Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.sehr seltsam anstehen würde. Noch seltsamer freilich einem preußischen Minister, Aber das Schreiben zeigt uns noch Seltsameres. Die Staatsregierung Verträgt sich ein solches Verfahren mit dem gouvernementalen Ehrgefühl, sehr seltsam anstehen würde. Noch seltsamer freilich einem preußischen Minister, Aber das Schreiben zeigt uns noch Seltsameres. Die Staatsregierung Verträgt sich ein solches Verfahren mit dem gouvernementalen Ehrgefühl, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143051"/> <p xml:id="ID_1655" prev="#ID_1654"> sehr seltsam anstehen würde. Noch seltsamer freilich einem preußischen Minister,<lb/> der jemals die Natur seines Staates gekannt und den Begriff seiner Pflicht<lb/> gehabt. Selbst wenn es gewiß wäre, daß in der Verwaltung des Unterrichts¬<lb/> wesens Fehlgriffe zu befürchten wären, dürfte ein eben aus dem Amte geschiedener<lb/> Minister die Opposition gegen seinen Nachfolger nicht hervorrufen, bevor der<lb/> letztere an fehlerhafte Maßregeln wirklich die Hand gelegt. Wir denken, dieses<lb/> Abwarten wäre jeder Staatsmann sich schuldig, zumal ein preußischer, der auf<lb/> die Wahl seines Königs, der auf den Geist seiner Kollegen vertraut, bis er<lb/> vom Gegentheil überführt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1656"> Aber das Schreiben zeigt uns noch Seltsameres. Die Staatsregierung<lb/> hat in so oft wiederholten Erklärungen, daß die Wiederholung Ueberdruß er¬<lb/> regt hat, verkündigt, die Aufgabe des jetzt gewählten Abgeordnetenhauses werde<lb/> von ihr in der Fortsetzung der Steuerreform und in der Eisenbahnreform er¬<lb/> blickt; nach der Stellung zu diesen Fragen sollen die Wähler, sofern sie die<lb/> Regierung nicht bekämpfen wollen, die Kandidaten bevorzugen. Diese starke<lb/> Stellung der Regierung wird von der Opposition durch das Manöver zu<lb/> umgehen gesucht, daß die Opposition sagt: Nicht über Steuerreform und Eisen¬<lb/> bahnfrage wollen wir uns aussprechen, sondern über Reaktion oder freisinnige<lb/> Maximen auf dem Gebiete der Kirchen- und Unterrichtspolitik, denn diese<lb/> Maximen sind bedroht; wie wir uns zu den andern Fragen verhalten, wird<lb/> sich finden. So sucht die Opposition eine Gefahr zu signalisiren, wo keine ist,<lb/> um unter der Vertheidigungsfahne einer vorgeblich gefährdeten Stellung Gegner<lb/> der Steuer- und Eisenbahnreform in das Abgeordnetenhaus bringen zu können.<lb/> Diesem Manöver leiht or. Falk direkt seine Unterstützung. Er signalisirt<lb/> eine Gefahr, er ruft zur Vertheidigung einer Stellung auf, für deren Gefähr¬<lb/> dung er keine Beweise hat. Er unterstützt den Versuch, Gegner der allgemeinen<lb/> Regierungspolitik unter einer Fahne in das Abgeordnetenhaus zu bringen, die<lb/> zu entrollen kein ernster Grund vorliegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1657" next="#ID_1658"> Verträgt sich ein solches Verfahren mit dem gouvernementalen Ehrgefühl,<lb/> welches fordert, daß man eine Regierung, deren hervorragendes Mitglied man<lb/> eine Reihe von Jahren unter gemeinsamer Durchsetzung großer Maßregeln<lb/> gewesen, unbewiesene Beschuldigungen nicht nachsagt? Denn wohlgemerkt,<lb/> Dr. Falk ist aus dieser Regierung geschieden, nicht weil dieselbe seinen Maximen<lb/> nicht mehr zustimmte, sondern weil er außerhalb des staatlichen Gebietes<lb/> nicht glaubte durchsetzen zu können, was ihm als gefordert von seiner staatlichen<lb/> Stellung erschien. Rechtfertigt dies die Befürchtung, daß dieselbe Regierung den<lb/> Einflüssen, welche Dr. Falk außerhalb des staatlichen Gebietes nicht<lb/> besiegen konnte, auf diesem Gebiete den Sieg einräumen werde? Doch wohl</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0554]
sehr seltsam anstehen würde. Noch seltsamer freilich einem preußischen Minister,
der jemals die Natur seines Staates gekannt und den Begriff seiner Pflicht
gehabt. Selbst wenn es gewiß wäre, daß in der Verwaltung des Unterrichts¬
wesens Fehlgriffe zu befürchten wären, dürfte ein eben aus dem Amte geschiedener
Minister die Opposition gegen seinen Nachfolger nicht hervorrufen, bevor der
letztere an fehlerhafte Maßregeln wirklich die Hand gelegt. Wir denken, dieses
Abwarten wäre jeder Staatsmann sich schuldig, zumal ein preußischer, der auf
die Wahl seines Königs, der auf den Geist seiner Kollegen vertraut, bis er
vom Gegentheil überführt ist.
Aber das Schreiben zeigt uns noch Seltsameres. Die Staatsregierung
hat in so oft wiederholten Erklärungen, daß die Wiederholung Ueberdruß er¬
regt hat, verkündigt, die Aufgabe des jetzt gewählten Abgeordnetenhauses werde
von ihr in der Fortsetzung der Steuerreform und in der Eisenbahnreform er¬
blickt; nach der Stellung zu diesen Fragen sollen die Wähler, sofern sie die
Regierung nicht bekämpfen wollen, die Kandidaten bevorzugen. Diese starke
Stellung der Regierung wird von der Opposition durch das Manöver zu
umgehen gesucht, daß die Opposition sagt: Nicht über Steuerreform und Eisen¬
bahnfrage wollen wir uns aussprechen, sondern über Reaktion oder freisinnige
Maximen auf dem Gebiete der Kirchen- und Unterrichtspolitik, denn diese
Maximen sind bedroht; wie wir uns zu den andern Fragen verhalten, wird
sich finden. So sucht die Opposition eine Gefahr zu signalisiren, wo keine ist,
um unter der Vertheidigungsfahne einer vorgeblich gefährdeten Stellung Gegner
der Steuer- und Eisenbahnreform in das Abgeordnetenhaus bringen zu können.
Diesem Manöver leiht or. Falk direkt seine Unterstützung. Er signalisirt
eine Gefahr, er ruft zur Vertheidigung einer Stellung auf, für deren Gefähr¬
dung er keine Beweise hat. Er unterstützt den Versuch, Gegner der allgemeinen
Regierungspolitik unter einer Fahne in das Abgeordnetenhaus zu bringen, die
zu entrollen kein ernster Grund vorliegt.
Verträgt sich ein solches Verfahren mit dem gouvernementalen Ehrgefühl,
welches fordert, daß man eine Regierung, deren hervorragendes Mitglied man
eine Reihe von Jahren unter gemeinsamer Durchsetzung großer Maßregeln
gewesen, unbewiesene Beschuldigungen nicht nachsagt? Denn wohlgemerkt,
Dr. Falk ist aus dieser Regierung geschieden, nicht weil dieselbe seinen Maximen
nicht mehr zustimmte, sondern weil er außerhalb des staatlichen Gebietes
nicht glaubte durchsetzen zu können, was ihm als gefordert von seiner staatlichen
Stellung erschien. Rechtfertigt dies die Befürchtung, daß dieselbe Regierung den
Einflüssen, welche Dr. Falk außerhalb des staatlichen Gebietes nicht
besiegen konnte, auf diesem Gebiete den Sieg einräumen werde? Doch wohl
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