Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Als die Ursache des gegenwärtigen Krieges ist ein Versuch Chile's zu be¬ Godoi sandte den Geheimvertrag nach Santiago, der Hauptstadt Chiles, Als die Ursache des gegenwärtigen Krieges ist ein Versuch Chile's zu be¬ Godoi sandte den Geheimvertrag nach Santiago, der Hauptstadt Chiles, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142589"/> <p xml:id="ID_261"> Als die Ursache des gegenwärtigen Krieges ist ein Versuch Chile's zu be¬<lb/> trachten, die Folgen eines Bündnisses, das schon vor sechs Jahren zwischen<lb/> Peru und Bolivia'abgeschlossen wurde und eine Beraubung Chile's zum Zwecke<lb/> hatte, zu vereiteln. Chile hatte den Peruanern wiederholt gute Dienste ge¬<lb/> leistet. Seine kleine Flotte hatte 1820 unter dein Lord Cochrane wesentlich<lb/> dazu beigetragen, daß jenen die Befreiung von der spanischen Herrschaft gelang.<lb/> Zu gleicher Zeit hatten Chilenen unter Armales die Führung des gegen die<lb/> Spamer aufgestandenen peruanischen Volkes übernommen und erst die nörd¬<lb/> lichen Theile' des Landes, dann Lima und dessen Umgegend von Feinden ge¬<lb/> säubert. 1838 ferner rissen die Chilenen Peru von der durch den gewalt¬<lb/> thätigen bolivischen Präsidenten Santa Cruz aus ehrgeiziger Absicht gegründeten<lb/> Union mit Bolivia los, indem sie eine Flotte mit 8000 Mann Soldaten an<lb/> die peruanische Küste sandten, von da nach Lima vordrangen, Santa Cruz bei<lb/> Aungai schlugen und ihn zur Flucht aus dem Lande zwangen. Die letzten<lb/> Präsidenten Peru's scheinen das vergessen oder der Meinung gehuldigt zu haben,<lb/> daß Dankbarkeit nicht in die Politik gehöre. Am 6. Februar 1873 schloß der<lb/> Präsident Prado mit der bolivischen Regierung einen geheimen Offensiv - und<lb/> Defensiv-Vertrag ab, der vorwiegend im Interesse Peru's war und seine Spitze<lb/> entschieden gegen Chile kehrte. Peru mit seinen neunundzwanzig Präsidenten und<lb/> Diktatoren in siebenundfünfzig Jahren, Gewalthabern, die großentheils die Stelle<lb/> am Staatsruder nur erstrebten, um sich die Taschen füllen zu können, befand<lb/> sich, wie bemerkt, seit langer Zeit in schwerer Geldverlegenheit. Die Aus¬<lb/> beutung seiner Hauptfinanzquellen, der nach Erschöpfung der Chincha-Jnseln<lb/> neuentdeckten Guanolager, war den Staatsgläubigern auf Jahre hinaus ver¬<lb/> pfändet. Man schuf daher ein neues Monopol auf die Gewinnung des Sal¬<lb/> peters, der sich in der südlichsten Küstenprovinz Tarapaca nicht weit von den<lb/> Häfen Jqniqne und Pisagua in großen Massen findet. Das gesammte dortige<lb/> Privateigenthum an Grundbesitz, das sich meist in den Händen von Chilenen<lb/> und in Chile ansässig gewordenen fremden Kaufleuten befand, wurde von der<lb/> peruanischen Regierung konfiszirt. Um dieses Staatsmonopol möglichst ein¬<lb/> träglich zu machen, mußte ferner die fremde Konkurrenz auf den Weltmärkten<lb/> eingeschränkt werden. Dabei war es vorzüglich auf Chile abgesehen, wo man<lb/> bei Blanco Enealada und Taltal bedeutende Salpeterlager entdeckt und aus¬<lb/> zunutzen begonnen hat, und welches auf einen gewissen Küstenstrich Bolivia's<lb/> bei Taco, wo gleichfalls solche Lager sind, Ansprüche erheben kann. Um diese<lb/> Konkurrenz abwehren zu können, wurde jener Vertrag abgeschlossen und in den<lb/> letzten Monaten zu einem Gewaltstreiche gegen Chile' gerüstet. Indessen erfuhr<lb/> die Regierung des letzteren noch zu rechter Zeit von dem Plane ihrer getreuen<lb/> Nachbarn und traf Gegenvorkehrungen. Zunächst wurde der chilenische Ge¬<lb/> sandte in Lima, Godoi, angewiesen, sich dort zu erkundigen, ob jener Geheim¬<lb/> vertrag existire, und weshalb man Rüstungen vorgenommen habe. Die Ant¬<lb/> wort lautete in letzterer Beziehung ausweichend, wogegen die Existenz des Ver¬<lb/> trags zugestanden und dazu bemerkt wurde, Peru könne, wenn ein Krieg zwischen<lb/> Chile und Bolivia ausbrechen sollte, nicht neutral bleiben. Es war offenbar,<lb/> daß Peru entschlossen war, mit Bolivia die Ansprüche Chile's auf das erwähnte<lb/> streitige Gebiet Bolivia's gewaltsam zu bekämpfen, und daß man dabei auf<lb/> Seiten der Verbündeten zugleich Losreißungen entschieden chilenischen Gebietes<lb/> im Auge hatte.'</p><lb/> <p xml:id="ID_262" next="#ID_263"> Godoi sandte den Geheimvertrag nach Santiago, der Hauptstadt Chiles,<lb/> und derselbe hatte, als er im Staatsrathe verlesen wurde, die Wirkung, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
Als die Ursache des gegenwärtigen Krieges ist ein Versuch Chile's zu be¬
trachten, die Folgen eines Bündnisses, das schon vor sechs Jahren zwischen
Peru und Bolivia'abgeschlossen wurde und eine Beraubung Chile's zum Zwecke
hatte, zu vereiteln. Chile hatte den Peruanern wiederholt gute Dienste ge¬
leistet. Seine kleine Flotte hatte 1820 unter dein Lord Cochrane wesentlich
dazu beigetragen, daß jenen die Befreiung von der spanischen Herrschaft gelang.
Zu gleicher Zeit hatten Chilenen unter Armales die Führung des gegen die
Spamer aufgestandenen peruanischen Volkes übernommen und erst die nörd¬
lichen Theile' des Landes, dann Lima und dessen Umgegend von Feinden ge¬
säubert. 1838 ferner rissen die Chilenen Peru von der durch den gewalt¬
thätigen bolivischen Präsidenten Santa Cruz aus ehrgeiziger Absicht gegründeten
Union mit Bolivia los, indem sie eine Flotte mit 8000 Mann Soldaten an
die peruanische Küste sandten, von da nach Lima vordrangen, Santa Cruz bei
Aungai schlugen und ihn zur Flucht aus dem Lande zwangen. Die letzten
Präsidenten Peru's scheinen das vergessen oder der Meinung gehuldigt zu haben,
daß Dankbarkeit nicht in die Politik gehöre. Am 6. Februar 1873 schloß der
Präsident Prado mit der bolivischen Regierung einen geheimen Offensiv - und
Defensiv-Vertrag ab, der vorwiegend im Interesse Peru's war und seine Spitze
entschieden gegen Chile kehrte. Peru mit seinen neunundzwanzig Präsidenten und
Diktatoren in siebenundfünfzig Jahren, Gewalthabern, die großentheils die Stelle
am Staatsruder nur erstrebten, um sich die Taschen füllen zu können, befand
sich, wie bemerkt, seit langer Zeit in schwerer Geldverlegenheit. Die Aus¬
beutung seiner Hauptfinanzquellen, der nach Erschöpfung der Chincha-Jnseln
neuentdeckten Guanolager, war den Staatsgläubigern auf Jahre hinaus ver¬
pfändet. Man schuf daher ein neues Monopol auf die Gewinnung des Sal¬
peters, der sich in der südlichsten Küstenprovinz Tarapaca nicht weit von den
Häfen Jqniqne und Pisagua in großen Massen findet. Das gesammte dortige
Privateigenthum an Grundbesitz, das sich meist in den Händen von Chilenen
und in Chile ansässig gewordenen fremden Kaufleuten befand, wurde von der
peruanischen Regierung konfiszirt. Um dieses Staatsmonopol möglichst ein¬
träglich zu machen, mußte ferner die fremde Konkurrenz auf den Weltmärkten
eingeschränkt werden. Dabei war es vorzüglich auf Chile abgesehen, wo man
bei Blanco Enealada und Taltal bedeutende Salpeterlager entdeckt und aus¬
zunutzen begonnen hat, und welches auf einen gewissen Küstenstrich Bolivia's
bei Taco, wo gleichfalls solche Lager sind, Ansprüche erheben kann. Um diese
Konkurrenz abwehren zu können, wurde jener Vertrag abgeschlossen und in den
letzten Monaten zu einem Gewaltstreiche gegen Chile' gerüstet. Indessen erfuhr
die Regierung des letzteren noch zu rechter Zeit von dem Plane ihrer getreuen
Nachbarn und traf Gegenvorkehrungen. Zunächst wurde der chilenische Ge¬
sandte in Lima, Godoi, angewiesen, sich dort zu erkundigen, ob jener Geheim¬
vertrag existire, und weshalb man Rüstungen vorgenommen habe. Die Ant¬
wort lautete in letzterer Beziehung ausweichend, wogegen die Existenz des Ver¬
trags zugestanden und dazu bemerkt wurde, Peru könne, wenn ein Krieg zwischen
Chile und Bolivia ausbrechen sollte, nicht neutral bleiben. Es war offenbar,
daß Peru entschlossen war, mit Bolivia die Ansprüche Chile's auf das erwähnte
streitige Gebiet Bolivia's gewaltsam zu bekämpfen, und daß man dabei auf
Seiten der Verbündeten zugleich Losreißungen entschieden chilenischen Gebietes
im Auge hatte.'
Godoi sandte den Geheimvertrag nach Santiago, der Hauptstadt Chiles,
und derselbe hatte, als er im Staatsrathe verlesen wurde, die Wirkung, daß
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