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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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es Amalien, daß sie von ihrem Jugendfreund Cornelius Abschied nehmen konnte;
zwei Mal machte er die Reise von München nach dem Rhein.

Die Freundschaft schmückte das Zimmer der Kranken reichlich mit Blumen
und Bildern. Die Blumen liebte sie sehr, "weil," wie sie sagte, "sie so unmittelbar
aus Gottes Hand hervorgehen". Ihren Kunstsinn, den vorher drei Abbildungen
des Trierer heiligen Rockes "gekreuzigt" hatten, erfreuten jetzt die Kreuzigung
von Rubens und die Engel der Sixtinischen Madonna. Die Sterbesakramente
empfing sie heimlich aus der Hand eines jungen Geistlichen, der in Bonn
Philologie studirte. Der Pfarrer von Vallendar hatte sie der Ketzerin ver¬
weigern müssen.

Aber auch die Bekehrungsversuche folgten ihr nach Vallendar. Sie wies
sie standhaft zurück. Empörend war der Vorschlag eines Jesuiten, sie brauche
das Dogma nicht wirklich zu glauben, sondern es genüge, ihren Unglauben als
Sünde zu beichten; dann werde ihr Gott den Glauben, der eine übernatürliche
Gnade sei, in demselben Augenblick verleihen. Schwere Stunden brachte ihr
noch der Besuch ihrer Schwester Clementine, einer fanatischen Jnfallibilistin,
er konnte ihr nicht wohlthuend fein. Am 28. Januar 1872 hatte Schwester
Augustine ausgelitten. Unter den Sterbegebeten ihrer Kirche, mit dem Be¬
kenntniß : "Herr Jesus, Dir leb' ich, Herr Jesus, Dir sterb' ich!" mit dem Rufe
der Sehnsucht: "Komm, Herr Jesus!" entschlief sie in der Mittagsstunde.

Der Todten wurde auf Befehl der General-Oberin das Ordenskleid aus¬
gezogen, auch ein kirchliches Begräbniß verweigert. Die Funktionen nltkatho-
lischer Geistlichen lehnten die Verwandten ab, um den Eindruck einer Demon¬
stration zu vermeiden. Auf dem Friedhof in Weißenthurn neben den Gräbern
ihrer Eltern und ihres Bruders Hermann wurde sie in der Frühe des 30. Januar
bestattet. Ihre Verwandten und Freunde waren gegenwärtig, unter diesen die
Fürstin von Wied, die gleich gesinnten Bonner Professoren, der Kurator der
Universität. Wenige herzliche Worte des Professors Reusch und das Vater¬
unser bildeten den religiösen Gehalt der Feier.

Der Rückblick auf ein so reiches, tiefes, wahrhaftes und treues Leben, wie
es sich uns im Bilde Schwester Augustinens darstellt, weckt die Frage, ob die
Sache, der es schließlich gegolten hat, Aussicht auf eine weitere umfassendere
Wirksamkeit hat; mit andern Worten, ob der Altkatholizismus, der Schwester
Augustine zu den Seinen zählen darf, auf eine Zukunft rechnen kann oder
nicht. Nur in wenigen Andeutungen versuchen wir zum Schluß eine Antwort
ans diese Frage zu geben.

Die schwierigste Zeit für den Altkatholizismus wird kommen, wenn der
Friede mit Rom geschlossen ist und die Sonne der Staatsgunst sich ihm
entzieht. Dann ist die Stunde der Sichtung angebrochen. Gewinnen negative


es Amalien, daß sie von ihrem Jugendfreund Cornelius Abschied nehmen konnte;
zwei Mal machte er die Reise von München nach dem Rhein.

Die Freundschaft schmückte das Zimmer der Kranken reichlich mit Blumen
und Bildern. Die Blumen liebte sie sehr, „weil," wie sie sagte, „sie so unmittelbar
aus Gottes Hand hervorgehen". Ihren Kunstsinn, den vorher drei Abbildungen
des Trierer heiligen Rockes „gekreuzigt" hatten, erfreuten jetzt die Kreuzigung
von Rubens und die Engel der Sixtinischen Madonna. Die Sterbesakramente
empfing sie heimlich aus der Hand eines jungen Geistlichen, der in Bonn
Philologie studirte. Der Pfarrer von Vallendar hatte sie der Ketzerin ver¬
weigern müssen.

Aber auch die Bekehrungsversuche folgten ihr nach Vallendar. Sie wies
sie standhaft zurück. Empörend war der Vorschlag eines Jesuiten, sie brauche
das Dogma nicht wirklich zu glauben, sondern es genüge, ihren Unglauben als
Sünde zu beichten; dann werde ihr Gott den Glauben, der eine übernatürliche
Gnade sei, in demselben Augenblick verleihen. Schwere Stunden brachte ihr
noch der Besuch ihrer Schwester Clementine, einer fanatischen Jnfallibilistin,
er konnte ihr nicht wohlthuend fein. Am 28. Januar 1872 hatte Schwester
Augustine ausgelitten. Unter den Sterbegebeten ihrer Kirche, mit dem Be¬
kenntniß : „Herr Jesus, Dir leb' ich, Herr Jesus, Dir sterb' ich!" mit dem Rufe
der Sehnsucht: „Komm, Herr Jesus!" entschlief sie in der Mittagsstunde.

Der Todten wurde auf Befehl der General-Oberin das Ordenskleid aus¬
gezogen, auch ein kirchliches Begräbniß verweigert. Die Funktionen nltkatho-
lischer Geistlichen lehnten die Verwandten ab, um den Eindruck einer Demon¬
stration zu vermeiden. Auf dem Friedhof in Weißenthurn neben den Gräbern
ihrer Eltern und ihres Bruders Hermann wurde sie in der Frühe des 30. Januar
bestattet. Ihre Verwandten und Freunde waren gegenwärtig, unter diesen die
Fürstin von Wied, die gleich gesinnten Bonner Professoren, der Kurator der
Universität. Wenige herzliche Worte des Professors Reusch und das Vater¬
unser bildeten den religiösen Gehalt der Feier.

Der Rückblick auf ein so reiches, tiefes, wahrhaftes und treues Leben, wie
es sich uns im Bilde Schwester Augustinens darstellt, weckt die Frage, ob die
Sache, der es schließlich gegolten hat, Aussicht auf eine weitere umfassendere
Wirksamkeit hat; mit andern Worten, ob der Altkatholizismus, der Schwester
Augustine zu den Seinen zählen darf, auf eine Zukunft rechnen kann oder
nicht. Nur in wenigen Andeutungen versuchen wir zum Schluß eine Antwort
ans diese Frage zu geben.

Die schwierigste Zeit für den Altkatholizismus wird kommen, wenn der
Friede mit Rom geschlossen ist und die Sonne der Staatsgunst sich ihm
entzieht. Dann ist die Stunde der Sichtung angebrochen. Gewinnen negative


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/448>, abgerufen am 27.11.2024.