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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Hauptstadt FezzSns sah er sich deshalb genöthigt, weil er warten mußte, bis
sich eine größere Karawane nach Born" zusammengefunden. Nachdem einmal
die unvermeidlichen Besuche bei großen und kleinen Würdenträgern gemacht waren,
verliefen ihm die Tage in einförmiger Regelmäßigkeit. Während der Vor¬
mittagsstunden bereitete er sich mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln für
die weitere Reise vor, studirte die Bornusprache, registirte meteorologische Be¬
obachtungen, behandelte oft recht uninteressante Kranke und empfing Besuche, die
selten fruchtbringend waren. Die Abende verbrachte er anfangs in der Regel
in Gesellschaft von Frl. Tinne, bis diese durch das höchst ungesunde Klima
Mursuks in eine schwere Krankheit verfiel, von der sie durch die Bemü¬
hungen ihres ärztlichen Freundes nur langsam genaß. So reizvoll sich im
übrigen das Leben auch gestaltete, so brachte es doch auch durch seine Unge¬
wohntheit, durch den Mangel an zusagenden Nahrungsmitteln und an genügen¬
der Beschäftigung manche Unannehmlichkeiten und Beschwerden mit sich. Da
die nächste Karawane nach Bornu unter einem halben Jahre nicht abging, so
verhandelte er mit Fräulein Tinne nach ihrer Wiederherstellung über gemein¬
schaftliche Reisepläne, konnte aber zu keiner Einigung mit ihr gelangen, da sie
das Land der TMrik besuchen wollte, er dagegen an dem Entschlüsse fest hielt,
eine Reise in südöstlicher Richtung nach Tibesti in das Land der Tubu zu
unternehmen, obwohl alle Kundigen ihm den Charakter jener Leute in wenig
ermuthigender Weise schilderten und ihn von diesem Vorhaben abzubringen
suchten. Indeß "abgesehen davon," sagte er selbst, "daß in Mursuk meiner nur
Fieber, Hitze, Staub und ertödtende Einförmigkeit warteten, war es eine
Ehrensache für mich, nicht ein halbes, vielleicht sogar ein ganzes Jahr thatlos
liegen zu bleiben. Um in dem 'von wissenschaftlichen Männern durchreisten
Fezzän die wenigen hundert Thaler, welche ich mein eigen nannte, zu Exkur¬
sionen zu verwenden, dazu versprachen diese nicht Resultate genug, während
selbst eine unwissenschaftliche Reise nach Tibesti eine lohnende Ausbeute verhieß."
Obwohl die eben genannte Felsenlandschaft dem Zentrum von FezzSn so nahe
liegt, daß sie in verhältnißmäßig kurzer Zeit erreicht werden kann, unternahmen
die Fezzaner selbst wegen des bösartigen Charakters der Einwohner die Reise
höchst selten, geschweige denn daß ein Europäer aus gleichen Gründen zu einer
Erforschung derselben sich hätte entschließen können; Moritz v. Beurmann, der
bereits mit einigen Einheimischen Kontrakte zur Bereisung des Gebietes abge¬
schlossen, hatte wegen deren Unzuverlässigkeit und Wortbrüchigkeit auf sein Vor¬
haben verzichten müssen.

Nachtigal ließ sich durch nichts abschrecken, die einleitenden Schritte zu
thun, und behielt sein Projekt sest und muthig im Auge. Mit Hilfe der Mur-
suker Behörden wurden Verhandlungen mit dem Hadsch DsckMer in Katrün


Hauptstadt FezzSns sah er sich deshalb genöthigt, weil er warten mußte, bis
sich eine größere Karawane nach Born» zusammengefunden. Nachdem einmal
die unvermeidlichen Besuche bei großen und kleinen Würdenträgern gemacht waren,
verliefen ihm die Tage in einförmiger Regelmäßigkeit. Während der Vor¬
mittagsstunden bereitete er sich mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln für
die weitere Reise vor, studirte die Bornusprache, registirte meteorologische Be¬
obachtungen, behandelte oft recht uninteressante Kranke und empfing Besuche, die
selten fruchtbringend waren. Die Abende verbrachte er anfangs in der Regel
in Gesellschaft von Frl. Tinne, bis diese durch das höchst ungesunde Klima
Mursuks in eine schwere Krankheit verfiel, von der sie durch die Bemü¬
hungen ihres ärztlichen Freundes nur langsam genaß. So reizvoll sich im
übrigen das Leben auch gestaltete, so brachte es doch auch durch seine Unge¬
wohntheit, durch den Mangel an zusagenden Nahrungsmitteln und an genügen¬
der Beschäftigung manche Unannehmlichkeiten und Beschwerden mit sich. Da
die nächste Karawane nach Bornu unter einem halben Jahre nicht abging, so
verhandelte er mit Fräulein Tinne nach ihrer Wiederherstellung über gemein¬
schaftliche Reisepläne, konnte aber zu keiner Einigung mit ihr gelangen, da sie
das Land der TMrik besuchen wollte, er dagegen an dem Entschlüsse fest hielt,
eine Reise in südöstlicher Richtung nach Tibesti in das Land der Tubu zu
unternehmen, obwohl alle Kundigen ihm den Charakter jener Leute in wenig
ermuthigender Weise schilderten und ihn von diesem Vorhaben abzubringen
suchten. Indeß „abgesehen davon," sagte er selbst, „daß in Mursuk meiner nur
Fieber, Hitze, Staub und ertödtende Einförmigkeit warteten, war es eine
Ehrensache für mich, nicht ein halbes, vielleicht sogar ein ganzes Jahr thatlos
liegen zu bleiben. Um in dem 'von wissenschaftlichen Männern durchreisten
Fezzän die wenigen hundert Thaler, welche ich mein eigen nannte, zu Exkur¬
sionen zu verwenden, dazu versprachen diese nicht Resultate genug, während
selbst eine unwissenschaftliche Reise nach Tibesti eine lohnende Ausbeute verhieß."
Obwohl die eben genannte Felsenlandschaft dem Zentrum von FezzSn so nahe
liegt, daß sie in verhältnißmäßig kurzer Zeit erreicht werden kann, unternahmen
die Fezzaner selbst wegen des bösartigen Charakters der Einwohner die Reise
höchst selten, geschweige denn daß ein Europäer aus gleichen Gründen zu einer
Erforschung derselben sich hätte entschließen können; Moritz v. Beurmann, der
bereits mit einigen Einheimischen Kontrakte zur Bereisung des Gebietes abge¬
schlossen, hatte wegen deren Unzuverlässigkeit und Wortbrüchigkeit auf sein Vor¬
haben verzichten müssen.

Nachtigal ließ sich durch nichts abschrecken, die einleitenden Schritte zu
thun, und behielt sein Projekt sest und muthig im Auge. Mit Hilfe der Mur-
suker Behörden wurden Verhandlungen mit dem Hadsch DsckMer in Katrün


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[0528] Hauptstadt FezzSns sah er sich deshalb genöthigt, weil er warten mußte, bis sich eine größere Karawane nach Born» zusammengefunden. Nachdem einmal die unvermeidlichen Besuche bei großen und kleinen Würdenträgern gemacht waren, verliefen ihm die Tage in einförmiger Regelmäßigkeit. Während der Vor¬ mittagsstunden bereitete er sich mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln für die weitere Reise vor, studirte die Bornusprache, registirte meteorologische Be¬ obachtungen, behandelte oft recht uninteressante Kranke und empfing Besuche, die selten fruchtbringend waren. Die Abende verbrachte er anfangs in der Regel in Gesellschaft von Frl. Tinne, bis diese durch das höchst ungesunde Klima Mursuks in eine schwere Krankheit verfiel, von der sie durch die Bemü¬ hungen ihres ärztlichen Freundes nur langsam genaß. So reizvoll sich im übrigen das Leben auch gestaltete, so brachte es doch auch durch seine Unge¬ wohntheit, durch den Mangel an zusagenden Nahrungsmitteln und an genügen¬ der Beschäftigung manche Unannehmlichkeiten und Beschwerden mit sich. Da die nächste Karawane nach Bornu unter einem halben Jahre nicht abging, so verhandelte er mit Fräulein Tinne nach ihrer Wiederherstellung über gemein¬ schaftliche Reisepläne, konnte aber zu keiner Einigung mit ihr gelangen, da sie das Land der TMrik besuchen wollte, er dagegen an dem Entschlüsse fest hielt, eine Reise in südöstlicher Richtung nach Tibesti in das Land der Tubu zu unternehmen, obwohl alle Kundigen ihm den Charakter jener Leute in wenig ermuthigender Weise schilderten und ihn von diesem Vorhaben abzubringen suchten. Indeß „abgesehen davon," sagte er selbst, „daß in Mursuk meiner nur Fieber, Hitze, Staub und ertödtende Einförmigkeit warteten, war es eine Ehrensache für mich, nicht ein halbes, vielleicht sogar ein ganzes Jahr thatlos liegen zu bleiben. Um in dem 'von wissenschaftlichen Männern durchreisten Fezzän die wenigen hundert Thaler, welche ich mein eigen nannte, zu Exkur¬ sionen zu verwenden, dazu versprachen diese nicht Resultate genug, während selbst eine unwissenschaftliche Reise nach Tibesti eine lohnende Ausbeute verhieß." Obwohl die eben genannte Felsenlandschaft dem Zentrum von FezzSn so nahe liegt, daß sie in verhältnißmäßig kurzer Zeit erreicht werden kann, unternahmen die Fezzaner selbst wegen des bösartigen Charakters der Einwohner die Reise höchst selten, geschweige denn daß ein Europäer aus gleichen Gründen zu einer Erforschung derselben sich hätte entschließen können; Moritz v. Beurmann, der bereits mit einigen Einheimischen Kontrakte zur Bereisung des Gebietes abge¬ schlossen, hatte wegen deren Unzuverlässigkeit und Wortbrüchigkeit auf sein Vor¬ haben verzichten müssen. Nachtigal ließ sich durch nichts abschrecken, die einleitenden Schritte zu thun, und behielt sein Projekt sest und muthig im Auge. Mit Hilfe der Mur- suker Behörden wurden Verhandlungen mit dem Hadsch DsckMer in Katrün

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/528>, abgerufen am 27.07.2024.