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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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breiten und im ferneren Verlaufe die Nachbarn, die Tabaksnation, die Neu¬
tralen, die Erich und die Antasten, ja mit Hilfe der heiligen Jungfrau und
Sankt Joseph's, ihres Schutzpatrons, auch die wilden Irokesen im Südosten
der Heerde Gottes zuführen.

Zweifellos wollten sie dabei im Einklang mit der weltlichen Politik
Frankreich's handeln, das Ländergebiet ihres Königs ausdehnen und den Handel
ihres Volkes fördern. Die Grundlage der französischen Herrschaft sollte der
Gehorsam des Wilden vor dem Priester sein. Hatte sich sein steifer Nacken
dem Glauben gebeugt, so war der weltliche Herrscher vor Empörung und Abfall
gesichert. Die blutgierigen Horden sollten der Entzweiung entrissen und zu
gemeinsamer Unterwerfung unter Gottes und des Königs Willen vereinigt
werden. Mit französischen Händlern und Kolonisten gemischt, durch französische
Sitte gezähmt, von französischen Offizieren befehligt, sollten ihre bis dahin sich
befehdenden Stämme zu einem ungeheuren Reiche in der Wildniß verschmolzen
werden, dessen Macht einst die Spanier und die Engländer aus Amerika hinaus¬
drängen sollte.

Es war aber auch ein geistlicher Kreuzzug, den die Jünger Loyola's im
Auge hatten. In ihrer Vorstellung war das Land der Huronen die innerste
Burg des Satans. Sie sahen alle Waffen seiner Bosheit gegen sich, die kühnen
Eindringlinge, gerichtet. Sie kannten die Gefahren, die ihrer auf der langen
Fahrt warteten, und sie wußten, daß das Ziel derselben noch trostloser war.
Aber Menschen ihrer Art verzagten davor nicht. Die schwere Arbeit, die Ent¬
behrung, die Kälte und der Hunger, die Einsamkeit und die Beleidigungen und
Drohungen von Seiten der Heiden, die ihrer harrten, verdoppelten nur den
Eifer des furchtlosen Priesters. Er machte das Zeichen des Kreuzes, rief den
heiligen Ignaz oder Xaver an, küßte sein Reliquienküstchen, las der Jungfrau
einige Messen und war dann, glühender Zuversicht voll, freudig bereit, den
Streit mit der Hölle zu bestehen.

Unter sehr ungünstigen Umständen traten im Sommer 1634 die drei
Jesuiten Brebeuf, Davost und Daniel mit einigen andern Franzosen
die Reise in das Huronenland an, indem sie sich einer von dort des Handels
wegen nach Quebek gekommenen Jndianerflotte anschlössen. Die Wilden nahmen
sie ungern mit. Sie waren niedergeschlagen über die Niederlagen, welche die
Nation kurz vorher durch die Irokesen erlitten, und noch mehr über die schreck¬
liche Seuche, die in dieser Zeit ihre Städte heimsuchte und Massen von Menschen
hinraffte. Die Entfernung ihres Zieles von Quebek betrug 900 Meilen. Ihr
Weg führte über Ströme mit Wasserfällen und Untiefen voll scharfer Felsen
und durch dichte, pfadlose, finstre Wälder. 35 Mal sahen sie sich genöthigt,
ihre Kanoes aus dem Wasser zu heben und Strecken weit um Stromschnellen


breiten und im ferneren Verlaufe die Nachbarn, die Tabaksnation, die Neu¬
tralen, die Erich und die Antasten, ja mit Hilfe der heiligen Jungfrau und
Sankt Joseph's, ihres Schutzpatrons, auch die wilden Irokesen im Südosten
der Heerde Gottes zuführen.

Zweifellos wollten sie dabei im Einklang mit der weltlichen Politik
Frankreich's handeln, das Ländergebiet ihres Königs ausdehnen und den Handel
ihres Volkes fördern. Die Grundlage der französischen Herrschaft sollte der
Gehorsam des Wilden vor dem Priester sein. Hatte sich sein steifer Nacken
dem Glauben gebeugt, so war der weltliche Herrscher vor Empörung und Abfall
gesichert. Die blutgierigen Horden sollten der Entzweiung entrissen und zu
gemeinsamer Unterwerfung unter Gottes und des Königs Willen vereinigt
werden. Mit französischen Händlern und Kolonisten gemischt, durch französische
Sitte gezähmt, von französischen Offizieren befehligt, sollten ihre bis dahin sich
befehdenden Stämme zu einem ungeheuren Reiche in der Wildniß verschmolzen
werden, dessen Macht einst die Spanier und die Engländer aus Amerika hinaus¬
drängen sollte.

Es war aber auch ein geistlicher Kreuzzug, den die Jünger Loyola's im
Auge hatten. In ihrer Vorstellung war das Land der Huronen die innerste
Burg des Satans. Sie sahen alle Waffen seiner Bosheit gegen sich, die kühnen
Eindringlinge, gerichtet. Sie kannten die Gefahren, die ihrer auf der langen
Fahrt warteten, und sie wußten, daß das Ziel derselben noch trostloser war.
Aber Menschen ihrer Art verzagten davor nicht. Die schwere Arbeit, die Ent¬
behrung, die Kälte und der Hunger, die Einsamkeit und die Beleidigungen und
Drohungen von Seiten der Heiden, die ihrer harrten, verdoppelten nur den
Eifer des furchtlosen Priesters. Er machte das Zeichen des Kreuzes, rief den
heiligen Ignaz oder Xaver an, küßte sein Reliquienküstchen, las der Jungfrau
einige Messen und war dann, glühender Zuversicht voll, freudig bereit, den
Streit mit der Hölle zu bestehen.

Unter sehr ungünstigen Umständen traten im Sommer 1634 die drei
Jesuiten Brebeuf, Davost und Daniel mit einigen andern Franzosen
die Reise in das Huronenland an, indem sie sich einer von dort des Handels
wegen nach Quebek gekommenen Jndianerflotte anschlössen. Die Wilden nahmen
sie ungern mit. Sie waren niedergeschlagen über die Niederlagen, welche die
Nation kurz vorher durch die Irokesen erlitten, und noch mehr über die schreck¬
liche Seuche, die in dieser Zeit ihre Städte heimsuchte und Massen von Menschen
hinraffte. Die Entfernung ihres Zieles von Quebek betrug 900 Meilen. Ihr
Weg führte über Ströme mit Wasserfällen und Untiefen voll scharfer Felsen
und durch dichte, pfadlose, finstre Wälder. 35 Mal sahen sie sich genöthigt,
ihre Kanoes aus dem Wasser zu heben und Strecken weit um Stromschnellen


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[0379] breiten und im ferneren Verlaufe die Nachbarn, die Tabaksnation, die Neu¬ tralen, die Erich und die Antasten, ja mit Hilfe der heiligen Jungfrau und Sankt Joseph's, ihres Schutzpatrons, auch die wilden Irokesen im Südosten der Heerde Gottes zuführen. Zweifellos wollten sie dabei im Einklang mit der weltlichen Politik Frankreich's handeln, das Ländergebiet ihres Königs ausdehnen und den Handel ihres Volkes fördern. Die Grundlage der französischen Herrschaft sollte der Gehorsam des Wilden vor dem Priester sein. Hatte sich sein steifer Nacken dem Glauben gebeugt, so war der weltliche Herrscher vor Empörung und Abfall gesichert. Die blutgierigen Horden sollten der Entzweiung entrissen und zu gemeinsamer Unterwerfung unter Gottes und des Königs Willen vereinigt werden. Mit französischen Händlern und Kolonisten gemischt, durch französische Sitte gezähmt, von französischen Offizieren befehligt, sollten ihre bis dahin sich befehdenden Stämme zu einem ungeheuren Reiche in der Wildniß verschmolzen werden, dessen Macht einst die Spanier und die Engländer aus Amerika hinaus¬ drängen sollte. Es war aber auch ein geistlicher Kreuzzug, den die Jünger Loyola's im Auge hatten. In ihrer Vorstellung war das Land der Huronen die innerste Burg des Satans. Sie sahen alle Waffen seiner Bosheit gegen sich, die kühnen Eindringlinge, gerichtet. Sie kannten die Gefahren, die ihrer auf der langen Fahrt warteten, und sie wußten, daß das Ziel derselben noch trostloser war. Aber Menschen ihrer Art verzagten davor nicht. Die schwere Arbeit, die Ent¬ behrung, die Kälte und der Hunger, die Einsamkeit und die Beleidigungen und Drohungen von Seiten der Heiden, die ihrer harrten, verdoppelten nur den Eifer des furchtlosen Priesters. Er machte das Zeichen des Kreuzes, rief den heiligen Ignaz oder Xaver an, küßte sein Reliquienküstchen, las der Jungfrau einige Messen und war dann, glühender Zuversicht voll, freudig bereit, den Streit mit der Hölle zu bestehen. Unter sehr ungünstigen Umständen traten im Sommer 1634 die drei Jesuiten Brebeuf, Davost und Daniel mit einigen andern Franzosen die Reise in das Huronenland an, indem sie sich einer von dort des Handels wegen nach Quebek gekommenen Jndianerflotte anschlössen. Die Wilden nahmen sie ungern mit. Sie waren niedergeschlagen über die Niederlagen, welche die Nation kurz vorher durch die Irokesen erlitten, und noch mehr über die schreck¬ liche Seuche, die in dieser Zeit ihre Städte heimsuchte und Massen von Menschen hinraffte. Die Entfernung ihres Zieles von Quebek betrug 900 Meilen. Ihr Weg führte über Ströme mit Wasserfällen und Untiefen voll scharfer Felsen und durch dichte, pfadlose, finstre Wälder. 35 Mal sahen sie sich genöthigt, ihre Kanoes aus dem Wasser zu heben und Strecken weit um Stromschnellen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/379>, abgerufen am 27.11.2024.