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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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mir Varzin zum Spazierenreiten und Herumfahren gekauft hätte, so wäre es
eine gute Mquisition. Aber so -- Lupinenland!" Indeß die andere Hälfte
der Klage war augenscheinlich Ernst. Bei Wussow besitzt die Herrschaft guten
Roggenboden, bei Pudiger geringen Weizenboden, aber ein bedeutender Theil
des Uebrigen mag jene Bezeichnung uneingeschränkt verdienen, und manche
Strecken sind, indem sie aus baltischen Ursand bestehen, sür den Ackerbau gar
uicht geeignet und nur ganz allmählich nutzbar zu machen, wenn man sie mit
Kiefern bepflanzt. Dazu kam, bis auf die letzte Ernte, daß sich das Korn
kaum gehörig verwerthen ließ, indem die Eisenbahnen das in Südpolen und
Ungarn mit wohlfeiler Arbeitskraft gewonnene Getreide billiger auf unsre
Märkte lieferten, als unsre Landwirthe das ihrige zu bauen im Stande waren.

Auch das Holz -- die hiesigen Forsten sind nur zu einem Viertel Buchen-
und zu drei Vierteln Kiefernwald -- steht niedrig im Preise. Es wurde ehe¬
mals auf der Wipper nach der Ostsee verstößt, wo es, vom Zimmermann in
Eisenbahnschwellen verwandelt, nach England verschifft wurde. Viel Nutzen
aber warf dieser Handel den Gutsbesitzern nicht ab, und dasselbe war mit den
jetzt eingegangenen Glashütten in Chomitz und Misdow der Fall: sie lieferten
recht gute Fensterscheiben, fraßen aber unleidlich viel schönes Holz, sodaß ihr
Produkt sich nur sehr mittelmäßig verwerthete. Eine bessere Verwendung seines
Holzertrags und zugleich eine einträgliche Verwerthung seiner Wasserkraft hat
der Herr von Varzin in den drei Mühlen an der Wipper gefunden, welche
mit sinnreichen Maschinen aus Kiefernklötzen Holzbrei und aus diesem ein
starkes Papier bereiten, das theils in seiner braunen Naturfarbe, theils roth
oder blau gefärbt in den Handel kommt und zum Verpacken von Waaren be¬
nutzt wird. Die Eisenbahn zwischen Stolp und Rummelsburg, welche, 1877
noch im Bau begriffen, jetzt ihre Güterzüge durch das Varziner Gebiet sendet
und die Verbindung zwischen Hinterpommern und Posen herzustellen bestimmt
ist, hat selbstverständlich den Werth eines Theils der hiesigen Produkte durch
die Möglichkeit wohlfeiler und rascher Versendung derselben gesteigert, und in
nicht gar langer Zeit werden die Holzpapiermühlen, von deren Unternehmern
der Fürst schon gegenwärtig einen erheblichen Pachtschilling für die von ihnen
benutzte Wasserkraft erhebt, vertragsmäßig mit allem ihrem Zubehör integrirendc
Theile der Herrschaft werden. Jener Pachtschilling allein stellt den jährlichen
Ueberschuß der Einnahmen aus dem Güterkomplex über die Kosten dar so
fügte man mir. Das war aber wohl nur so gemeint, daß andere Ueberschüsse,
die allerdings vergleichsweise nicht sehr ins Gewicht fallen können, von den
erwähnten Ameliorationen des Landes, Drainagen, Berieselungen, Schonungen
u. tgi. aufgezehrt werden. Dabei bleibt dem gegenwärtigen Besitzer in der


mir Varzin zum Spazierenreiten und Herumfahren gekauft hätte, so wäre es
eine gute Mquisition. Aber so — Lupinenland!" Indeß die andere Hälfte
der Klage war augenscheinlich Ernst. Bei Wussow besitzt die Herrschaft guten
Roggenboden, bei Pudiger geringen Weizenboden, aber ein bedeutender Theil
des Uebrigen mag jene Bezeichnung uneingeschränkt verdienen, und manche
Strecken sind, indem sie aus baltischen Ursand bestehen, sür den Ackerbau gar
uicht geeignet und nur ganz allmählich nutzbar zu machen, wenn man sie mit
Kiefern bepflanzt. Dazu kam, bis auf die letzte Ernte, daß sich das Korn
kaum gehörig verwerthen ließ, indem die Eisenbahnen das in Südpolen und
Ungarn mit wohlfeiler Arbeitskraft gewonnene Getreide billiger auf unsre
Märkte lieferten, als unsre Landwirthe das ihrige zu bauen im Stande waren.

Auch das Holz — die hiesigen Forsten sind nur zu einem Viertel Buchen-
und zu drei Vierteln Kiefernwald — steht niedrig im Preise. Es wurde ehe¬
mals auf der Wipper nach der Ostsee verstößt, wo es, vom Zimmermann in
Eisenbahnschwellen verwandelt, nach England verschifft wurde. Viel Nutzen
aber warf dieser Handel den Gutsbesitzern nicht ab, und dasselbe war mit den
jetzt eingegangenen Glashütten in Chomitz und Misdow der Fall: sie lieferten
recht gute Fensterscheiben, fraßen aber unleidlich viel schönes Holz, sodaß ihr
Produkt sich nur sehr mittelmäßig verwerthete. Eine bessere Verwendung seines
Holzertrags und zugleich eine einträgliche Verwerthung seiner Wasserkraft hat
der Herr von Varzin in den drei Mühlen an der Wipper gefunden, welche
mit sinnreichen Maschinen aus Kiefernklötzen Holzbrei und aus diesem ein
starkes Papier bereiten, das theils in seiner braunen Naturfarbe, theils roth
oder blau gefärbt in den Handel kommt und zum Verpacken von Waaren be¬
nutzt wird. Die Eisenbahn zwischen Stolp und Rummelsburg, welche, 1877
noch im Bau begriffen, jetzt ihre Güterzüge durch das Varziner Gebiet sendet
und die Verbindung zwischen Hinterpommern und Posen herzustellen bestimmt
ist, hat selbstverständlich den Werth eines Theils der hiesigen Produkte durch
die Möglichkeit wohlfeiler und rascher Versendung derselben gesteigert, und in
nicht gar langer Zeit werden die Holzpapiermühlen, von deren Unternehmern
der Fürst schon gegenwärtig einen erheblichen Pachtschilling für die von ihnen
benutzte Wasserkraft erhebt, vertragsmäßig mit allem ihrem Zubehör integrirendc
Theile der Herrschaft werden. Jener Pachtschilling allein stellt den jährlichen
Ueberschuß der Einnahmen aus dem Güterkomplex über die Kosten dar so
fügte man mir. Das war aber wohl nur so gemeint, daß andere Ueberschüsse,
die allerdings vergleichsweise nicht sehr ins Gewicht fallen können, von den
erwähnten Ameliorationen des Landes, Drainagen, Berieselungen, Schonungen
u. tgi. aufgezehrt werden. Dabei bleibt dem gegenwärtigen Besitzer in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/538>, abgerufen am 27.07.2024.