Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

der " Himmelfahrt Mariae" von der Hand Tizian's habe ich Türken und
Mohren, wie von einem blitzartigen Instinkt gebannt, stehen sehen. Auch die
Malerei unserer Zeit hat sich längst von den Idealen eines Cornelius und
Overbeck abgewandt, um sast ausschließlich dem Kolorismus zu huldigen, den
jene Meister absichtlich ignorirten. An die Venetianer des 16. Jahrhunderts
an Rubens, van Dyck und Rembrandt schließt 'sich die Renaissance der modernen
Malerei, wie sie von Belgien und Frankreich ausgegangen und neuerdings auch
in Deutschland zu reicher Blüthe aufgezogen worden ist.

Nichtsdestoweniger fehlt es weder in Frankreich noch in Deutschland an
Künstlern, die an dem Probleme Goethe's weiterarbeiten, jenseits des Rheins
freilich mit größerem Erfolge als bei uns, weil die Franzosen, ihrem Racen-
zuge folgend, der Romantik und der Farbe ungleich größere Konzessionen
machen als die Deutschen. In Kunst und Wissenschaft bleibt der Deutsche
allemal der Theoretiker, während der lebhaftere Franzose auch die sprödesten
Theorieen in gangbare Münze umzusetzen weiß. Der bedeutendste und eigen¬
artigste Vertreter dieser klassisch-romantischen Richtung in der modernen deutschen
Kunst ist Anselm Feuerbach, dessen Name gerade jetzt wieder, anläßlich
einer jüngst vollendeten "Titanomachie", durch die Zeitungen geht. Hat sich
um ihn auch nicht ein Streit entsponnen, der alle Kreise der Gebildeten so
hestig bewegte wie der um die drei Sensationsmaler Böcklin, Makart und
Gabriel Max, so war doch der Streit in dem engen Zirkel, in welchem er
ausgefochten wurde, nicht minder heftig. Man muß indessen dem Künstler den
Ruhm lassen, daß er trotz der heftigsten Anfeindungen und trotz herber Ent¬
täuschungen und Entbehrungen unbeugsam bei seinem Prinzip beharrt hat.

Anselm Feuerbach wurde am 12. September 1829 in Speyer geboren.
Sein Vater, Professor am dortigen Lyceum, war ein geistvoller Philolog und
Archäolog, der sich namentlich durch sein feinsinniges Buch über den "vatika¬
nischen Apollo" in der gelehrten Welt bekannt gemacht hat. Es ist anzunehmen,
daß die Lieblingsbeschäftigung des Vaters schon frühzeitig in dem Sohne die
leidenschaftliche Liebe für das klassische Alterthum erweckte, die ihn später so
ganz beherrschte. Und er konnte sich keinen verständnißvolleren Führer wünschen
als den begeisterten Gelehrten, dem sich der Geist des Griechenthums so voll
und ganz erschlossen hatte. Durch den Vater wurde der junge Feuerbach
zuerst mit den plastischen Schöpfungen der Antike vertraut, die der fertige
Künstler in Farbe und Leben umzusetzen versuchte. Nach solcher Vorbildung
konnte Anselm keine Befriedigung finden, als er im Jahre 1846 nach Düssel¬
dorf ging, um sich dort unter Wilhelm v. Schadow's Leitung seiner Kunst zu
widmen. Der streng kirchliche Geist, welcher in der rheinischen Kunststadt
herrschte, behagte dem in dem Enthusiasmus für die Antike großgezogenen


der „ Himmelfahrt Mariae" von der Hand Tizian's habe ich Türken und
Mohren, wie von einem blitzartigen Instinkt gebannt, stehen sehen. Auch die
Malerei unserer Zeit hat sich längst von den Idealen eines Cornelius und
Overbeck abgewandt, um sast ausschließlich dem Kolorismus zu huldigen, den
jene Meister absichtlich ignorirten. An die Venetianer des 16. Jahrhunderts
an Rubens, van Dyck und Rembrandt schließt 'sich die Renaissance der modernen
Malerei, wie sie von Belgien und Frankreich ausgegangen und neuerdings auch
in Deutschland zu reicher Blüthe aufgezogen worden ist.

Nichtsdestoweniger fehlt es weder in Frankreich noch in Deutschland an
Künstlern, die an dem Probleme Goethe's weiterarbeiten, jenseits des Rheins
freilich mit größerem Erfolge als bei uns, weil die Franzosen, ihrem Racen-
zuge folgend, der Romantik und der Farbe ungleich größere Konzessionen
machen als die Deutschen. In Kunst und Wissenschaft bleibt der Deutsche
allemal der Theoretiker, während der lebhaftere Franzose auch die sprödesten
Theorieen in gangbare Münze umzusetzen weiß. Der bedeutendste und eigen¬
artigste Vertreter dieser klassisch-romantischen Richtung in der modernen deutschen
Kunst ist Anselm Feuerbach, dessen Name gerade jetzt wieder, anläßlich
einer jüngst vollendeten „Titanomachie", durch die Zeitungen geht. Hat sich
um ihn auch nicht ein Streit entsponnen, der alle Kreise der Gebildeten so
hestig bewegte wie der um die drei Sensationsmaler Böcklin, Makart und
Gabriel Max, so war doch der Streit in dem engen Zirkel, in welchem er
ausgefochten wurde, nicht minder heftig. Man muß indessen dem Künstler den
Ruhm lassen, daß er trotz der heftigsten Anfeindungen und trotz herber Ent¬
täuschungen und Entbehrungen unbeugsam bei seinem Prinzip beharrt hat.

Anselm Feuerbach wurde am 12. September 1829 in Speyer geboren.
Sein Vater, Professor am dortigen Lyceum, war ein geistvoller Philolog und
Archäolog, der sich namentlich durch sein feinsinniges Buch über den „vatika¬
nischen Apollo" in der gelehrten Welt bekannt gemacht hat. Es ist anzunehmen,
daß die Lieblingsbeschäftigung des Vaters schon frühzeitig in dem Sohne die
leidenschaftliche Liebe für das klassische Alterthum erweckte, die ihn später so
ganz beherrschte. Und er konnte sich keinen verständnißvolleren Führer wünschen
als den begeisterten Gelehrten, dem sich der Geist des Griechenthums so voll
und ganz erschlossen hatte. Durch den Vater wurde der junge Feuerbach
zuerst mit den plastischen Schöpfungen der Antike vertraut, die der fertige
Künstler in Farbe und Leben umzusetzen versuchte. Nach solcher Vorbildung
konnte Anselm keine Befriedigung finden, als er im Jahre 1846 nach Düssel¬
dorf ging, um sich dort unter Wilhelm v. Schadow's Leitung seiner Kunst zu
widmen. Der streng kirchliche Geist, welcher in der rheinischen Kunststadt
herrschte, behagte dem in dem Enthusiasmus für die Antike großgezogenen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142537"/>
          <p xml:id="ID_120" prev="#ID_119"> der &#x201E; Himmelfahrt Mariae" von der Hand Tizian's habe ich Türken und<lb/>
Mohren, wie von einem blitzartigen Instinkt gebannt, stehen sehen. Auch die<lb/>
Malerei unserer Zeit hat sich längst von den Idealen eines Cornelius und<lb/>
Overbeck abgewandt, um sast ausschließlich dem Kolorismus zu huldigen, den<lb/>
jene Meister absichtlich ignorirten. An die Venetianer des 16. Jahrhunderts<lb/>
an Rubens, van Dyck und Rembrandt schließt 'sich die Renaissance der modernen<lb/>
Malerei, wie sie von Belgien und Frankreich ausgegangen und neuerdings auch<lb/>
in Deutschland zu reicher Blüthe aufgezogen worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_121"> Nichtsdestoweniger fehlt es weder in Frankreich noch in Deutschland an<lb/>
Künstlern, die an dem Probleme Goethe's weiterarbeiten, jenseits des Rheins<lb/>
freilich mit größerem Erfolge als bei uns, weil die Franzosen, ihrem Racen-<lb/>
zuge folgend, der Romantik und der Farbe ungleich größere Konzessionen<lb/>
machen als die Deutschen. In Kunst und Wissenschaft bleibt der Deutsche<lb/>
allemal der Theoretiker, während der lebhaftere Franzose auch die sprödesten<lb/>
Theorieen in gangbare Münze umzusetzen weiß. Der bedeutendste und eigen¬<lb/>
artigste Vertreter dieser klassisch-romantischen Richtung in der modernen deutschen<lb/>
Kunst ist Anselm Feuerbach, dessen Name gerade jetzt wieder, anläßlich<lb/>
einer jüngst vollendeten &#x201E;Titanomachie", durch die Zeitungen geht. Hat sich<lb/>
um ihn auch nicht ein Streit entsponnen, der alle Kreise der Gebildeten so<lb/>
hestig bewegte wie der um die drei Sensationsmaler Böcklin, Makart und<lb/>
Gabriel Max, so war doch der Streit in dem engen Zirkel, in welchem er<lb/>
ausgefochten wurde, nicht minder heftig. Man muß indessen dem Künstler den<lb/>
Ruhm lassen, daß er trotz der heftigsten Anfeindungen und trotz herber Ent¬<lb/>
täuschungen und Entbehrungen unbeugsam bei seinem Prinzip beharrt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_122" next="#ID_123"> Anselm Feuerbach wurde am 12. September 1829 in Speyer geboren.<lb/>
Sein Vater, Professor am dortigen Lyceum, war ein geistvoller Philolog und<lb/>
Archäolog, der sich namentlich durch sein feinsinniges Buch über den &#x201E;vatika¬<lb/>
nischen Apollo" in der gelehrten Welt bekannt gemacht hat. Es ist anzunehmen,<lb/>
daß die Lieblingsbeschäftigung des Vaters schon frühzeitig in dem Sohne die<lb/>
leidenschaftliche Liebe für das klassische Alterthum erweckte, die ihn später so<lb/>
ganz beherrschte. Und er konnte sich keinen verständnißvolleren Führer wünschen<lb/>
als den begeisterten Gelehrten, dem sich der Geist des Griechenthums so voll<lb/>
und ganz erschlossen hatte. Durch den Vater wurde der junge Feuerbach<lb/>
zuerst mit den plastischen Schöpfungen der Antike vertraut, die der fertige<lb/>
Künstler in Farbe und Leben umzusetzen versuchte. Nach solcher Vorbildung<lb/>
konnte Anselm keine Befriedigung finden, als er im Jahre 1846 nach Düssel¬<lb/>
dorf ging, um sich dort unter Wilhelm v. Schadow's Leitung seiner Kunst zu<lb/>
widmen. Der streng kirchliche Geist, welcher in der rheinischen Kunststadt<lb/>
herrschte, behagte dem in dem Enthusiasmus für die Antike großgezogenen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] der „ Himmelfahrt Mariae" von der Hand Tizian's habe ich Türken und Mohren, wie von einem blitzartigen Instinkt gebannt, stehen sehen. Auch die Malerei unserer Zeit hat sich längst von den Idealen eines Cornelius und Overbeck abgewandt, um sast ausschließlich dem Kolorismus zu huldigen, den jene Meister absichtlich ignorirten. An die Venetianer des 16. Jahrhunderts an Rubens, van Dyck und Rembrandt schließt 'sich die Renaissance der modernen Malerei, wie sie von Belgien und Frankreich ausgegangen und neuerdings auch in Deutschland zu reicher Blüthe aufgezogen worden ist. Nichtsdestoweniger fehlt es weder in Frankreich noch in Deutschland an Künstlern, die an dem Probleme Goethe's weiterarbeiten, jenseits des Rheins freilich mit größerem Erfolge als bei uns, weil die Franzosen, ihrem Racen- zuge folgend, der Romantik und der Farbe ungleich größere Konzessionen machen als die Deutschen. In Kunst und Wissenschaft bleibt der Deutsche allemal der Theoretiker, während der lebhaftere Franzose auch die sprödesten Theorieen in gangbare Münze umzusetzen weiß. Der bedeutendste und eigen¬ artigste Vertreter dieser klassisch-romantischen Richtung in der modernen deutschen Kunst ist Anselm Feuerbach, dessen Name gerade jetzt wieder, anläßlich einer jüngst vollendeten „Titanomachie", durch die Zeitungen geht. Hat sich um ihn auch nicht ein Streit entsponnen, der alle Kreise der Gebildeten so hestig bewegte wie der um die drei Sensationsmaler Böcklin, Makart und Gabriel Max, so war doch der Streit in dem engen Zirkel, in welchem er ausgefochten wurde, nicht minder heftig. Man muß indessen dem Künstler den Ruhm lassen, daß er trotz der heftigsten Anfeindungen und trotz herber Ent¬ täuschungen und Entbehrungen unbeugsam bei seinem Prinzip beharrt hat. Anselm Feuerbach wurde am 12. September 1829 in Speyer geboren. Sein Vater, Professor am dortigen Lyceum, war ein geistvoller Philolog und Archäolog, der sich namentlich durch sein feinsinniges Buch über den „vatika¬ nischen Apollo" in der gelehrten Welt bekannt gemacht hat. Es ist anzunehmen, daß die Lieblingsbeschäftigung des Vaters schon frühzeitig in dem Sohne die leidenschaftliche Liebe für das klassische Alterthum erweckte, die ihn später so ganz beherrschte. Und er konnte sich keinen verständnißvolleren Führer wünschen als den begeisterten Gelehrten, dem sich der Geist des Griechenthums so voll und ganz erschlossen hatte. Durch den Vater wurde der junge Feuerbach zuerst mit den plastischen Schöpfungen der Antike vertraut, die der fertige Künstler in Farbe und Leben umzusetzen versuchte. Nach solcher Vorbildung konnte Anselm keine Befriedigung finden, als er im Jahre 1846 nach Düssel¬ dorf ging, um sich dort unter Wilhelm v. Schadow's Leitung seiner Kunst zu widmen. Der streng kirchliche Geist, welcher in der rheinischen Kunststadt herrschte, behagte dem in dem Enthusiasmus für die Antike großgezogenen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/40>, abgerufen am 24.11.2024.