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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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der Mattigkeit der Kameele zurückgelassen hatte, nachzulassen. Dann führte
der Weg in die Gebirge Tibesti's, zunächst in die Landschaft AfZ.si.

Leider konnten die bitteren Erfahrungen der letzten Reisetage es nicht ver¬
hüten, daß die Reisenden wenige Tage darauf noch einmal in empfindlichen
Wassermangel geriethen, der aber nicht den hohen Grad des ersten erreichte,
sondern mit einer beschleunigteren Rettung abschloß. Bald aber sollten an
Stelle dieser Noth andere Bedrängnisse treten, die in der unersättlichen Hab¬
gier und dem schimpflichen Verhalten der Begleiter, soweit sie dem Tubu-Stamme
angehörten, ihre Wurzel hatten. Das nächste Reiseziel, Wo, eine der wichti¬
geren Ortschaften des Tibesti-Landes, wurde noch ohne weiteren Unfall erreicht
und daselbst mit den Verwandten Bu Zelts nähere Beziehungen angeknüpft.
Da aber ausgedehntere Dattelpalmenzucht und Gartenkultur sich nur in den
östlicheren Thälern in der Nähe von Bardai vorfanden und die Dattelernte für
die nächste Zeit bevorstand, so waren schon viele Leute auch aus dem anderen
Hauptorte Zuar nach Bardai' gewandert, und es war zu befürchten, daß, wenn
Nachtigal seine Reise nach der oben genannten Residenz des Dardai Tafertemi,
des obersten Herrschers des Landes, nicht beschleunigte, er diesen sowie die
übrigen Tubu-Edlen nicht mehr antreffen würde. Noch ehe der Reisende in
Znar ankam, erhielt er die Nachricht, daß der Dardal bereits nach Bardai
aufgebrochen sei, die meisten Edlen jedoch in Zuar zurückgeblieben seien. Nach
Verlauf einiger Zeit erschienen diese Edelleute selbst, "die mehr einer Bande
verhungerter und zerlumpter Banditen ähnelten als einer Versammlung der
Vornehmsten ihres Stammes", nicht nur zur Begrüßung, sondern auch um
sich deu Genuß einer warmen Mahlzeit zu verschaffen und die ohnehin nicht
reichen Lebensmittelvvrräthe des Fremdlings bedenklich zu schmälern, zugleich
aber auch um die Gaben in Empfang zu nehmen, die sie als eine Art Durch-
gangszoll für sich beanspruchen zu dürfen glaubten. Ihre Forderungen waren
viel höher, als Nachtigal sie gewähren wollte und konnte, und eist nach end¬
losen Unterhandlungen, die eine wenig erbauliche Vorstellung von der ränke¬
vollen Schlauheit, blutsaugerischen Habgier und schlecht verhehlten Feindseligkeit
der rauhen Felsenbewohner gaben, ließen sie sich auf eine Art Einigung ein,
wobei sie aber soviel als möglich von dem Reisenden, der ja ganz in ihrer
Gewalt war, erpreßten. Ein Glück war es immer noch, daß sich der that¬
sächlich mächtigste Mann des Landes, Namens Arami, anfangs von einer etwas
günstigeren Seite als seine übrigen Landsleute zeigte und sich verpflichtete, dem
Fremdling -- natürlich gegen angemessene Entschädigung -- Schutz und Ver¬
pflegung zu Theil werden zu lassen, ihn nach Barden zu geleiten und dort
günstige Beziehungen zu dem Dardai zu vermitteln.

Was dem Reisenden aber anfangs Befreiung aus der unerquicklichen Lage


der Mattigkeit der Kameele zurückgelassen hatte, nachzulassen. Dann führte
der Weg in die Gebirge Tibesti's, zunächst in die Landschaft AfZ.si.

Leider konnten die bitteren Erfahrungen der letzten Reisetage es nicht ver¬
hüten, daß die Reisenden wenige Tage darauf noch einmal in empfindlichen
Wassermangel geriethen, der aber nicht den hohen Grad des ersten erreichte,
sondern mit einer beschleunigteren Rettung abschloß. Bald aber sollten an
Stelle dieser Noth andere Bedrängnisse treten, die in der unersättlichen Hab¬
gier und dem schimpflichen Verhalten der Begleiter, soweit sie dem Tubu-Stamme
angehörten, ihre Wurzel hatten. Das nächste Reiseziel, Wo, eine der wichti¬
geren Ortschaften des Tibesti-Landes, wurde noch ohne weiteren Unfall erreicht
und daselbst mit den Verwandten Bu Zelts nähere Beziehungen angeknüpft.
Da aber ausgedehntere Dattelpalmenzucht und Gartenkultur sich nur in den
östlicheren Thälern in der Nähe von Bardai vorfanden und die Dattelernte für
die nächste Zeit bevorstand, so waren schon viele Leute auch aus dem anderen
Hauptorte Zuar nach Bardai' gewandert, und es war zu befürchten, daß, wenn
Nachtigal seine Reise nach der oben genannten Residenz des Dardai Tafertemi,
des obersten Herrschers des Landes, nicht beschleunigte, er diesen sowie die
übrigen Tubu-Edlen nicht mehr antreffen würde. Noch ehe der Reisende in
Znar ankam, erhielt er die Nachricht, daß der Dardal bereits nach Bardai
aufgebrochen sei, die meisten Edlen jedoch in Zuar zurückgeblieben seien. Nach
Verlauf einiger Zeit erschienen diese Edelleute selbst, „die mehr einer Bande
verhungerter und zerlumpter Banditen ähnelten als einer Versammlung der
Vornehmsten ihres Stammes", nicht nur zur Begrüßung, sondern auch um
sich deu Genuß einer warmen Mahlzeit zu verschaffen und die ohnehin nicht
reichen Lebensmittelvvrräthe des Fremdlings bedenklich zu schmälern, zugleich
aber auch um die Gaben in Empfang zu nehmen, die sie als eine Art Durch-
gangszoll für sich beanspruchen zu dürfen glaubten. Ihre Forderungen waren
viel höher, als Nachtigal sie gewähren wollte und konnte, und eist nach end¬
losen Unterhandlungen, die eine wenig erbauliche Vorstellung von der ränke¬
vollen Schlauheit, blutsaugerischen Habgier und schlecht verhehlten Feindseligkeit
der rauhen Felsenbewohner gaben, ließen sie sich auf eine Art Einigung ein,
wobei sie aber soviel als möglich von dem Reisenden, der ja ganz in ihrer
Gewalt war, erpreßten. Ein Glück war es immer noch, daß sich der that¬
sächlich mächtigste Mann des Landes, Namens Arami, anfangs von einer etwas
günstigeren Seite als seine übrigen Landsleute zeigte und sich verpflichtete, dem
Fremdling — natürlich gegen angemessene Entschädigung — Schutz und Ver¬
pflegung zu Theil werden zu lassen, ihn nach Barden zu geleiten und dort
günstige Beziehungen zu dem Dardai zu vermitteln.

Was dem Reisenden aber anfangs Befreiung aus der unerquicklichen Lage


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[0532] der Mattigkeit der Kameele zurückgelassen hatte, nachzulassen. Dann führte der Weg in die Gebirge Tibesti's, zunächst in die Landschaft AfZ.si. Leider konnten die bitteren Erfahrungen der letzten Reisetage es nicht ver¬ hüten, daß die Reisenden wenige Tage darauf noch einmal in empfindlichen Wassermangel geriethen, der aber nicht den hohen Grad des ersten erreichte, sondern mit einer beschleunigteren Rettung abschloß. Bald aber sollten an Stelle dieser Noth andere Bedrängnisse treten, die in der unersättlichen Hab¬ gier und dem schimpflichen Verhalten der Begleiter, soweit sie dem Tubu-Stamme angehörten, ihre Wurzel hatten. Das nächste Reiseziel, Wo, eine der wichti¬ geren Ortschaften des Tibesti-Landes, wurde noch ohne weiteren Unfall erreicht und daselbst mit den Verwandten Bu Zelts nähere Beziehungen angeknüpft. Da aber ausgedehntere Dattelpalmenzucht und Gartenkultur sich nur in den östlicheren Thälern in der Nähe von Bardai vorfanden und die Dattelernte für die nächste Zeit bevorstand, so waren schon viele Leute auch aus dem anderen Hauptorte Zuar nach Bardai' gewandert, und es war zu befürchten, daß, wenn Nachtigal seine Reise nach der oben genannten Residenz des Dardai Tafertemi, des obersten Herrschers des Landes, nicht beschleunigte, er diesen sowie die übrigen Tubu-Edlen nicht mehr antreffen würde. Noch ehe der Reisende in Znar ankam, erhielt er die Nachricht, daß der Dardal bereits nach Bardai aufgebrochen sei, die meisten Edlen jedoch in Zuar zurückgeblieben seien. Nach Verlauf einiger Zeit erschienen diese Edelleute selbst, „die mehr einer Bande verhungerter und zerlumpter Banditen ähnelten als einer Versammlung der Vornehmsten ihres Stammes", nicht nur zur Begrüßung, sondern auch um sich deu Genuß einer warmen Mahlzeit zu verschaffen und die ohnehin nicht reichen Lebensmittelvvrräthe des Fremdlings bedenklich zu schmälern, zugleich aber auch um die Gaben in Empfang zu nehmen, die sie als eine Art Durch- gangszoll für sich beanspruchen zu dürfen glaubten. Ihre Forderungen waren viel höher, als Nachtigal sie gewähren wollte und konnte, und eist nach end¬ losen Unterhandlungen, die eine wenig erbauliche Vorstellung von der ränke¬ vollen Schlauheit, blutsaugerischen Habgier und schlecht verhehlten Feindseligkeit der rauhen Felsenbewohner gaben, ließen sie sich auf eine Art Einigung ein, wobei sie aber soviel als möglich von dem Reisenden, der ja ganz in ihrer Gewalt war, erpreßten. Ein Glück war es immer noch, daß sich der that¬ sächlich mächtigste Mann des Landes, Namens Arami, anfangs von einer etwas günstigeren Seite als seine übrigen Landsleute zeigte und sich verpflichtete, dem Fremdling — natürlich gegen angemessene Entschädigung — Schutz und Ver¬ pflegung zu Theil werden zu lassen, ihn nach Barden zu geleiten und dort günstige Beziehungen zu dem Dardai zu vermitteln. Was dem Reisenden aber anfangs Befreiung aus der unerquicklichen Lage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/532>, abgerufen am 27.11.2024.