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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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auch der treffliche, auch in weiteren Kreisen wohlbekannte Historiker der Anstalt
als "der Nächste dazu" nicht hat fehlen lassen. Wie man sonst wohl das Abbild
des alten Schulhauses in der "Aula" oder dem "Konferenzzimmer" des neuen
aufhängt, um bei seinem Anblick die alten Erinnerungen aufzufrischen und sich
des Zusammenhangs mit der Vorzeit wieder dankbar bewußt zu werden, so
hat Professor Theodor Flathe ein geistiges Bild von Se. Afra ans den
Bescheerungstisch ihrer neuen Behausung niedergelegt.*) Aber wie eine gründ¬
liche, quellenmäßige Monographie immer von ihrem engeren Kreise aus ein Helles
Licht auf ihre ganze kulturgeschichtliche Umgebung wirft, so haben auch diesem
Buche nicht blos alte Afraner für vielseitige Belehrung und Anregung zudcmken.

Wenn wir im Nachfolgenden auch den Lesern d. Bl. eine Auswahl aus
dem reichen Inhalte des Buches darzubieten versuchen, so wollen wir dabei
von der Natnrbasis unserer Fürstenschule ausgehen, von ihren äußeren Lebens¬
bedingungen, von "Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh,
Geld und Gut", kurz von alledem, was Luther in seinem kleinen Katechismus
zum täglichen Brode rechnet.

Bekanntlich waren es die Güter der aufgehobenen Klöster, mit denen der
nachmalige Kurfürst Moritz die drei Landesschulen ausstattete, die er in den
40er und 50er Jahren des 16. Jahrhunderts gründete. Als Pflegestätten
derselben waren in der Neuen Landesordnung vom 21. Mai 1543 Meißen,
Merseburg und Pforta ausersehen. Die Schulen zu Meißen und Pforta treten
denn auch wirklich noch in demselben Jahre ins Leben; die zu Merseburg kam
nicht zu Stande. An ihrer Stelle wurde zehn Jahre später die zu Grimma
eröffnet. In der Zwischenzeit aber mußte die für Merseburg bestimmte Schüler¬
zahl anderweitig untergebracht werden, sodaß auf Meißen anstatt der ursprüng¬
lich zugedachten 60 bald 100 Schüler kamen**), die nicht blos geistig, sondern
auch leiblich ernährt werden sollten, und für die sich daher natürlich der
knapp bemessene Ausgabe-Etat als unzulänglich erwies. So machten sich bald
Zuschüsse nothwendig, die aber durch die steigenden Preise immer wieder über¬
holt wurden. Und so zieht sich denn eine lange Reihe von Klagen über die
ökonomische Misere durch die Geschichte der Landesschule hindurch, die ihren
Höhepunkt in den Zeiten erreicht, wo die Stürme des schmalkaldischen und
30jährigen, der schlestschen und der Befreiungskriege auch den friedlichen Schul-




*) Sanct Afra. Geschichte der kiwiglich sächsischen Fürstenschule zu Meißen seit ihrer
Gründung im Jahre 1S43 bis zu ihrem Neubau in den Jahren 1877 --1379 von Theodor
Flathe. Mit dem Portrait des Kurfürsten Moritz und einer Ansicht des alten Schnl-
gebäudes. Leipzig, Tauchnitz, 1879 (XII und 492 Seiten).
"*) Mf einem Druckfehler beruht es, daß S. 12 Meißen mit 70 und Merseburg mit
60 Schülern angesetzt wird; nach S. 13, 37 und 429 ist das Umgekehrte das Richtige.

auch der treffliche, auch in weiteren Kreisen wohlbekannte Historiker der Anstalt
als „der Nächste dazu" nicht hat fehlen lassen. Wie man sonst wohl das Abbild
des alten Schulhauses in der „Aula" oder dem „Konferenzzimmer" des neuen
aufhängt, um bei seinem Anblick die alten Erinnerungen aufzufrischen und sich
des Zusammenhangs mit der Vorzeit wieder dankbar bewußt zu werden, so
hat Professor Theodor Flathe ein geistiges Bild von Se. Afra ans den
Bescheerungstisch ihrer neuen Behausung niedergelegt.*) Aber wie eine gründ¬
liche, quellenmäßige Monographie immer von ihrem engeren Kreise aus ein Helles
Licht auf ihre ganze kulturgeschichtliche Umgebung wirft, so haben auch diesem
Buche nicht blos alte Afraner für vielseitige Belehrung und Anregung zudcmken.

Wenn wir im Nachfolgenden auch den Lesern d. Bl. eine Auswahl aus
dem reichen Inhalte des Buches darzubieten versuchen, so wollen wir dabei
von der Natnrbasis unserer Fürstenschule ausgehen, von ihren äußeren Lebens¬
bedingungen, von „Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh,
Geld und Gut", kurz von alledem, was Luther in seinem kleinen Katechismus
zum täglichen Brode rechnet.

Bekanntlich waren es die Güter der aufgehobenen Klöster, mit denen der
nachmalige Kurfürst Moritz die drei Landesschulen ausstattete, die er in den
40er und 50er Jahren des 16. Jahrhunderts gründete. Als Pflegestätten
derselben waren in der Neuen Landesordnung vom 21. Mai 1543 Meißen,
Merseburg und Pforta ausersehen. Die Schulen zu Meißen und Pforta treten
denn auch wirklich noch in demselben Jahre ins Leben; die zu Merseburg kam
nicht zu Stande. An ihrer Stelle wurde zehn Jahre später die zu Grimma
eröffnet. In der Zwischenzeit aber mußte die für Merseburg bestimmte Schüler¬
zahl anderweitig untergebracht werden, sodaß auf Meißen anstatt der ursprüng¬
lich zugedachten 60 bald 100 Schüler kamen**), die nicht blos geistig, sondern
auch leiblich ernährt werden sollten, und für die sich daher natürlich der
knapp bemessene Ausgabe-Etat als unzulänglich erwies. So machten sich bald
Zuschüsse nothwendig, die aber durch die steigenden Preise immer wieder über¬
holt wurden. Und so zieht sich denn eine lange Reihe von Klagen über die
ökonomische Misere durch die Geschichte der Landesschule hindurch, die ihren
Höhepunkt in den Zeiten erreicht, wo die Stürme des schmalkaldischen und
30jährigen, der schlestschen und der Befreiungskriege auch den friedlichen Schul-




*) Sanct Afra. Geschichte der kiwiglich sächsischen Fürstenschule zu Meißen seit ihrer
Gründung im Jahre 1S43 bis zu ihrem Neubau in den Jahren 1877 —1379 von Theodor
Flathe. Mit dem Portrait des Kurfürsten Moritz und einer Ansicht des alten Schnl-
gebäudes. Leipzig, Tauchnitz, 1879 (XII und 492 Seiten).
»*) Mf einem Druckfehler beruht es, daß S. 12 Meißen mit 70 und Merseburg mit
60 Schülern angesetzt wird; nach S. 13, 37 und 429 ist das Umgekehrte das Richtige.
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[0192] auch der treffliche, auch in weiteren Kreisen wohlbekannte Historiker der Anstalt als „der Nächste dazu" nicht hat fehlen lassen. Wie man sonst wohl das Abbild des alten Schulhauses in der „Aula" oder dem „Konferenzzimmer" des neuen aufhängt, um bei seinem Anblick die alten Erinnerungen aufzufrischen und sich des Zusammenhangs mit der Vorzeit wieder dankbar bewußt zu werden, so hat Professor Theodor Flathe ein geistiges Bild von Se. Afra ans den Bescheerungstisch ihrer neuen Behausung niedergelegt.*) Aber wie eine gründ¬ liche, quellenmäßige Monographie immer von ihrem engeren Kreise aus ein Helles Licht auf ihre ganze kulturgeschichtliche Umgebung wirft, so haben auch diesem Buche nicht blos alte Afraner für vielseitige Belehrung und Anregung zudcmken. Wenn wir im Nachfolgenden auch den Lesern d. Bl. eine Auswahl aus dem reichen Inhalte des Buches darzubieten versuchen, so wollen wir dabei von der Natnrbasis unserer Fürstenschule ausgehen, von ihren äußeren Lebens¬ bedingungen, von „Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld und Gut", kurz von alledem, was Luther in seinem kleinen Katechismus zum täglichen Brode rechnet. Bekanntlich waren es die Güter der aufgehobenen Klöster, mit denen der nachmalige Kurfürst Moritz die drei Landesschulen ausstattete, die er in den 40er und 50er Jahren des 16. Jahrhunderts gründete. Als Pflegestätten derselben waren in der Neuen Landesordnung vom 21. Mai 1543 Meißen, Merseburg und Pforta ausersehen. Die Schulen zu Meißen und Pforta treten denn auch wirklich noch in demselben Jahre ins Leben; die zu Merseburg kam nicht zu Stande. An ihrer Stelle wurde zehn Jahre später die zu Grimma eröffnet. In der Zwischenzeit aber mußte die für Merseburg bestimmte Schüler¬ zahl anderweitig untergebracht werden, sodaß auf Meißen anstatt der ursprüng¬ lich zugedachten 60 bald 100 Schüler kamen**), die nicht blos geistig, sondern auch leiblich ernährt werden sollten, und für die sich daher natürlich der knapp bemessene Ausgabe-Etat als unzulänglich erwies. So machten sich bald Zuschüsse nothwendig, die aber durch die steigenden Preise immer wieder über¬ holt wurden. Und so zieht sich denn eine lange Reihe von Klagen über die ökonomische Misere durch die Geschichte der Landesschule hindurch, die ihren Höhepunkt in den Zeiten erreicht, wo die Stürme des schmalkaldischen und 30jährigen, der schlestschen und der Befreiungskriege auch den friedlichen Schul- *) Sanct Afra. Geschichte der kiwiglich sächsischen Fürstenschule zu Meißen seit ihrer Gründung im Jahre 1S43 bis zu ihrem Neubau in den Jahren 1877 —1379 von Theodor Flathe. Mit dem Portrait des Kurfürsten Moritz und einer Ansicht des alten Schnl- gebäudes. Leipzig, Tauchnitz, 1879 (XII und 492 Seiten). »*) Mf einem Druckfehler beruht es, daß S. 12 Meißen mit 70 und Merseburg mit 60 Schülern angesetzt wird; nach S. 13, 37 und 429 ist das Umgekehrte das Richtige.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/192>, abgerufen am 23.07.2024.