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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ebens". Und hier begegnen uns beide Komponisten nochmals im Gespräche
miteinander. "Gestern habe ich Ihr Ballet gehört, es hat mir sehr gefallen",
sagte Haydn, als im Jahre 1801 das Werk zur Aufführung gekommen war.
Beethoven erwiederte: "O lieber Papa, Sie sind sehr gütig, aber es ist doch
noch lange keine Schöpfung." Haydn, durch diese Antwort überrascht und bei¬
nahe verletzt, sagte nach einer kurzen Pause: "Das ist wahr, es ist noch keine
Schöpfung, glaube auch schwerlich, daß es dieselbe je erreichen wird", worauf
sich beide etwas verblüfft gegenseitig empfahlen.

Sollte hier des alten Meisters Selbstgefühl gegen den jüngeren "Gro߬
mogul" etwas zu lebhaft aufgebraust sein, so tritt er uns in einem Briefe an
Breitkopf Härtel, die. Herausgeber der Allgemeinen musikalischen Zeitung,
um so bescheidener entgegen. "Nur wünsche und hoffe auch ich alter Maun,
daß die Herren Recensenten meine Schöpfung nicht allzustreng anfassen und
ihr dabei zu wehe thun mögen," schreibt er bei Uebersendung des Werkes im
Sommer 1799. "Man wird zwar in einigen Stellen etwas anstoßen an der
musikalischen Rechtschreibung und vielleicht auch an anderem, was ich als
Kleinigkeiten anzusehen nun Maal seit soviel Jahren gewohnt bin: aber der
echte Kenner wird bei manchem die Ursache wie ich einsehen und solche Steine
des Anstoßes mit gutem Willen an die Seite wälzen. Doch das ganz unter
uns, man möchte es mir fast für Einbildung und Hochmuth auslegen, wovor
mich doch mein himmlischer Vater mein Lebelang bewahrt hat."

In demselben Briefe schreibt er noch: "Leider vermehren sich meine Ge¬
schäfte, wie sich meine Jahre vermehren, und doch ist es fast, als ob mit der
Abnahme meiner Geisteskräfte meine Lust und der Drang zum Arbeiten zu¬
nahmen. O Gott wieviel ist noch zu thun in dieser herrlichen Kunst, auch
schon von einem Manne wie ich gewesen! Die Welt macht mir zwar täglich
viele Complimente, auch über das Feuer meiner letzten Arbeiten: aber niemand
will mir glauben, mit welcher Mühe und Anstrengung ich dasselbe hervorsuchen
muß, indem mich manchen Tag mein schwaches Gedächtniß und die Nachlassung
der Nerven dermaßen zu Boden drückt, daß ich in die traurigste Lage verfalle
und hierdurch viele Tage nachher außer Stande bin nur eine einzige Idee zu
finden, bis ich endlich durch die Vorsicht in meinem Herzen aufgemuntert mich
wieder an das Clavier setzen und da zu hämmern anfangen kann. Da findet
sichs dann wieder, Gott sei gelobt." Von einem anderen Mittel, in diesen
späten Tagen sich zu beleben und zu erfrischen, hörte Griesinger. "Wenn es
mit dem Componiren nicht so recht sort will, so gehe ich im Zimmer auf und
ab, den Rosenkranz in der Hand, bete einige Ave, und dann kommen mir die
Ideen wieder."

Und was entstand nun noch? Wir erwähnten schon das Kaiserquartett,


Grenzboten III. 1879. S3

ebens". Und hier begegnen uns beide Komponisten nochmals im Gespräche
miteinander. „Gestern habe ich Ihr Ballet gehört, es hat mir sehr gefallen",
sagte Haydn, als im Jahre 1801 das Werk zur Aufführung gekommen war.
Beethoven erwiederte: „O lieber Papa, Sie sind sehr gütig, aber es ist doch
noch lange keine Schöpfung." Haydn, durch diese Antwort überrascht und bei¬
nahe verletzt, sagte nach einer kurzen Pause: „Das ist wahr, es ist noch keine
Schöpfung, glaube auch schwerlich, daß es dieselbe je erreichen wird", worauf
sich beide etwas verblüfft gegenseitig empfahlen.

Sollte hier des alten Meisters Selbstgefühl gegen den jüngeren „Gro߬
mogul" etwas zu lebhaft aufgebraust sein, so tritt er uns in einem Briefe an
Breitkopf Härtel, die. Herausgeber der Allgemeinen musikalischen Zeitung,
um so bescheidener entgegen. „Nur wünsche und hoffe auch ich alter Maun,
daß die Herren Recensenten meine Schöpfung nicht allzustreng anfassen und
ihr dabei zu wehe thun mögen," schreibt er bei Uebersendung des Werkes im
Sommer 1799. „Man wird zwar in einigen Stellen etwas anstoßen an der
musikalischen Rechtschreibung und vielleicht auch an anderem, was ich als
Kleinigkeiten anzusehen nun Maal seit soviel Jahren gewohnt bin: aber der
echte Kenner wird bei manchem die Ursache wie ich einsehen und solche Steine
des Anstoßes mit gutem Willen an die Seite wälzen. Doch das ganz unter
uns, man möchte es mir fast für Einbildung und Hochmuth auslegen, wovor
mich doch mein himmlischer Vater mein Lebelang bewahrt hat."

In demselben Briefe schreibt er noch: „Leider vermehren sich meine Ge¬
schäfte, wie sich meine Jahre vermehren, und doch ist es fast, als ob mit der
Abnahme meiner Geisteskräfte meine Lust und der Drang zum Arbeiten zu¬
nahmen. O Gott wieviel ist noch zu thun in dieser herrlichen Kunst, auch
schon von einem Manne wie ich gewesen! Die Welt macht mir zwar täglich
viele Complimente, auch über das Feuer meiner letzten Arbeiten: aber niemand
will mir glauben, mit welcher Mühe und Anstrengung ich dasselbe hervorsuchen
muß, indem mich manchen Tag mein schwaches Gedächtniß und die Nachlassung
der Nerven dermaßen zu Boden drückt, daß ich in die traurigste Lage verfalle
und hierdurch viele Tage nachher außer Stande bin nur eine einzige Idee zu
finden, bis ich endlich durch die Vorsicht in meinem Herzen aufgemuntert mich
wieder an das Clavier setzen und da zu hämmern anfangen kann. Da findet
sichs dann wieder, Gott sei gelobt." Von einem anderen Mittel, in diesen
späten Tagen sich zu beleben und zu erfrischen, hörte Griesinger. „Wenn es
mit dem Componiren nicht so recht sort will, so gehe ich im Zimmer auf und
ab, den Rosenkranz in der Hand, bete einige Ave, und dann kommen mir die
Ideen wieder."

Und was entstand nun noch? Wir erwähnten schon das Kaiserquartett,


Grenzboten III. 1879. S3
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[0455] ebens". Und hier begegnen uns beide Komponisten nochmals im Gespräche miteinander. „Gestern habe ich Ihr Ballet gehört, es hat mir sehr gefallen", sagte Haydn, als im Jahre 1801 das Werk zur Aufführung gekommen war. Beethoven erwiederte: „O lieber Papa, Sie sind sehr gütig, aber es ist doch noch lange keine Schöpfung." Haydn, durch diese Antwort überrascht und bei¬ nahe verletzt, sagte nach einer kurzen Pause: „Das ist wahr, es ist noch keine Schöpfung, glaube auch schwerlich, daß es dieselbe je erreichen wird", worauf sich beide etwas verblüfft gegenseitig empfahlen. Sollte hier des alten Meisters Selbstgefühl gegen den jüngeren „Gro߬ mogul" etwas zu lebhaft aufgebraust sein, so tritt er uns in einem Briefe an Breitkopf Härtel, die. Herausgeber der Allgemeinen musikalischen Zeitung, um so bescheidener entgegen. „Nur wünsche und hoffe auch ich alter Maun, daß die Herren Recensenten meine Schöpfung nicht allzustreng anfassen und ihr dabei zu wehe thun mögen," schreibt er bei Uebersendung des Werkes im Sommer 1799. „Man wird zwar in einigen Stellen etwas anstoßen an der musikalischen Rechtschreibung und vielleicht auch an anderem, was ich als Kleinigkeiten anzusehen nun Maal seit soviel Jahren gewohnt bin: aber der echte Kenner wird bei manchem die Ursache wie ich einsehen und solche Steine des Anstoßes mit gutem Willen an die Seite wälzen. Doch das ganz unter uns, man möchte es mir fast für Einbildung und Hochmuth auslegen, wovor mich doch mein himmlischer Vater mein Lebelang bewahrt hat." In demselben Briefe schreibt er noch: „Leider vermehren sich meine Ge¬ schäfte, wie sich meine Jahre vermehren, und doch ist es fast, als ob mit der Abnahme meiner Geisteskräfte meine Lust und der Drang zum Arbeiten zu¬ nahmen. O Gott wieviel ist noch zu thun in dieser herrlichen Kunst, auch schon von einem Manne wie ich gewesen! Die Welt macht mir zwar täglich viele Complimente, auch über das Feuer meiner letzten Arbeiten: aber niemand will mir glauben, mit welcher Mühe und Anstrengung ich dasselbe hervorsuchen muß, indem mich manchen Tag mein schwaches Gedächtniß und die Nachlassung der Nerven dermaßen zu Boden drückt, daß ich in die traurigste Lage verfalle und hierdurch viele Tage nachher außer Stande bin nur eine einzige Idee zu finden, bis ich endlich durch die Vorsicht in meinem Herzen aufgemuntert mich wieder an das Clavier setzen und da zu hämmern anfangen kann. Da findet sichs dann wieder, Gott sei gelobt." Von einem anderen Mittel, in diesen späten Tagen sich zu beleben und zu erfrischen, hörte Griesinger. „Wenn es mit dem Componiren nicht so recht sort will, so gehe ich im Zimmer auf und ab, den Rosenkranz in der Hand, bete einige Ave, und dann kommen mir die Ideen wieder." Und was entstand nun noch? Wir erwähnten schon das Kaiserquartett, Grenzboten III. 1879. S3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/455>, abgerufen am 01.09.2024.