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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Horden Tripolitaniens an. Letztere hatten für den Reisenden die allerdings
wenig erquickliche Folge, daß er den verschiedenen Regierungspersönlichkeiten,
Sternen erster bis dritter Größe, Höflichkeitsbesuche machen mußte, die wie
überall gleichmäßig und langweilig verliefen. Endlich waren die Vorbereitungen
zum Abschluß gekommen: zu den bereits erwähnten Proviantvorräthen waren
inzwischen noch andere nothwendige Reisebedürfnisse getreten: Hammelfett, Salz
und Pfeffer, Cigarren, Tabak und Zündhölzer, Thee, Kaffee, Chokolade und
Fleischextrakt, nicht zu vergessen einige hundert Maria Theresia-Thaler, die in
jenen Gegenden gangbarste Münze, und einen entsprechenden Beutel arabischen
Kleingeldes.

Das nächste Ziel der Reise war Mursuk, die Hauptstadt von Fezzän.
Zwei Straßen führen dahin, die eine über Dschebel GharMn und Misda fast
in direkt südlicher Richtung ist die kürzere und war seiner Zeit von Richardson,
Barth, Overweg und Rohlfs benutzt worden, während die andere, die besonders
im Anfange erheblich nach Osten abbiegt, durch Lyon, Vogel und Duveyrier
bekannt geworden war. Letztere gilt als die eigentliche Karawanen- und Post-
straße, da sie in regelmäßigen Zwischenräumen Quellen besitzt, in Ben! Wd,
Bü Ndschelm SSkna, Sebha sowie einigen kleineren Oasen erwünschte Zwischen¬
stationen bietet und eine gewisse Sicherheit wegen des häufigeren Verkehrs
gewährleistet. Allerdings erfordert sie etwa 30 Reisetage, während die west¬
liche Route sich in wenig mehr als 20 Tagen zurücklegen läßt; die letztere
schreckt aber durch den Mangel an Städten und Dörfern ab, durch große
wasserlose Strecken, endlich auch durch hin und wieder sich zeigende Wüsten-
rüuber. So wählte Nachtigal die östliche, längere Straße und trat seinen
Marsch am 18. Februar 1869 an, nachdem die näheren Freunde ihn ein Stück
begleitet und ihm zum letzten Male Glück und Heil gewünscht hatten. Die
Reise vollzog sich mit Berührung der eben genannten Oasen, da Nachtigal aus
verschiedenen Gründen auf den größeren Stationen zwei, auch drei Tage
Aufenthalt nahm, ohne besonderen Zwischenfall in 37 Tagen; am 27. März
langte die Karawane vor den Thoren von Mursuk an.

Hier erwartete ihn H^thes BrAM Ben AMa, die wichtigste Persönlichkeit
in FezzS-n, an den Nachtigal Empfehlungen hatte, und führte ihn in die Stadt,
half ihm mit einheimischen Größen sich bekannt machen und leistete ihm
überhaupt sowohl für den Aufenthalt in Mursuk, der sich vom 27. März bis
zum 5. Juni ausdehnte, als auch bei den weiteren Unternehmungen wesentliche
Dienste. Unter andern hatte Nachtigal hier Gelegenheit, die schon in Tripolis
gemachte Bekanntschaft mit Fräulein Alexandrine Tinne zu erneueren, jener
muthigen Reisenden, die bald darauf einen grausamen Tod durch die raub¬
gierigen, treulosen TuÄrik finden sollte. Zu einem längeren Verweilen in der


Grenzboten Hi. 1S79. 67

Horden Tripolitaniens an. Letztere hatten für den Reisenden die allerdings
wenig erquickliche Folge, daß er den verschiedenen Regierungspersönlichkeiten,
Sternen erster bis dritter Größe, Höflichkeitsbesuche machen mußte, die wie
überall gleichmäßig und langweilig verliefen. Endlich waren die Vorbereitungen
zum Abschluß gekommen: zu den bereits erwähnten Proviantvorräthen waren
inzwischen noch andere nothwendige Reisebedürfnisse getreten: Hammelfett, Salz
und Pfeffer, Cigarren, Tabak und Zündhölzer, Thee, Kaffee, Chokolade und
Fleischextrakt, nicht zu vergessen einige hundert Maria Theresia-Thaler, die in
jenen Gegenden gangbarste Münze, und einen entsprechenden Beutel arabischen
Kleingeldes.

Das nächste Ziel der Reise war Mursuk, die Hauptstadt von Fezzän.
Zwei Straßen führen dahin, die eine über Dschebel GharMn und Misda fast
in direkt südlicher Richtung ist die kürzere und war seiner Zeit von Richardson,
Barth, Overweg und Rohlfs benutzt worden, während die andere, die besonders
im Anfange erheblich nach Osten abbiegt, durch Lyon, Vogel und Duveyrier
bekannt geworden war. Letztere gilt als die eigentliche Karawanen- und Post-
straße, da sie in regelmäßigen Zwischenräumen Quellen besitzt, in Ben! Wd,
Bü Ndschelm SSkna, Sebha sowie einigen kleineren Oasen erwünschte Zwischen¬
stationen bietet und eine gewisse Sicherheit wegen des häufigeren Verkehrs
gewährleistet. Allerdings erfordert sie etwa 30 Reisetage, während die west¬
liche Route sich in wenig mehr als 20 Tagen zurücklegen läßt; die letztere
schreckt aber durch den Mangel an Städten und Dörfern ab, durch große
wasserlose Strecken, endlich auch durch hin und wieder sich zeigende Wüsten-
rüuber. So wählte Nachtigal die östliche, längere Straße und trat seinen
Marsch am 18. Februar 1869 an, nachdem die näheren Freunde ihn ein Stück
begleitet und ihm zum letzten Male Glück und Heil gewünscht hatten. Die
Reise vollzog sich mit Berührung der eben genannten Oasen, da Nachtigal aus
verschiedenen Gründen auf den größeren Stationen zwei, auch drei Tage
Aufenthalt nahm, ohne besonderen Zwischenfall in 37 Tagen; am 27. März
langte die Karawane vor den Thoren von Mursuk an.

Hier erwartete ihn H^thes BrAM Ben AMa, die wichtigste Persönlichkeit
in FezzS-n, an den Nachtigal Empfehlungen hatte, und führte ihn in die Stadt,
half ihm mit einheimischen Größen sich bekannt machen und leistete ihm
überhaupt sowohl für den Aufenthalt in Mursuk, der sich vom 27. März bis
zum 5. Juni ausdehnte, als auch bei den weiteren Unternehmungen wesentliche
Dienste. Unter andern hatte Nachtigal hier Gelegenheit, die schon in Tripolis
gemachte Bekanntschaft mit Fräulein Alexandrine Tinne zu erneueren, jener
muthigen Reisenden, die bald darauf einen grausamen Tod durch die raub¬
gierigen, treulosen TuÄrik finden sollte. Zu einem längeren Verweilen in der


Grenzboten Hi. 1S79. 67
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[0527] Horden Tripolitaniens an. Letztere hatten für den Reisenden die allerdings wenig erquickliche Folge, daß er den verschiedenen Regierungspersönlichkeiten, Sternen erster bis dritter Größe, Höflichkeitsbesuche machen mußte, die wie überall gleichmäßig und langweilig verliefen. Endlich waren die Vorbereitungen zum Abschluß gekommen: zu den bereits erwähnten Proviantvorräthen waren inzwischen noch andere nothwendige Reisebedürfnisse getreten: Hammelfett, Salz und Pfeffer, Cigarren, Tabak und Zündhölzer, Thee, Kaffee, Chokolade und Fleischextrakt, nicht zu vergessen einige hundert Maria Theresia-Thaler, die in jenen Gegenden gangbarste Münze, und einen entsprechenden Beutel arabischen Kleingeldes. Das nächste Ziel der Reise war Mursuk, die Hauptstadt von Fezzän. Zwei Straßen führen dahin, die eine über Dschebel GharMn und Misda fast in direkt südlicher Richtung ist die kürzere und war seiner Zeit von Richardson, Barth, Overweg und Rohlfs benutzt worden, während die andere, die besonders im Anfange erheblich nach Osten abbiegt, durch Lyon, Vogel und Duveyrier bekannt geworden war. Letztere gilt als die eigentliche Karawanen- und Post- straße, da sie in regelmäßigen Zwischenräumen Quellen besitzt, in Ben! Wd, Bü Ndschelm SSkna, Sebha sowie einigen kleineren Oasen erwünschte Zwischen¬ stationen bietet und eine gewisse Sicherheit wegen des häufigeren Verkehrs gewährleistet. Allerdings erfordert sie etwa 30 Reisetage, während die west¬ liche Route sich in wenig mehr als 20 Tagen zurücklegen läßt; die letztere schreckt aber durch den Mangel an Städten und Dörfern ab, durch große wasserlose Strecken, endlich auch durch hin und wieder sich zeigende Wüsten- rüuber. So wählte Nachtigal die östliche, längere Straße und trat seinen Marsch am 18. Februar 1869 an, nachdem die näheren Freunde ihn ein Stück begleitet und ihm zum letzten Male Glück und Heil gewünscht hatten. Die Reise vollzog sich mit Berührung der eben genannten Oasen, da Nachtigal aus verschiedenen Gründen auf den größeren Stationen zwei, auch drei Tage Aufenthalt nahm, ohne besonderen Zwischenfall in 37 Tagen; am 27. März langte die Karawane vor den Thoren von Mursuk an. Hier erwartete ihn H^thes BrAM Ben AMa, die wichtigste Persönlichkeit in FezzS-n, an den Nachtigal Empfehlungen hatte, und führte ihn in die Stadt, half ihm mit einheimischen Größen sich bekannt machen und leistete ihm überhaupt sowohl für den Aufenthalt in Mursuk, der sich vom 27. März bis zum 5. Juni ausdehnte, als auch bei den weiteren Unternehmungen wesentliche Dienste. Unter andern hatte Nachtigal hier Gelegenheit, die schon in Tripolis gemachte Bekanntschaft mit Fräulein Alexandrine Tinne zu erneueren, jener muthigen Reisenden, die bald darauf einen grausamen Tod durch die raub¬ gierigen, treulosen TuÄrik finden sollte. Zu einem längeren Verweilen in der Grenzboten Hi. 1S79. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/527>, abgerufen am 01.09.2024.