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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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und Wasserfälle zu tragen, und über 50 Mal mußten sie in den wüthenden
Strom hinabsteigen, um ihre Fahrzeuge weiter zu ziehen oder zu schieben.
Ihre ganze Nahrung bestand in einigen Maiskörnern für den Tag, die zwischen
Steinen zermalmt und mit Wasser zu Brei gemischt wurden. Brebeuf sprach
etwas Huronisch; die Andern aber waren die ganze Reise über zum Schweigen
verurtheilt. Mehrere von ihnen wurden unterwegs von den übelgelaunten
wilden Begleitern ausgesetzt und kamen erst nach langer Zeit und völlig
erschöpft am Ziele an oder wurden ihres Gepäcks beraubt. Nach 30 Tagen
voll unsagbarer Strapazen langte Brebeuf endlich an der Donnerbucht, wo
die Missionäre sich niederzulassen gedachten, an, aber die Jndianerstcidt, in der
er einst gepredigt und getauft, war verlassen, weil die Einwohner inzwischen
einen Dolmetscher der Franzosen ermordet und sich aus Furcht vor der Rache
anderswo angebaut hatten. Der Abend senkte sich bereits auf den einsamen
Wald, als der Jesuit nach langem Suchen die Rindendächer der neuen Nieder¬
lassung Jhonatiria inmitten einer Lichtung vor sich erblickte und bald darauf
bei dem wohlhabenden und gastfreien Huronen Awandoay Unterkunft fand.

Allmählich, aber erst nach Wochen, stellten sich hier auch die andern
Jesuiten ein, Daniel todmüde und abgespannt, Davost fast verhungert, ihre
französischen Begleiter in ähnlichem Zustande, und jetzt konnte das Werk der
Mission mit dem Bau eines Hauses beginnen. Die Indianer halfen dabei,
und bald war es nach huronischem Muster vollendet. Man rannte junge
Baumstämme in zwei Reihen in den Boden, indem man 20 Fuß Raum
zwischen beiden Reihen ließ, band die oberen Enden der Stämme bogenartig
zusammen, befestigte das Ganze mit Querbalken und deckte das Dach mit
Baumrinde. Von außen unterschied sich dieses Haus in nichts von den Häusern
der indianischen Nachbarn. Im Innern dagegen trafen die Priester mit ihren
Werkzeugen Einrichtungen, welche jene in Staunen versetzten. Der etwa 36
Fuß lange Raum des Hauses wurde durch Querwände mit Thüren in 3
Gemächer geschieden, von denen das erste als Vorsaal und Vorrathsraum für
Mais, Bohnen und getrocknete Fische, das zweite als Wohnstube, Küche, Werk¬
statt, Schlafzimmer und Schule dienen und das dritte die Kapelle sein sollte. Im
letzteren bauten die Jesuiten einen Altar, auch befanden sich hier ihre Heiligen¬
bilder und Kirchengeräthe. Ihr Feuer brannte in der Mitte des zweiten
Gemachs, wo der Rauch sich durch ein Loch im Dache seinen Weg suchte,
häufig ohne ihn zu finden. An den Seiten waren hohe Bänke mit den Kisten
angebracht, in denen die Bewohner des Hauses ihre Kleider und Meßgewänder
verwahrten, und unter denen sie auf Baumrinden schliefen, die mit Fellen bedeckt
waren. Rohe Stühle, eine Handmtthle, ein Mörser von Holz zum Stampfen
der Korufrüchte und eine Uhr vervollständigten die Gerätschaften dieses Zimmers.


und Wasserfälle zu tragen, und über 50 Mal mußten sie in den wüthenden
Strom hinabsteigen, um ihre Fahrzeuge weiter zu ziehen oder zu schieben.
Ihre ganze Nahrung bestand in einigen Maiskörnern für den Tag, die zwischen
Steinen zermalmt und mit Wasser zu Brei gemischt wurden. Brebeuf sprach
etwas Huronisch; die Andern aber waren die ganze Reise über zum Schweigen
verurtheilt. Mehrere von ihnen wurden unterwegs von den übelgelaunten
wilden Begleitern ausgesetzt und kamen erst nach langer Zeit und völlig
erschöpft am Ziele an oder wurden ihres Gepäcks beraubt. Nach 30 Tagen
voll unsagbarer Strapazen langte Brebeuf endlich an der Donnerbucht, wo
die Missionäre sich niederzulassen gedachten, an, aber die Jndianerstcidt, in der
er einst gepredigt und getauft, war verlassen, weil die Einwohner inzwischen
einen Dolmetscher der Franzosen ermordet und sich aus Furcht vor der Rache
anderswo angebaut hatten. Der Abend senkte sich bereits auf den einsamen
Wald, als der Jesuit nach langem Suchen die Rindendächer der neuen Nieder¬
lassung Jhonatiria inmitten einer Lichtung vor sich erblickte und bald darauf
bei dem wohlhabenden und gastfreien Huronen Awandoay Unterkunft fand.

Allmählich, aber erst nach Wochen, stellten sich hier auch die andern
Jesuiten ein, Daniel todmüde und abgespannt, Davost fast verhungert, ihre
französischen Begleiter in ähnlichem Zustande, und jetzt konnte das Werk der
Mission mit dem Bau eines Hauses beginnen. Die Indianer halfen dabei,
und bald war es nach huronischem Muster vollendet. Man rannte junge
Baumstämme in zwei Reihen in den Boden, indem man 20 Fuß Raum
zwischen beiden Reihen ließ, band die oberen Enden der Stämme bogenartig
zusammen, befestigte das Ganze mit Querbalken und deckte das Dach mit
Baumrinde. Von außen unterschied sich dieses Haus in nichts von den Häusern
der indianischen Nachbarn. Im Innern dagegen trafen die Priester mit ihren
Werkzeugen Einrichtungen, welche jene in Staunen versetzten. Der etwa 36
Fuß lange Raum des Hauses wurde durch Querwände mit Thüren in 3
Gemächer geschieden, von denen das erste als Vorsaal und Vorrathsraum für
Mais, Bohnen und getrocknete Fische, das zweite als Wohnstube, Küche, Werk¬
statt, Schlafzimmer und Schule dienen und das dritte die Kapelle sein sollte. Im
letzteren bauten die Jesuiten einen Altar, auch befanden sich hier ihre Heiligen¬
bilder und Kirchengeräthe. Ihr Feuer brannte in der Mitte des zweiten
Gemachs, wo der Rauch sich durch ein Loch im Dache seinen Weg suchte,
häufig ohne ihn zu finden. An den Seiten waren hohe Bänke mit den Kisten
angebracht, in denen die Bewohner des Hauses ihre Kleider und Meßgewänder
verwahrten, und unter denen sie auf Baumrinden schliefen, die mit Fellen bedeckt
waren. Rohe Stühle, eine Handmtthle, ein Mörser von Holz zum Stampfen
der Korufrüchte und eine Uhr vervollständigten die Gerätschaften dieses Zimmers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/380>, abgerufen am 27.11.2024.