Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

und damit doch die Sache nicht wie ein plumpes Plagiat aussieht, so wird
dem Karlsbader Druck ein wissenschaftliches Mäntelchen umgehängt; in einem
Anhange werden aus Eckermann und Riemer "Zeugnisse der Echtheit des vor¬
stehenden Gedichtes" mitgetheilt. -- Woher wir wissen, daß niemand anders
als Herr or. Hlawaöek der wissenschaftliche Beistand des Herrn Fetter gewesen
sein kann, obgleich er nicht auf dem Titel genannt ist? Nun, einfach aus dem
kläglich komischen -- Druckfehler, der in dem erwähnten Buche "Goethe in Karls¬
bad" sich findet und genau so in den Fellerschen Abdrücken des Goethischen
Gedichtes wiederkehrt.*)

Nicht entfernt natürlich ist daran zu denken, daß das Goethische Ge¬
dicht, wie die Firma Rosner in einer Anpreisung ihres Separatabdruckes
albernerweise sagt, "ein erotisches Abenteuer des Dichterfürsten behandle".
Goethe diktirte das Gedicht während seines siebenten Aufenthaltes in Karls¬
bad im Sommer 1810 Riemer in die Feder, wie dieser in seinen "Mit¬
theilungen über Goethe" (II, 623) selbst berichtet. Riemer sügt hinzu, daß
Goethe durch die novells Aglanti des Abbate Casti dazu angeregt worden sei,
die er schon in Rom vom Verfasser selbst hatte vorlesen hören, und die ihm
nun gedruckt wieder in die Hände kamen. Wir sind nicht in der Lage, diese
Angabe zu kontroliren. Goethe selber scheint auf einen andern Ursprung des
Gedichtes hindeuten zu wollen, da er ein Distichon aus einer Elegie des Tibull
(I, 5, 39--40) mit Hinweglassung eines Wortes als Motto vorgesetzt hat, in
welchem das Thema seiner eignen Dichtung gleichsam in unos enthalten ist.
Es sind die beiden Verse:


(Z^SPk) kliÄin tenniz sea ^Äw suum Fg,uäik s,äiröin,
^äwonnit äomiilks "Zssernityns Venn8>

Möglich also, daß, wie so vieles in seinen "Römischen Elegien" auf Stelle"
aus Ovid, Catull, Tibull, Properz zurückgeht, auch dieses Gedicht aus der Tibull-
Stelle gleichsam herausgesponnen ist. Doch wäre auch denkbar, daß die Tibull-
Verse sich nachträglich erst hinzugefunden hätten. Auf keinen Fall ist das Gedicht
als "Gelegenheitsgedicht" in dem bekannten Goethischen Sinne aufzufassendes ist,
mit Lessings Patriarchen zu reden, blos "eine Hypothes', ein Spiel des Witzes,
ein Problema". Riemer sagt: die Elegie "ist zur Zeit noch secretirt geblieben



^) Herr Dr, Hlawaöek' hatte sich aus Riemers "Mittheilungen", die er nicht besitzt,
die betreffende Stelle über Goethes "Römische Elegien" ausgeschrieben. Bei dar Bearbeitung
seiner Kollektanecn las er in seinem Manuskript an der einen Stelle anstatt ^usus inFenii
gänzlich sinnlos vsns ioAsini, und so steht in seinem Buche "Goethe in Karlsbad" S, L9.
So steht aber auch wieder im Anhang zu dein Goethischen Gedichte, und da hier die ganze
Stelle aus Riemer mitgetheilt ist, in dem Buche "Goethe in Karlsbad" aber nnr vier
Zeilen, so ist unsre Konjektur evident.

und damit doch die Sache nicht wie ein plumpes Plagiat aussieht, so wird
dem Karlsbader Druck ein wissenschaftliches Mäntelchen umgehängt; in einem
Anhange werden aus Eckermann und Riemer „Zeugnisse der Echtheit des vor¬
stehenden Gedichtes" mitgetheilt. — Woher wir wissen, daß niemand anders
als Herr or. Hlawaöek der wissenschaftliche Beistand des Herrn Fetter gewesen
sein kann, obgleich er nicht auf dem Titel genannt ist? Nun, einfach aus dem
kläglich komischen — Druckfehler, der in dem erwähnten Buche „Goethe in Karls¬
bad" sich findet und genau so in den Fellerschen Abdrücken des Goethischen
Gedichtes wiederkehrt.*)

Nicht entfernt natürlich ist daran zu denken, daß das Goethische Ge¬
dicht, wie die Firma Rosner in einer Anpreisung ihres Separatabdruckes
albernerweise sagt, „ein erotisches Abenteuer des Dichterfürsten behandle".
Goethe diktirte das Gedicht während seines siebenten Aufenthaltes in Karls¬
bad im Sommer 1810 Riemer in die Feder, wie dieser in seinen „Mit¬
theilungen über Goethe" (II, 623) selbst berichtet. Riemer sügt hinzu, daß
Goethe durch die novells Aglanti des Abbate Casti dazu angeregt worden sei,
die er schon in Rom vom Verfasser selbst hatte vorlesen hören, und die ihm
nun gedruckt wieder in die Hände kamen. Wir sind nicht in der Lage, diese
Angabe zu kontroliren. Goethe selber scheint auf einen andern Ursprung des
Gedichtes hindeuten zu wollen, da er ein Distichon aus einer Elegie des Tibull
(I, 5, 39—40) mit Hinweglassung eines Wortes als Motto vorgesetzt hat, in
welchem das Thema seiner eignen Dichtung gleichsam in unos enthalten ist.
Es sind die beiden Verse:


(Z^SPk) kliÄin tenniz sea ^Äw suum Fg,uäik s,äiröin,
^äwonnit äomiilks «Zssernityns Venn8>

Möglich also, daß, wie so vieles in seinen „Römischen Elegien" auf Stelle»
aus Ovid, Catull, Tibull, Properz zurückgeht, auch dieses Gedicht aus der Tibull-
Stelle gleichsam herausgesponnen ist. Doch wäre auch denkbar, daß die Tibull-
Verse sich nachträglich erst hinzugefunden hätten. Auf keinen Fall ist das Gedicht
als „Gelegenheitsgedicht" in dem bekannten Goethischen Sinne aufzufassendes ist,
mit Lessings Patriarchen zu reden, blos „eine Hypothes', ein Spiel des Witzes,
ein Problema". Riemer sagt: die Elegie „ist zur Zeit noch secretirt geblieben



^) Herr Dr, Hlawaöek' hatte sich aus Riemers „Mittheilungen", die er nicht besitzt,
die betreffende Stelle über Goethes „Römische Elegien" ausgeschrieben. Bei dar Bearbeitung
seiner Kollektanecn las er in seinem Manuskript an der einen Stelle anstatt ^usus inFenii
gänzlich sinnlos vsns ioAsini, und so steht in seinem Buche „Goethe in Karlsbad" S, L9.
So steht aber auch wieder im Anhang zu dein Goethischen Gedichte, und da hier die ganze
Stelle aus Riemer mitgetheilt ist, in dem Buche „Goethe in Karlsbad" aber nnr vier
Zeilen, so ist unsre Konjektur evident.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143165"/>
          <p xml:id="ID_351" prev="#ID_350"> und damit doch die Sache nicht wie ein plumpes Plagiat aussieht, so wird<lb/>
dem Karlsbader Druck ein wissenschaftliches Mäntelchen umgehängt; in einem<lb/>
Anhange werden aus Eckermann und Riemer &#x201E;Zeugnisse der Echtheit des vor¬<lb/>
stehenden Gedichtes" mitgetheilt. &#x2014; Woher wir wissen, daß niemand anders<lb/>
als Herr or. Hlawaöek der wissenschaftliche Beistand des Herrn Fetter gewesen<lb/>
sein kann, obgleich er nicht auf dem Titel genannt ist? Nun, einfach aus dem<lb/>
kläglich komischen &#x2014; Druckfehler, der in dem erwähnten Buche &#x201E;Goethe in Karls¬<lb/>
bad" sich findet und genau so in den Fellerschen Abdrücken des Goethischen<lb/>
Gedichtes wiederkehrt.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_352"> Nicht entfernt natürlich ist daran zu denken, daß das Goethische Ge¬<lb/>
dicht, wie die Firma Rosner in einer Anpreisung ihres Separatabdruckes<lb/>
albernerweise sagt, &#x201E;ein erotisches Abenteuer des Dichterfürsten behandle".<lb/>
Goethe diktirte das Gedicht während seines siebenten Aufenthaltes in Karls¬<lb/>
bad im Sommer 1810 Riemer in die Feder, wie dieser in seinen &#x201E;Mit¬<lb/>
theilungen über Goethe" (II, 623) selbst berichtet. Riemer sügt hinzu, daß<lb/>
Goethe durch die novells Aglanti des Abbate Casti dazu angeregt worden sei,<lb/>
die er schon in Rom vom Verfasser selbst hatte vorlesen hören, und die ihm<lb/>
nun gedruckt wieder in die Hände kamen. Wir sind nicht in der Lage, diese<lb/>
Angabe zu kontroliren. Goethe selber scheint auf einen andern Ursprung des<lb/>
Gedichtes hindeuten zu wollen, da er ein Distichon aus einer Elegie des Tibull<lb/>
(I, 5, 39&#x2014;40) mit Hinweglassung eines Wortes als Motto vorgesetzt hat, in<lb/>
welchem das Thema seiner eignen Dichtung gleichsam in unos enthalten ist.<lb/>
Es sind die beiden Verse:</p><lb/>
          <quote> (Z^SPk) kliÄin tenniz sea ^Äw suum Fg,uäik s,äiröin,<lb/>
^äwonnit äomiilks «Zssernityns Venn8&gt;</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Möglich also, daß, wie so vieles in seinen &#x201E;Römischen Elegien" auf Stelle»<lb/>
aus Ovid, Catull, Tibull, Properz zurückgeht, auch dieses Gedicht aus der Tibull-<lb/>
Stelle gleichsam herausgesponnen ist. Doch wäre auch denkbar, daß die Tibull-<lb/>
Verse sich nachträglich erst hinzugefunden hätten. Auf keinen Fall ist das Gedicht<lb/>
als &#x201E;Gelegenheitsgedicht" in dem bekannten Goethischen Sinne aufzufassendes ist,<lb/>
mit Lessings Patriarchen zu reden, blos &#x201E;eine Hypothes', ein Spiel des Witzes,<lb/>
ein Problema".  Riemer sagt: die Elegie &#x201E;ist zur Zeit noch secretirt geblieben</p><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> ^) Herr Dr, Hlawaöek' hatte sich aus Riemers &#x201E;Mittheilungen", die er nicht besitzt,<lb/>
die betreffende Stelle über Goethes &#x201E;Römische Elegien" ausgeschrieben. Bei dar Bearbeitung<lb/>
seiner Kollektanecn las er in seinem Manuskript an der einen Stelle anstatt ^usus inFenii<lb/>
gänzlich sinnlos vsns ioAsini, und so steht in seinem Buche &#x201E;Goethe in Karlsbad" S, L9.<lb/>
So steht aber auch wieder im Anhang zu dein Goethischen Gedichte, und da hier die ganze<lb/>
Stelle aus Riemer mitgetheilt ist, in dem Buche &#x201E;Goethe in Karlsbad" aber nnr vier<lb/>
Zeilen, so ist unsre Konjektur evident.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] und damit doch die Sache nicht wie ein plumpes Plagiat aussieht, so wird dem Karlsbader Druck ein wissenschaftliches Mäntelchen umgehängt; in einem Anhange werden aus Eckermann und Riemer „Zeugnisse der Echtheit des vor¬ stehenden Gedichtes" mitgetheilt. — Woher wir wissen, daß niemand anders als Herr or. Hlawaöek der wissenschaftliche Beistand des Herrn Fetter gewesen sein kann, obgleich er nicht auf dem Titel genannt ist? Nun, einfach aus dem kläglich komischen — Druckfehler, der in dem erwähnten Buche „Goethe in Karls¬ bad" sich findet und genau so in den Fellerschen Abdrücken des Goethischen Gedichtes wiederkehrt.*) Nicht entfernt natürlich ist daran zu denken, daß das Goethische Ge¬ dicht, wie die Firma Rosner in einer Anpreisung ihres Separatabdruckes albernerweise sagt, „ein erotisches Abenteuer des Dichterfürsten behandle". Goethe diktirte das Gedicht während seines siebenten Aufenthaltes in Karls¬ bad im Sommer 1810 Riemer in die Feder, wie dieser in seinen „Mit¬ theilungen über Goethe" (II, 623) selbst berichtet. Riemer sügt hinzu, daß Goethe durch die novells Aglanti des Abbate Casti dazu angeregt worden sei, die er schon in Rom vom Verfasser selbst hatte vorlesen hören, und die ihm nun gedruckt wieder in die Hände kamen. Wir sind nicht in der Lage, diese Angabe zu kontroliren. Goethe selber scheint auf einen andern Ursprung des Gedichtes hindeuten zu wollen, da er ein Distichon aus einer Elegie des Tibull (I, 5, 39—40) mit Hinweglassung eines Wortes als Motto vorgesetzt hat, in welchem das Thema seiner eignen Dichtung gleichsam in unos enthalten ist. Es sind die beiden Verse: (Z^SPk) kliÄin tenniz sea ^Äw suum Fg,uäik s,äiröin, ^äwonnit äomiilks «Zssernityns Venn8> Möglich also, daß, wie so vieles in seinen „Römischen Elegien" auf Stelle» aus Ovid, Catull, Tibull, Properz zurückgeht, auch dieses Gedicht aus der Tibull- Stelle gleichsam herausgesponnen ist. Doch wäre auch denkbar, daß die Tibull- Verse sich nachträglich erst hinzugefunden hätten. Auf keinen Fall ist das Gedicht als „Gelegenheitsgedicht" in dem bekannten Goethischen Sinne aufzufassendes ist, mit Lessings Patriarchen zu reden, blos „eine Hypothes', ein Spiel des Witzes, ein Problema". Riemer sagt: die Elegie „ist zur Zeit noch secretirt geblieben ^) Herr Dr, Hlawaöek' hatte sich aus Riemers „Mittheilungen", die er nicht besitzt, die betreffende Stelle über Goethes „Römische Elegien" ausgeschrieben. Bei dar Bearbeitung seiner Kollektanecn las er in seinem Manuskript an der einen Stelle anstatt ^usus inFenii gänzlich sinnlos vsns ioAsini, und so steht in seinem Buche „Goethe in Karlsbad" S, L9. So steht aber auch wieder im Anhang zu dein Goethischen Gedichte, und da hier die ganze Stelle aus Riemer mitgetheilt ist, in dem Buche „Goethe in Karlsbad" aber nnr vier Zeilen, so ist unsre Konjektur evident.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/110>, abgerufen am 03.07.2024.