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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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JalKs Ines in Süddeutschland.

Es ist eine aller Orten gemachte Erfahrung, daß Minister, so lange sie in
Amt und Würden sind, von den Gegnern der Regierung als freiheitsfeindlich,
sachlich uneingeweiht, unpraktisch u. s. f. bezeichnet und demgemäß aufs heftigste
angegriffen werden. Sowie aber ihr Name in das Zeichen des friedlichen
"a. D." rückt, ändert sich die Sachlage; der Minister ist -- wenn seine Geschichte
es irgend zuläßt -- der besten einer gewesen, und durchaus unbrauchbar ist
uur -- sein Nachfolger. Wir erinnern an Herrn Hobrecht. Trotzdem daß der
Berliner Oberbürgermeister der liberalen Partei näher als der konservativen
stand, waren doch fast alle "wahrhaft liberalen" Blätter, obwohl ihnen von
einer finanzpolitischen Untttchtigkeit Hobrechts absolut nichts bekannt war, darin
einig, daß die Wahl des Reichskanzlers eine sehr wunderbare wäre. Eine
kurze Zeit ist vergangen, da tritt Hobrecht zurück. Wäre er nun ein rechter
echter Konservativer gewesen, so hätte man vielleicht eine Ausnahme von der
allgemeinen Regel gemacht und gesagt: "Aha, da seht ihrs! Er hat seine Stelle
nicht ausfüllen können." So aber war es "politisch taktischer" gehandelt, der
Regel treu zu bleiben, und in dem großen rheinischen Weltblatte konnte man
lesen, daß, wer Hobrecht nur gekannt habe, davon durchdrungen gewesen sei,
daß er zum Finanzminister geboren sei. Anders war es mit Herrn Dr. Falk.
Mit Freuden von liberaler Seite gleich begrüßt, wurde er, mit verhältnißmäßig
wenigen Ausnahmen, auch von ihr unterstützt, und wenn er der religions¬
feindlichen liberal-jüdischen Presse oft in seinen Maßnahmen nicht weit genug
ging, so gab man sich schließlich doch mit den Abschlagszahlungen zufrieden,
die man im Kulturkämpfe erhielt. Da kam nach einer langjährigen, vielfach
sehr segensreichen Wirksamkeit auch sein Tag. Er trat zurück -- und überall
opferte man dem Manne Weihrauch, der selbst -- so paßte es in die Partei¬
taktik -- als Opfer seines Prinzips gefallen fein mußte; er wurde heilig ge¬
sprochen, wurde gefeiert, wie die Ultramontanen kaum einen ihrer exilirten
Bischöfe gefeiert haben. Galt es doch, Dr. Falk in einen Gegensatz zu stellen
zum Fürsten Bismarck!

Bis dahin war man auch in Süddeutschland geneigten Herzens gefolgt
und hatte gern mit eingestimmt in das Lob eines Ministers, dessen entschiedenes
und mannhaftes Vorgehen für die freie Entwickelung unsrer kulturellen Ver¬
hältnisse so bedeutungsvoll geworden war, der den Anmaßungen eines begehr¬
lichen Priesterthums, gegenüber den unveräußerlichen Rechten des Staates, ein
energisches Halt entgegengerufen hatte. Die Liberalen Süddeutschlands aber
hatten or. Falk verehrt als einen Bundesgenossen des Reichskanzlers, und


JalKs Ines in Süddeutschland.

Es ist eine aller Orten gemachte Erfahrung, daß Minister, so lange sie in
Amt und Würden sind, von den Gegnern der Regierung als freiheitsfeindlich,
sachlich uneingeweiht, unpraktisch u. s. f. bezeichnet und demgemäß aufs heftigste
angegriffen werden. Sowie aber ihr Name in das Zeichen des friedlichen
„a. D." rückt, ändert sich die Sachlage; der Minister ist — wenn seine Geschichte
es irgend zuläßt — der besten einer gewesen, und durchaus unbrauchbar ist
uur — sein Nachfolger. Wir erinnern an Herrn Hobrecht. Trotzdem daß der
Berliner Oberbürgermeister der liberalen Partei näher als der konservativen
stand, waren doch fast alle „wahrhaft liberalen" Blätter, obwohl ihnen von
einer finanzpolitischen Untttchtigkeit Hobrechts absolut nichts bekannt war, darin
einig, daß die Wahl des Reichskanzlers eine sehr wunderbare wäre. Eine
kurze Zeit ist vergangen, da tritt Hobrecht zurück. Wäre er nun ein rechter
echter Konservativer gewesen, so hätte man vielleicht eine Ausnahme von der
allgemeinen Regel gemacht und gesagt: „Aha, da seht ihrs! Er hat seine Stelle
nicht ausfüllen können." So aber war es „politisch taktischer" gehandelt, der
Regel treu zu bleiben, und in dem großen rheinischen Weltblatte konnte man
lesen, daß, wer Hobrecht nur gekannt habe, davon durchdrungen gewesen sei,
daß er zum Finanzminister geboren sei. Anders war es mit Herrn Dr. Falk.
Mit Freuden von liberaler Seite gleich begrüßt, wurde er, mit verhältnißmäßig
wenigen Ausnahmen, auch von ihr unterstützt, und wenn er der religions¬
feindlichen liberal-jüdischen Presse oft in seinen Maßnahmen nicht weit genug
ging, so gab man sich schließlich doch mit den Abschlagszahlungen zufrieden,
die man im Kulturkämpfe erhielt. Da kam nach einer langjährigen, vielfach
sehr segensreichen Wirksamkeit auch sein Tag. Er trat zurück — und überall
opferte man dem Manne Weihrauch, der selbst — so paßte es in die Partei¬
taktik — als Opfer seines Prinzips gefallen fein mußte; er wurde heilig ge¬
sprochen, wurde gefeiert, wie die Ultramontanen kaum einen ihrer exilirten
Bischöfe gefeiert haben. Galt es doch, Dr. Falk in einen Gegensatz zu stellen
zum Fürsten Bismarck!

Bis dahin war man auch in Süddeutschland geneigten Herzens gefolgt
und hatte gern mit eingestimmt in das Lob eines Ministers, dessen entschiedenes
und mannhaftes Vorgehen für die freie Entwickelung unsrer kulturellen Ver¬
hältnisse so bedeutungsvoll geworden war, der den Anmaßungen eines begehr¬
lichen Priesterthums, gegenüber den unveräußerlichen Rechten des Staates, ein
energisches Halt entgegengerufen hatte. Die Liberalen Süddeutschlands aber
hatten or. Falk verehrt als einen Bundesgenossen des Reichskanzlers, und


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[0127] JalKs Ines in Süddeutschland. Es ist eine aller Orten gemachte Erfahrung, daß Minister, so lange sie in Amt und Würden sind, von den Gegnern der Regierung als freiheitsfeindlich, sachlich uneingeweiht, unpraktisch u. s. f. bezeichnet und demgemäß aufs heftigste angegriffen werden. Sowie aber ihr Name in das Zeichen des friedlichen „a. D." rückt, ändert sich die Sachlage; der Minister ist — wenn seine Geschichte es irgend zuläßt — der besten einer gewesen, und durchaus unbrauchbar ist uur — sein Nachfolger. Wir erinnern an Herrn Hobrecht. Trotzdem daß der Berliner Oberbürgermeister der liberalen Partei näher als der konservativen stand, waren doch fast alle „wahrhaft liberalen" Blätter, obwohl ihnen von einer finanzpolitischen Untttchtigkeit Hobrechts absolut nichts bekannt war, darin einig, daß die Wahl des Reichskanzlers eine sehr wunderbare wäre. Eine kurze Zeit ist vergangen, da tritt Hobrecht zurück. Wäre er nun ein rechter echter Konservativer gewesen, so hätte man vielleicht eine Ausnahme von der allgemeinen Regel gemacht und gesagt: „Aha, da seht ihrs! Er hat seine Stelle nicht ausfüllen können." So aber war es „politisch taktischer" gehandelt, der Regel treu zu bleiben, und in dem großen rheinischen Weltblatte konnte man lesen, daß, wer Hobrecht nur gekannt habe, davon durchdrungen gewesen sei, daß er zum Finanzminister geboren sei. Anders war es mit Herrn Dr. Falk. Mit Freuden von liberaler Seite gleich begrüßt, wurde er, mit verhältnißmäßig wenigen Ausnahmen, auch von ihr unterstützt, und wenn er der religions¬ feindlichen liberal-jüdischen Presse oft in seinen Maßnahmen nicht weit genug ging, so gab man sich schließlich doch mit den Abschlagszahlungen zufrieden, die man im Kulturkämpfe erhielt. Da kam nach einer langjährigen, vielfach sehr segensreichen Wirksamkeit auch sein Tag. Er trat zurück — und überall opferte man dem Manne Weihrauch, der selbst — so paßte es in die Partei¬ taktik — als Opfer seines Prinzips gefallen fein mußte; er wurde heilig ge¬ sprochen, wurde gefeiert, wie die Ultramontanen kaum einen ihrer exilirten Bischöfe gefeiert haben. Galt es doch, Dr. Falk in einen Gegensatz zu stellen zum Fürsten Bismarck! Bis dahin war man auch in Süddeutschland geneigten Herzens gefolgt und hatte gern mit eingestimmt in das Lob eines Ministers, dessen entschiedenes und mannhaftes Vorgehen für die freie Entwickelung unsrer kulturellen Ver¬ hältnisse so bedeutungsvoll geworden war, der den Anmaßungen eines begehr¬ lichen Priesterthums, gegenüber den unveräußerlichen Rechten des Staates, ein energisches Halt entgegengerufen hatte. Die Liberalen Süddeutschlands aber hatten or. Falk verehrt als einen Bundesgenossen des Reichskanzlers, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/127>, abgerufen am 23.07.2024.