuche und den diesmal ausreichenden Mundvorrath, vor allem thronte der
Reisende selbst auf einem kräftigen Rosse und fühlte sich diesmal weit eher im
Stande, den Anstrengungen eines längeren Wüstenmarsches zu trotzen.

Der 18. April, nahezu der Jahrestag der vorjährigen Ankunft in Mursuk,
führte den Reisenden aus den Thoren, begleitet von einer zahlreichen Schaar
von Freunden und Bekannten, unter denen Hädsch VrZhim und der Md! des
Ortes Nachtigal besonders nahe getreten waren. Bü Wscha, mit seinen 20
Kameelen und zahlreichen Begleitmannschaften, stieß erst einige Tage später zu
ihm. Da die Reise bis zum Tümmogebirge der Hauptsache nach dem Wege
folgte, den Nachtigal schon zwei Mal zurückgelegt hatte, so hätte er sich bei
der Einförmigkeit der Wüstennatur und bei der Unmöglichkeit, genauere Beob¬
achtungen anzustellen, ohne Zweifel gelangweilt, wenn nicht einerseits die in
ihrer Art bewundernswerthen Leistungen der sich ihm anschließenden Akrobaten¬
gesellschaft etwas Leben in die Eintönigkeit des Aufenthalts auf den Stationen
gebracht und Bü Wscha ihm die Zeit durch seine Erzählungen aus der Ge¬
schichte Fezzans vertrieben hätte. Er war ein belesener, schriftgewandter und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/204>, abgerufen am 26.06.2024.