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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Hause zurückkehrten. Es wäre aber besser für sie gewesen, wenn sie bei den
Ihrigen geblieben wären.

Die Stadt Teanaustaye oder Se. Joseph, an der südöstlichen Grenze
des Huronenlandes gelegen und etwa 15 Meilen von Sainte Marie entfernt,
war einer der größten Orte der Gegend; denn sie zählte mindestens 2000 Ein¬
wohner. Sie galt, gut mit Palissaden geschützt, als eins der Hauptbollwerke
des Landes. Ihre Bewohner, früher unlenksame Heiden und nicht weniger
wild und grausam als die Irokesen, hatten jetzt der Mehrzahl nach sich die
Predigten des Pater Daniel, der seit vier Jahren unter ihnen lebte, zu Herzen
genommen und sich laufen lassen.

Da kam der Morgen des 4. Juli. Der Wald ringsum dampfte noch
unter den Strahlen der Frühsonne. Die Stadt war, wenn man sie durch die
in der Palissade gelassene Lücke betrat, ein Bild des tiefsten Friedens. Wenige
Männer waren vor den Thüren der Häuser zu sehen; denn die einen waren
auf der Jagd, andre mit jener Handelsflotte fortgezogen. Hier lag ein schmutziger
Wolfshund schlafend in der Sonne, da schwatzten Huronenmädchen im Schatten
mit einander, dort stampften Squaws in Holzmvrsern Mais für den Mittag.
Weiterhin würfelten Knaben mit Kernen auf einer Steinplatte, und nackte
Kinder krochen im Staube. Ging man zur Kirche, so fand man sie gedrängt
voll; denn Pater Daniel las eben die Messe. Plötzlich unterbrach die Stille
der Gassen der Angstschrei: "Die Irokesen!" Eine Schaar feindlicher Krieger
war aus der Tiefe des Waldes hervorgebrochen und hatte sich auf die Lücke
in der Palissade gestürzt. Die einen griffen zu den Waffen, andere rannten
rathlos und wie unsinnig vor Angst hin und her, Daniel eilte nach der ge¬
fährdeten Stelle, sammelte die Vertheidiger und verhieß ihnen den Himmel,
wenn sie tapfer kämpften. Dann ging er von Haus zu Haus, um die noch
Ungläubigen zu ernähren, Buße zu thun und die Taufe anzunehmen, damit
sie der Hölle entgingen, die sie zu verschlingen drohe. Sie drängten sich um
ihn, und er tauchte sein Taschentuch in eine Schale Wasser, mit dessen Tropfen
er sie, die Taufformel sprechend, besprengte. Sie verfolgten ihn nach der Kirche,
hielten ihm ihre Kinder hin, daß er sie auch taufe, flehten um die Abso¬
lution, wehklagten und jammerten. "Brüder," rief er immer wieder aus,
wenn er die Tauftropfen aus seinem Tuche schüttelte, "heute gehen wir in den
Himmel ein."

Das Gebrüll und Geheul der Irokesen kam bald näher. Die Palissade
war genommen, der Feind in der Stadt. "Flieht," rief der Priester, indem
er seine Heerde nach einer anderen Lücke in der Befestigung vor sich hertrieb,
"ich werde bleiben. Im Paradiese sehen wir uns wieder." Wirklich retteten
sich viele ans jenem Wege. Er aber harrte aus, denn noch waren Seelen


Hause zurückkehrten. Es wäre aber besser für sie gewesen, wenn sie bei den
Ihrigen geblieben wären.

Die Stadt Teanaustaye oder Se. Joseph, an der südöstlichen Grenze
des Huronenlandes gelegen und etwa 15 Meilen von Sainte Marie entfernt,
war einer der größten Orte der Gegend; denn sie zählte mindestens 2000 Ein¬
wohner. Sie galt, gut mit Palissaden geschützt, als eins der Hauptbollwerke
des Landes. Ihre Bewohner, früher unlenksame Heiden und nicht weniger
wild und grausam als die Irokesen, hatten jetzt der Mehrzahl nach sich die
Predigten des Pater Daniel, der seit vier Jahren unter ihnen lebte, zu Herzen
genommen und sich laufen lassen.

Da kam der Morgen des 4. Juli. Der Wald ringsum dampfte noch
unter den Strahlen der Frühsonne. Die Stadt war, wenn man sie durch die
in der Palissade gelassene Lücke betrat, ein Bild des tiefsten Friedens. Wenige
Männer waren vor den Thüren der Häuser zu sehen; denn die einen waren
auf der Jagd, andre mit jener Handelsflotte fortgezogen. Hier lag ein schmutziger
Wolfshund schlafend in der Sonne, da schwatzten Huronenmädchen im Schatten
mit einander, dort stampften Squaws in Holzmvrsern Mais für den Mittag.
Weiterhin würfelten Knaben mit Kernen auf einer Steinplatte, und nackte
Kinder krochen im Staube. Ging man zur Kirche, so fand man sie gedrängt
voll; denn Pater Daniel las eben die Messe. Plötzlich unterbrach die Stille
der Gassen der Angstschrei: „Die Irokesen!" Eine Schaar feindlicher Krieger
war aus der Tiefe des Waldes hervorgebrochen und hatte sich auf die Lücke
in der Palissade gestürzt. Die einen griffen zu den Waffen, andere rannten
rathlos und wie unsinnig vor Angst hin und her, Daniel eilte nach der ge¬
fährdeten Stelle, sammelte die Vertheidiger und verhieß ihnen den Himmel,
wenn sie tapfer kämpften. Dann ging er von Haus zu Haus, um die noch
Ungläubigen zu ernähren, Buße zu thun und die Taufe anzunehmen, damit
sie der Hölle entgingen, die sie zu verschlingen drohe. Sie drängten sich um
ihn, und er tauchte sein Taschentuch in eine Schale Wasser, mit dessen Tropfen
er sie, die Taufformel sprechend, besprengte. Sie verfolgten ihn nach der Kirche,
hielten ihm ihre Kinder hin, daß er sie auch taufe, flehten um die Abso¬
lution, wehklagten und jammerten. „Brüder," rief er immer wieder aus,
wenn er die Tauftropfen aus seinem Tuche schüttelte, „heute gehen wir in den
Himmel ein."

Das Gebrüll und Geheul der Irokesen kam bald näher. Die Palissade
war genommen, der Feind in der Stadt. „Flieht," rief der Priester, indem
er seine Heerde nach einer anderen Lücke in der Befestigung vor sich hertrieb,
„ich werde bleiben. Im Paradiese sehen wir uns wieder." Wirklich retteten
sich viele ans jenem Wege. Er aber harrte aus, denn noch waren Seelen


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[0418] Hause zurückkehrten. Es wäre aber besser für sie gewesen, wenn sie bei den Ihrigen geblieben wären. Die Stadt Teanaustaye oder Se. Joseph, an der südöstlichen Grenze des Huronenlandes gelegen und etwa 15 Meilen von Sainte Marie entfernt, war einer der größten Orte der Gegend; denn sie zählte mindestens 2000 Ein¬ wohner. Sie galt, gut mit Palissaden geschützt, als eins der Hauptbollwerke des Landes. Ihre Bewohner, früher unlenksame Heiden und nicht weniger wild und grausam als die Irokesen, hatten jetzt der Mehrzahl nach sich die Predigten des Pater Daniel, der seit vier Jahren unter ihnen lebte, zu Herzen genommen und sich laufen lassen. Da kam der Morgen des 4. Juli. Der Wald ringsum dampfte noch unter den Strahlen der Frühsonne. Die Stadt war, wenn man sie durch die in der Palissade gelassene Lücke betrat, ein Bild des tiefsten Friedens. Wenige Männer waren vor den Thüren der Häuser zu sehen; denn die einen waren auf der Jagd, andre mit jener Handelsflotte fortgezogen. Hier lag ein schmutziger Wolfshund schlafend in der Sonne, da schwatzten Huronenmädchen im Schatten mit einander, dort stampften Squaws in Holzmvrsern Mais für den Mittag. Weiterhin würfelten Knaben mit Kernen auf einer Steinplatte, und nackte Kinder krochen im Staube. Ging man zur Kirche, so fand man sie gedrängt voll; denn Pater Daniel las eben die Messe. Plötzlich unterbrach die Stille der Gassen der Angstschrei: „Die Irokesen!" Eine Schaar feindlicher Krieger war aus der Tiefe des Waldes hervorgebrochen und hatte sich auf die Lücke in der Palissade gestürzt. Die einen griffen zu den Waffen, andere rannten rathlos und wie unsinnig vor Angst hin und her, Daniel eilte nach der ge¬ fährdeten Stelle, sammelte die Vertheidiger und verhieß ihnen den Himmel, wenn sie tapfer kämpften. Dann ging er von Haus zu Haus, um die noch Ungläubigen zu ernähren, Buße zu thun und die Taufe anzunehmen, damit sie der Hölle entgingen, die sie zu verschlingen drohe. Sie drängten sich um ihn, und er tauchte sein Taschentuch in eine Schale Wasser, mit dessen Tropfen er sie, die Taufformel sprechend, besprengte. Sie verfolgten ihn nach der Kirche, hielten ihm ihre Kinder hin, daß er sie auch taufe, flehten um die Abso¬ lution, wehklagten und jammerten. „Brüder," rief er immer wieder aus, wenn er die Tauftropfen aus seinem Tuche schüttelte, „heute gehen wir in den Himmel ein." Das Gebrüll und Geheul der Irokesen kam bald näher. Die Palissade war genommen, der Feind in der Stadt. „Flieht," rief der Priester, indem er seine Heerde nach einer anderen Lücke in der Befestigung vor sich hertrieb, „ich werde bleiben. Im Paradiese sehen wir uns wieder." Wirklich retteten sich viele ans jenem Wege. Er aber harrte aus, denn noch waren Seelen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/418>, abgerufen am 27.11.2024.