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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Genossenschaft der Gotlaudsfahrer, d. h. der Kaufleute, die über Gotland han¬
delten. Das "Siegel des gemeinen Kaufmanns" hatte bereits weitreichende
Kraft, und Wisby war das anerkannte Haupt des Bundes.

Mehr und mehr trat indeß im Laufe des 13. Jahrhunderts Lübeck neben
Wisby, bis endlich Lübeck's Einfluß vollständig überwog. Theils handels¬
politische Gründe, die günstige Lage der Stadt, ihre großen Freiheiten, theils
auch die weite Verbreitung des Mischen Rechts wirkten zusammen, um die
Bedeutung der Stadt stetig wachsen zu lassen. Der Beschluß der Ostsee- und
der westfälischen Städte, daß künftig kein Siegel des gemeinen Kaufmanns auf
Gotland mehr gehalten werden solle (1299), bezeichnet den Zeitpunkt, in welchem
die Kraft der Städte so weit gewachsen war, daß sie jede Abhängigkeit von
ausländischen Verbindungen ablehnen und selbst die Leitung auch ihrer aus¬
wärtigen Verhältnisse übernehme" konnten. Lübeck fiel dabei von selbst die
Führerrolle zu.

Auch im Westen gewann Lübeck gleichzeitig Boden, trotz der festen Stellung,
die hier die westfälischen Städte, namentlich Köln, einnahmen. In London
entstand neben der alten Hanse der Kölner eine solche der Lübecker, und gegen
Ende des 13. Jahrhunderts kam eine Vereinigung der deutschen Kaufleute
zu Stande. Ebenso gewann die Niederlassung in Brügge eine hohe Bedeutung
als Vereinigungspunkt.

Das zweite Moment, das den Zusammenschluß der Hanse bewirkte, waren
spezielle Städtebündnisse, zum Schutze gegen die Territorialherren, zur Siche¬
rung der Landstraßen, Münz- und Haudelseinigungen, Zusagen über gegen¬
seitigen Rechtsschutz und dergl. in., wie sie auch in andern deutschen Ländern
geschlossen wurden. Die wichtigsten sind der förmliche Bund der wendischen
Städte (unlvörsitas) unter Lübeck's Vorortschaft und jener Vertrag von 1241
zwischen Hamburg und Lübeck zum Schutze der Straßen von der Elbe bis
zur Travemündung, der so lange für den eigentlichen Gründungsakt der Hanse
gegolten hat.

So sehen wir am Ende des 13. Jahrhunderts eine umfassende, aber sehr
lose Vereinigung bestehen, die sich um die Mittelpunkte Wisbh, Köln und
Lübeck gruppirt. Sie hat nicht einmal einen gemeinsamen Namen. Denn der
Ausdruck Hanse im spätern Sinne kommt nicht vor der Mitte des 14. Jahr¬
hunderts vor; was in England Hanse genannt wurde, hatte eine viel beschränktere
Bedeutung.

Es bedarf gewaltiger äußerer Anlässe, um aus dieser losen Vereinigung
den festen Bund zu schaffen, der dann anderthalb Jahrhunderte lang die erste
Großmacht des Nordens war. Die Kämpfe mit Dänemark gaben diese Anlässe.

Anfangs schienen sie freilich das Gegentheil zu bewirken. Als der Dänen-


Genossenschaft der Gotlaudsfahrer, d. h. der Kaufleute, die über Gotland han¬
delten. Das „Siegel des gemeinen Kaufmanns" hatte bereits weitreichende
Kraft, und Wisby war das anerkannte Haupt des Bundes.

Mehr und mehr trat indeß im Laufe des 13. Jahrhunderts Lübeck neben
Wisby, bis endlich Lübeck's Einfluß vollständig überwog. Theils handels¬
politische Gründe, die günstige Lage der Stadt, ihre großen Freiheiten, theils
auch die weite Verbreitung des Mischen Rechts wirkten zusammen, um die
Bedeutung der Stadt stetig wachsen zu lassen. Der Beschluß der Ostsee- und
der westfälischen Städte, daß künftig kein Siegel des gemeinen Kaufmanns auf
Gotland mehr gehalten werden solle (1299), bezeichnet den Zeitpunkt, in welchem
die Kraft der Städte so weit gewachsen war, daß sie jede Abhängigkeit von
ausländischen Verbindungen ablehnen und selbst die Leitung auch ihrer aus¬
wärtigen Verhältnisse übernehme» konnten. Lübeck fiel dabei von selbst die
Führerrolle zu.

Auch im Westen gewann Lübeck gleichzeitig Boden, trotz der festen Stellung,
die hier die westfälischen Städte, namentlich Köln, einnahmen. In London
entstand neben der alten Hanse der Kölner eine solche der Lübecker, und gegen
Ende des 13. Jahrhunderts kam eine Vereinigung der deutschen Kaufleute
zu Stande. Ebenso gewann die Niederlassung in Brügge eine hohe Bedeutung
als Vereinigungspunkt.

Das zweite Moment, das den Zusammenschluß der Hanse bewirkte, waren
spezielle Städtebündnisse, zum Schutze gegen die Territorialherren, zur Siche¬
rung der Landstraßen, Münz- und Haudelseinigungen, Zusagen über gegen¬
seitigen Rechtsschutz und dergl. in., wie sie auch in andern deutschen Ländern
geschlossen wurden. Die wichtigsten sind der förmliche Bund der wendischen
Städte (unlvörsitas) unter Lübeck's Vorortschaft und jener Vertrag von 1241
zwischen Hamburg und Lübeck zum Schutze der Straßen von der Elbe bis
zur Travemündung, der so lange für den eigentlichen Gründungsakt der Hanse
gegolten hat.

So sehen wir am Ende des 13. Jahrhunderts eine umfassende, aber sehr
lose Vereinigung bestehen, die sich um die Mittelpunkte Wisbh, Köln und
Lübeck gruppirt. Sie hat nicht einmal einen gemeinsamen Namen. Denn der
Ausdruck Hanse im spätern Sinne kommt nicht vor der Mitte des 14. Jahr¬
hunderts vor; was in England Hanse genannt wurde, hatte eine viel beschränktere
Bedeutung.

Es bedarf gewaltiger äußerer Anlässe, um aus dieser losen Vereinigung
den festen Bund zu schaffen, der dann anderthalb Jahrhunderte lang die erste
Großmacht des Nordens war. Die Kämpfe mit Dänemark gaben diese Anlässe.

Anfangs schienen sie freilich das Gegentheil zu bewirken. Als der Dänen-


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[0490] Genossenschaft der Gotlaudsfahrer, d. h. der Kaufleute, die über Gotland han¬ delten. Das „Siegel des gemeinen Kaufmanns" hatte bereits weitreichende Kraft, und Wisby war das anerkannte Haupt des Bundes. Mehr und mehr trat indeß im Laufe des 13. Jahrhunderts Lübeck neben Wisby, bis endlich Lübeck's Einfluß vollständig überwog. Theils handels¬ politische Gründe, die günstige Lage der Stadt, ihre großen Freiheiten, theils auch die weite Verbreitung des Mischen Rechts wirkten zusammen, um die Bedeutung der Stadt stetig wachsen zu lassen. Der Beschluß der Ostsee- und der westfälischen Städte, daß künftig kein Siegel des gemeinen Kaufmanns auf Gotland mehr gehalten werden solle (1299), bezeichnet den Zeitpunkt, in welchem die Kraft der Städte so weit gewachsen war, daß sie jede Abhängigkeit von ausländischen Verbindungen ablehnen und selbst die Leitung auch ihrer aus¬ wärtigen Verhältnisse übernehme» konnten. Lübeck fiel dabei von selbst die Führerrolle zu. Auch im Westen gewann Lübeck gleichzeitig Boden, trotz der festen Stellung, die hier die westfälischen Städte, namentlich Köln, einnahmen. In London entstand neben der alten Hanse der Kölner eine solche der Lübecker, und gegen Ende des 13. Jahrhunderts kam eine Vereinigung der deutschen Kaufleute zu Stande. Ebenso gewann die Niederlassung in Brügge eine hohe Bedeutung als Vereinigungspunkt. Das zweite Moment, das den Zusammenschluß der Hanse bewirkte, waren spezielle Städtebündnisse, zum Schutze gegen die Territorialherren, zur Siche¬ rung der Landstraßen, Münz- und Haudelseinigungen, Zusagen über gegen¬ seitigen Rechtsschutz und dergl. in., wie sie auch in andern deutschen Ländern geschlossen wurden. Die wichtigsten sind der förmliche Bund der wendischen Städte (unlvörsitas) unter Lübeck's Vorortschaft und jener Vertrag von 1241 zwischen Hamburg und Lübeck zum Schutze der Straßen von der Elbe bis zur Travemündung, der so lange für den eigentlichen Gründungsakt der Hanse gegolten hat. So sehen wir am Ende des 13. Jahrhunderts eine umfassende, aber sehr lose Vereinigung bestehen, die sich um die Mittelpunkte Wisbh, Köln und Lübeck gruppirt. Sie hat nicht einmal einen gemeinsamen Namen. Denn der Ausdruck Hanse im spätern Sinne kommt nicht vor der Mitte des 14. Jahr¬ hunderts vor; was in England Hanse genannt wurde, hatte eine viel beschränktere Bedeutung. Es bedarf gewaltiger äußerer Anlässe, um aus dieser losen Vereinigung den festen Bund zu schaffen, der dann anderthalb Jahrhunderte lang die erste Großmacht des Nordens war. Die Kämpfe mit Dänemark gaben diese Anlässe. Anfangs schienen sie freilich das Gegentheil zu bewirken. Als der Dänen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/490>, abgerufen am 27.11.2024.