Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Jüngling nicht, und so begab er sich schon nach zwei Jahren, nachdem er der Jüngling nicht, und so begab er sich schon nach zwei Jahren, nachdem er der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142538"/> <p xml:id="ID_123" prev="#ID_122" next="#ID_124"> Jüngling nicht, und so begab er sich schon nach zwei Jahren, nachdem er der<lb/> Düsseldorfer Richtung durch einen Cyclus von Umrißzeichnungen zu Shakespeare's<lb/> „Sturm" seinen Tribut gezollt, nach München. Dort fand er in Rahl und<lb/> Genelli die Männer, welche den in ihm schlummernden Keim zum Leben er¬<lb/> weckten. Sein erstes Bild, „Meernymphen", war denn auch dem Kreise der<lb/> klassischen Mythologie entlehnt. Aber der Maler muß malen können! Dieser<lb/> Grundsatz machte sich in dem damaligen München, trotz Cornelius und Genelli,<lb/> mit solcher Macht geltend, daß sich ihr keiner der aufstrebenden Kunstjünger<lb/> entziehen konnte. Die Antwerpener Akademie war damals das Mekka aller<lb/> derjenigen, welche ihre Palette mit frischem Glänze versehen wollten, und so<lb/> ging auch Feuerbach 1849 nach der Scheldestadt, wo er sich ein Jahr lang<lb/> aufhielt. Hier entstanden mehrere Bilder, u. a. ein „Hexenprozeß". Von<lb/> Antwerpen begab er sich 1851 nach Paris, wo damals gerade Conture, noch<lb/> am frischen Ruhme seiner „Römer der Decadence" zehrend, eine Anzahl Schüler<lb/> aus aller Herren Ländern um sich versammelte, welche von ihm das Rezept<lb/> seines blendenden Kolorits und seiner virtuosen Mache erlangen wollten. Feuer¬<lb/> bach hielt nicht lange bei ihm aus. Das äußerliche Treiben in Conture's<lb/> Atelier mochte seinem ans das Ernste gerichteten Sinne nicht zusagen. Aber<lb/> im allgemeinen war der Aufenthalt in Paris für seine Entwickelung von großem<lb/> Nutzen. Er sah, welchen Werth die Franzosen auf die Behandlung und Durch¬<lb/> bildung der Form legten, und gab sich mit Eifer dem Naturstudium hin.<lb/> Vielleicht hat auch Ingres, mit welchem Feuerbach im Großen und Ganzen<lb/> verwandter ist, als seine Verehrer zugeben wollen, schon damals auf den jungen<lb/> Künstler einen bestimmenden Einfluß geübt, der sich nicht blos in der Wahl<lb/> der Stoffe, sondern auch in der Behandlung der in breiten Faltenmassen arran-<lb/> girten Gewänder und in der Durchbildung des nackten Körpers kundgibt. Doch<lb/> war der Stoff des ersten größeren Bildes, welches Feuerbach in Paris vollen¬<lb/> dete, nicht dem Kreise der Antike entlehnt. „Hafis in der Schenke" steht viel¬<lb/> mehr auf durchaus romantischem Boden, und ebendahin gehört auch das nächste<lb/> Bild, welches Feuerbach nach seiner Rückkehr aus Paris in Karlsruhe malte:<lb/> „Der Tod Pietro Aretino's" (1853). Nach einer historisch nicht ganz ver¬<lb/> bürgten Tradition soll Aretino bei einem Gelage, welches er gleichgesinnten<lb/> Freunden gab, über die Erzählung eines Liebesabenteuers einer seiner Schwestern<lb/> so heftig gelacht haben, daß er vom Stuhle fiel und dadurch seinen Tod fand.<lb/> Es war eine Art geistigen Seitenstücks zu Conture's großem Römerbilde; doch<lb/> war die Abhängigkeit von den Franzosen nur eine äußerliche. Viel schärfer<lb/> trat hier der auch schon stofflich bedingte Einfluß der Venetianer, insbesondere<lb/> Paul Veronese's, hervor, und zum ersten Male zeigen sich auch bereits die<lb/> Spuren jener mit grauen und grünlichen Tönen operirenden Malweise, an</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Jüngling nicht, und so begab er sich schon nach zwei Jahren, nachdem er der
Düsseldorfer Richtung durch einen Cyclus von Umrißzeichnungen zu Shakespeare's
„Sturm" seinen Tribut gezollt, nach München. Dort fand er in Rahl und
Genelli die Männer, welche den in ihm schlummernden Keim zum Leben er¬
weckten. Sein erstes Bild, „Meernymphen", war denn auch dem Kreise der
klassischen Mythologie entlehnt. Aber der Maler muß malen können! Dieser
Grundsatz machte sich in dem damaligen München, trotz Cornelius und Genelli,
mit solcher Macht geltend, daß sich ihr keiner der aufstrebenden Kunstjünger
entziehen konnte. Die Antwerpener Akademie war damals das Mekka aller
derjenigen, welche ihre Palette mit frischem Glänze versehen wollten, und so
ging auch Feuerbach 1849 nach der Scheldestadt, wo er sich ein Jahr lang
aufhielt. Hier entstanden mehrere Bilder, u. a. ein „Hexenprozeß". Von
Antwerpen begab er sich 1851 nach Paris, wo damals gerade Conture, noch
am frischen Ruhme seiner „Römer der Decadence" zehrend, eine Anzahl Schüler
aus aller Herren Ländern um sich versammelte, welche von ihm das Rezept
seines blendenden Kolorits und seiner virtuosen Mache erlangen wollten. Feuer¬
bach hielt nicht lange bei ihm aus. Das äußerliche Treiben in Conture's
Atelier mochte seinem ans das Ernste gerichteten Sinne nicht zusagen. Aber
im allgemeinen war der Aufenthalt in Paris für seine Entwickelung von großem
Nutzen. Er sah, welchen Werth die Franzosen auf die Behandlung und Durch¬
bildung der Form legten, und gab sich mit Eifer dem Naturstudium hin.
Vielleicht hat auch Ingres, mit welchem Feuerbach im Großen und Ganzen
verwandter ist, als seine Verehrer zugeben wollen, schon damals auf den jungen
Künstler einen bestimmenden Einfluß geübt, der sich nicht blos in der Wahl
der Stoffe, sondern auch in der Behandlung der in breiten Faltenmassen arran-
girten Gewänder und in der Durchbildung des nackten Körpers kundgibt. Doch
war der Stoff des ersten größeren Bildes, welches Feuerbach in Paris vollen¬
dete, nicht dem Kreise der Antike entlehnt. „Hafis in der Schenke" steht viel¬
mehr auf durchaus romantischem Boden, und ebendahin gehört auch das nächste
Bild, welches Feuerbach nach seiner Rückkehr aus Paris in Karlsruhe malte:
„Der Tod Pietro Aretino's" (1853). Nach einer historisch nicht ganz ver¬
bürgten Tradition soll Aretino bei einem Gelage, welches er gleichgesinnten
Freunden gab, über die Erzählung eines Liebesabenteuers einer seiner Schwestern
so heftig gelacht haben, daß er vom Stuhle fiel und dadurch seinen Tod fand.
Es war eine Art geistigen Seitenstücks zu Conture's großem Römerbilde; doch
war die Abhängigkeit von den Franzosen nur eine äußerliche. Viel schärfer
trat hier der auch schon stofflich bedingte Einfluß der Venetianer, insbesondere
Paul Veronese's, hervor, und zum ersten Male zeigen sich auch bereits die
Spuren jener mit grauen und grünlichen Tönen operirenden Malweise, an
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