Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.auch vollkommen zufrieden, und selbst in dem konstitutionellen Musterstaate auch vollkommen zufrieden, und selbst in dem konstitutionellen Musterstaate <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142931"/> <p xml:id="ID_1278" prev="#ID_1277" next="#ID_1279"> auch vollkommen zufrieden, und selbst in dem konstitutionellen Musterstaate<lb/> Baden ist es seither außer dem liberalen Parteiführer, Oberstaatsanwalt Kiefer,<lb/> noch niemandem eingefallen, daß man dadurch des „werthvollsten Verfassungs¬<lb/> rechtes", und wie die Phrasen alle heißen, entbehre; in Baiern aber und<lb/> besonders in Würtemberg hat man an sich schon eine Scheu davor, an der<lb/> Verfassung zu rütteln. Aber auch die finanzielle Ersparniß, welche mit dieser<lb/> Einrichtung verknüpft ist, und welche bei den Einzellaudtagen schwer genug ins<lb/> Gewicht fällt, ist nicht zu übersehen. So erblickt man denn in den Kreisen<lb/> süddeutscher liberaler Männer in der Vorlage nichts anderes als die Auf¬<lb/> nahme einer Einrichtung für das Reich, die sich in den meisten größeren<lb/> deutschen Staaten bereits als praktisch erwiesen hat, und die, auf das Reich<lb/> ausgedehnt, die Annahme eines Mandates als Reichsbote wesentlich erleichtern<lb/> würde. Die Richteriaden, Laskeriaden und Windthorstiaden aber, welche die be¬<lb/> treffenden Etatspositionen zu begleiten Pflegen, ist man froh, doch ein Jahr<lb/> ums andere nicht anzuhören oder lesen zu müssen. Der Süden Deutsch¬<lb/> land's begreift daher den Lärm nicht, der um dieser Vorlage willen erhoben<lb/> wird, und gewinnt aus der Stellung, welche die nationalliberale Partei<lb/> Preußen's in ihrem Programm zu derselben einnimmt, nur wieder von neuem<lb/> die Ueberzeugung, daß der Liberalismus, so lange er durch seine jetzigen<lb/> Parlamentsvertreter dargestellt wird, seiner prinzipiellen Unpraktik wegen durchaus<lb/> nicht regierungsfähig ist, und daß es wirklich hohe Zeit war, daß ihm auch<lb/> thatsächlich sein gouvernementaler Einfluß genommen wurde — oder vielmehr daß<lb/> er sich selbst desselben begab. Alle die zahlreichen Fehler, die, wie dem blödesten<lb/> Auge endlich klar geworden sein muß, in der seitherigen strafrechtlichen, gewerb¬<lb/> lichen und wirthschaftlichen Gesetzgebung in der sog. liberalen Aera gemacht<lb/> worden sind, hätten sich ja an der Hand der Erfahrung wieder gutmachen,<lb/> Bestimmungen, die sich als unnütz oder gar als schädlich erwiesen, hätten sich<lb/> beseitigen oder durch bessere ersetzen lassen. Aber zu dieser Arbeit gehört eine<lb/> gewisse Neutralität der Gesinnung, eine Objektivität des Urtheils, eine Inte¬<lb/> grität des politischen Charakters, alles Eigenschaften, die leider der liberalen<lb/> Partei in ihren bestimmenden Faktoren so sehr abhanden gekommen sind, daß<lb/> nicht einmal die traurigen Erfahrungen der letzten Jahre sie wieder herbeizu-<lb/> zauberu vermochten. Durch ihr Gefühl der Unfehlbarkeit ist ja die stark<lb/> jüdische Parteileitung und die noch stärker jüdische liberale Presse so taub und<lb/> blind gegen die Sprache der Thatsachen geworden, daß es schon genügte, daß<lb/> von der konservativen Seite oder gar von der Regierung aus mit einem Ver¬<lb/> besserungsvorschlage hervorgetreten wurde, um liberalerseits sofort jede Ver¬<lb/> besserung - Bedürftigkeit zu leugnen. Es klang und klingt wie ein Hohn auf<lb/> die öffentliche Meinung, wenn man liberalerseits allen, auch den berechtigtsten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
auch vollkommen zufrieden, und selbst in dem konstitutionellen Musterstaate
Baden ist es seither außer dem liberalen Parteiführer, Oberstaatsanwalt Kiefer,
noch niemandem eingefallen, daß man dadurch des „werthvollsten Verfassungs¬
rechtes", und wie die Phrasen alle heißen, entbehre; in Baiern aber und
besonders in Würtemberg hat man an sich schon eine Scheu davor, an der
Verfassung zu rütteln. Aber auch die finanzielle Ersparniß, welche mit dieser
Einrichtung verknüpft ist, und welche bei den Einzellaudtagen schwer genug ins
Gewicht fällt, ist nicht zu übersehen. So erblickt man denn in den Kreisen
süddeutscher liberaler Männer in der Vorlage nichts anderes als die Auf¬
nahme einer Einrichtung für das Reich, die sich in den meisten größeren
deutschen Staaten bereits als praktisch erwiesen hat, und die, auf das Reich
ausgedehnt, die Annahme eines Mandates als Reichsbote wesentlich erleichtern
würde. Die Richteriaden, Laskeriaden und Windthorstiaden aber, welche die be¬
treffenden Etatspositionen zu begleiten Pflegen, ist man froh, doch ein Jahr
ums andere nicht anzuhören oder lesen zu müssen. Der Süden Deutsch¬
land's begreift daher den Lärm nicht, der um dieser Vorlage willen erhoben
wird, und gewinnt aus der Stellung, welche die nationalliberale Partei
Preußen's in ihrem Programm zu derselben einnimmt, nur wieder von neuem
die Ueberzeugung, daß der Liberalismus, so lange er durch seine jetzigen
Parlamentsvertreter dargestellt wird, seiner prinzipiellen Unpraktik wegen durchaus
nicht regierungsfähig ist, und daß es wirklich hohe Zeit war, daß ihm auch
thatsächlich sein gouvernementaler Einfluß genommen wurde — oder vielmehr daß
er sich selbst desselben begab. Alle die zahlreichen Fehler, die, wie dem blödesten
Auge endlich klar geworden sein muß, in der seitherigen strafrechtlichen, gewerb¬
lichen und wirthschaftlichen Gesetzgebung in der sog. liberalen Aera gemacht
worden sind, hätten sich ja an der Hand der Erfahrung wieder gutmachen,
Bestimmungen, die sich als unnütz oder gar als schädlich erwiesen, hätten sich
beseitigen oder durch bessere ersetzen lassen. Aber zu dieser Arbeit gehört eine
gewisse Neutralität der Gesinnung, eine Objektivität des Urtheils, eine Inte¬
grität des politischen Charakters, alles Eigenschaften, die leider der liberalen
Partei in ihren bestimmenden Faktoren so sehr abhanden gekommen sind, daß
nicht einmal die traurigen Erfahrungen der letzten Jahre sie wieder herbeizu-
zauberu vermochten. Durch ihr Gefühl der Unfehlbarkeit ist ja die stark
jüdische Parteileitung und die noch stärker jüdische liberale Presse so taub und
blind gegen die Sprache der Thatsachen geworden, daß es schon genügte, daß
von der konservativen Seite oder gar von der Regierung aus mit einem Ver¬
besserungsvorschlage hervorgetreten wurde, um liberalerseits sofort jede Ver¬
besserung - Bedürftigkeit zu leugnen. Es klang und klingt wie ein Hohn auf
die öffentliche Meinung, wenn man liberalerseits allen, auch den berechtigtsten
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