Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.könig Erich seine Waffen gegen die norddeutschen Städte kehrte, wandte Wir haben uns absichtlich bei den einleitenden Kapiteln unsres Buches Die wendischen Städte hatten sich von den Schlägen, die ihnen König könig Erich seine Waffen gegen die norddeutschen Städte kehrte, wandte Wir haben uns absichtlich bei den einleitenden Kapiteln unsres Buches Die wendischen Städte hatten sich von den Schlägen, die ihnen König <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142988"/> <p xml:id="ID_1466" prev="#ID_1465"> könig Erich seine Waffen gegen die norddeutschen Städte kehrte, wandte<lb/> sich ihr Haupt, Lübeck, von den holsteinischen Grafen, von denen es damals<lb/> bedroht und bedrängt war, ab und nahm jenen als Schutzherrn an. Recht<lb/> deutlich bemerkt man, wie wenig man nationale Gesichtspunkte kannte; ein<lb/> Wunder ist es eben nicht, denn die norddeutschen Städte standen Kaiser und<lb/> Reich in der That uicht näher als den Königen Dänemark's. Hatten doch<lb/> sowohl König Friedrich II. als König Albrecht ohne Bedenken den Dänen¬<lb/> königen den Besitz aller Eroberungen ans deutschem Boden bestätigt. Auch uicht<lb/> einmal der Pflichten, welche die Gemeinsamkeit der Interessen einer großen<lb/> Gemeinschaft auferlegt, war man sich bewußt. Um den Eroberungskrieg, den<lb/> der Dänenkönig im Bunde mit den mächtigsten norddeutschen Fürsten gegen die<lb/> ihm bisher so nahe stehenden „wendischen" Städte führte, kümmerte sich Lübeck<lb/> wenig und ließ es geschehen, daß eine Stadt nach der andern erlag. Das<lb/> lose Band, das die norddeutschen Städte umschloß, war lockerer als je, als<lb/> 1319 der Tod der kühnen Eroberungspolitik Erich's ein Ende machte. Hatte<lb/> sie schon dem Lande im Innern schweren Schaden zugefügt, so zerfiel es unter<lb/> seinem schwachen Nachfolger noch schneller, zumal da demselben im Grafen<lb/> Gerhard von Rendsburg, einer der hervorragendsten Personen, die Holstein<lb/> je hervorgebracht, ein Feind entstand, der in kurzem das Laud völlig beherrschte.<lb/> Erst sein Tod (1340) öffnete denjenigen Manne den Weg zum Throne, dessen<lb/> Persönlichkeit fortan im Vordergrunde der Darstellung steht: Waldemar Atterdag.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467"> Wir haben uns absichtlich bei den einleitenden Kapiteln unsres Buches<lb/> etwas länger aufgehalten; kürzer müssen wir uns über den Haupttheil des<lb/> Werkes fassen. Zwar kommt gerade hier die gediegene, methodische Forschung<lb/> vorzugsweise zur Geltung, durch die das ganze Buch sich auszeichnet. Außer<lb/> den deutschen sind namentlich auch die nordischen Quellen in der umfassendsten<lb/> Weise benutzt worden. Allein es wäre eine schwierige Aufgabe, mit wenigen<lb/> Zügen den Leser in die Irrwege nordischer Politik einzuführen, dürfte auch<lb/> den Zwecken dieser Zeitschrift nicht ganz entsprechen. Wir beschränken uns<lb/> daher auf die äußersten Umrisse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1468" next="#ID_1469"> Die wendischen Städte hatten sich von den Schlägen, die ihnen König<lb/> Erich zugefügt, erholt; im Kampfe gegen See- und Landräuber fanden sie<lb/> ihre Einigkeit wieder. Nicht zum wenigsten mit ihrer Hilfe gelang es Wal¬<lb/> demar, ein Stück des alten Dünenreiches nach dem andern wieder zurückzn-<lb/> erwerben. 20 Jahre, nachdem er den Thron bestiegen, nannte er den größten<lb/> Theil des Landes wieder sein eigen. Er hatte in der That Dünemark von<lb/> dem drohenden Untergänge gerettet, aber freilich mit allen Mitteln einer rück¬<lb/> sichtslosen Eroberungspolitik. Daß diese Eroberungspolitik über kurz oder lang</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
könig Erich seine Waffen gegen die norddeutschen Städte kehrte, wandte
sich ihr Haupt, Lübeck, von den holsteinischen Grafen, von denen es damals
bedroht und bedrängt war, ab und nahm jenen als Schutzherrn an. Recht
deutlich bemerkt man, wie wenig man nationale Gesichtspunkte kannte; ein
Wunder ist es eben nicht, denn die norddeutschen Städte standen Kaiser und
Reich in der That uicht näher als den Königen Dänemark's. Hatten doch
sowohl König Friedrich II. als König Albrecht ohne Bedenken den Dänen¬
königen den Besitz aller Eroberungen ans deutschem Boden bestätigt. Auch uicht
einmal der Pflichten, welche die Gemeinsamkeit der Interessen einer großen
Gemeinschaft auferlegt, war man sich bewußt. Um den Eroberungskrieg, den
der Dänenkönig im Bunde mit den mächtigsten norddeutschen Fürsten gegen die
ihm bisher so nahe stehenden „wendischen" Städte führte, kümmerte sich Lübeck
wenig und ließ es geschehen, daß eine Stadt nach der andern erlag. Das
lose Band, das die norddeutschen Städte umschloß, war lockerer als je, als
1319 der Tod der kühnen Eroberungspolitik Erich's ein Ende machte. Hatte
sie schon dem Lande im Innern schweren Schaden zugefügt, so zerfiel es unter
seinem schwachen Nachfolger noch schneller, zumal da demselben im Grafen
Gerhard von Rendsburg, einer der hervorragendsten Personen, die Holstein
je hervorgebracht, ein Feind entstand, der in kurzem das Laud völlig beherrschte.
Erst sein Tod (1340) öffnete denjenigen Manne den Weg zum Throne, dessen
Persönlichkeit fortan im Vordergrunde der Darstellung steht: Waldemar Atterdag.
Wir haben uns absichtlich bei den einleitenden Kapiteln unsres Buches
etwas länger aufgehalten; kürzer müssen wir uns über den Haupttheil des
Werkes fassen. Zwar kommt gerade hier die gediegene, methodische Forschung
vorzugsweise zur Geltung, durch die das ganze Buch sich auszeichnet. Außer
den deutschen sind namentlich auch die nordischen Quellen in der umfassendsten
Weise benutzt worden. Allein es wäre eine schwierige Aufgabe, mit wenigen
Zügen den Leser in die Irrwege nordischer Politik einzuführen, dürfte auch
den Zwecken dieser Zeitschrift nicht ganz entsprechen. Wir beschränken uns
daher auf die äußersten Umrisse.
Die wendischen Städte hatten sich von den Schlägen, die ihnen König
Erich zugefügt, erholt; im Kampfe gegen See- und Landräuber fanden sie
ihre Einigkeit wieder. Nicht zum wenigsten mit ihrer Hilfe gelang es Wal¬
demar, ein Stück des alten Dünenreiches nach dem andern wieder zurückzn-
erwerben. 20 Jahre, nachdem er den Thron bestiegen, nannte er den größten
Theil des Landes wieder sein eigen. Er hatte in der That Dünemark von
dem drohenden Untergänge gerettet, aber freilich mit allen Mitteln einer rück¬
sichtslosen Eroberungspolitik. Daß diese Eroberungspolitik über kurz oder lang
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