Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.des echten Gemüths. Eines Streiches von solcher Schalkhaftigkeit aus seinem Haydn's Wirkung auf >das Publikum that sich bei seinem zweiten Aufent¬ des echten Gemüths. Eines Streiches von solcher Schalkhaftigkeit aus seinem Haydn's Wirkung auf >das Publikum that sich bei seinem zweiten Aufent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142869"/> <p xml:id="ID_1086" prev="#ID_1085"> des echten Gemüths. Eines Streiches von solcher Schalkhaftigkeit aus seinem<lb/> Leben gerade hier in London erwähnte er selbst gegen Dies und Andere. Er<lb/> stand in genauer Bekanntschaft mit einem Deutschen, der sich auf der Violine<lb/> eine an Virtuosität grenzende Fertigkeit erworben hatte, aber die üble Gewohn-<lb/> heit besaß, sich immer in die höchsten Töne in der Nähe des Steges zu ver-<lb/> steigen. Haydn wollte versuchen, ob dem Dilettanten nicht diese Schwäche zu<lb/> verleiden und Gefühl für tüchtiges Spiel beizubringen sei. Dieser besuchte nun<lb/> oft ein Fräulein Janson, die sehr fertig Klavier spielte, und die er dabei zu<lb/> begleiten pflegte. Haydn schrieb also eine Sonate für beide, betitelte sie „Jakobs<lb/> Traum" und sandte sie ohne Namen und versiegelt der Dame zu, die denn<lb/> anch nicht zögerte, das dem Anschein nach leichte Werkchen mit dem Geiger zu<lb/> versuchen. Es dauerte nicht lange, so flogen die Passagen nur so, die in der<lb/> dritten Position der Violine angebracht waren. Der Geiger schwelgte. „Sehr<lb/> gut geschrieben, man sieht, der Komponist kennt das Instrument", sagte er.<lb/> Anstatt aber endlich in möglichere Regionen herabzusteigen, ging es zur fünften,<lb/> sechsten und zuletzt gar zur siebenten Position hinauf. Des Spielers Finger<lb/> liefen immer zusammengedrängter wie Ameisen durcheinander. Auf dem Instru¬<lb/> ment herumkrabbelnd und die Passagen überstürzend, rief er mit Angstschweiß<lb/> auf der Stirne: „Ist das erhört, so etwas zusammenzuschmieren? Der Mensch<lb/> versteht ja gar nicht für Violine zu schreiben." Das Fräulein war bald auf die<lb/> Spur gekommen, daß der Komponist mit diesen hohen Passagen die — Himmels¬<lb/> leiter, die Jakob im Traume sah, hatte vorstellen wollen, und je mehr sie be¬<lb/> merkte, daß ihr Begleiter auf dieser Leiter bald schwerfällig oder unsicher<lb/> stolpernd, bald taumelnd oder hüpfend auf und abstieg, kam ihr die Sache so<lb/> komisch vor, daß sie das Lachen nicht verbergen konnte, bis denn das Unge-<lb/> witter losbrach, von dem wir annehmen wollen, daß es den Dilettanten selbst<lb/> von seiner thörichten Sucht heilte. Erst nach fünf bis sechs Monaten kam es<lb/> an den Tag, wer der Komponist gewesen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087" next="#ID_1088"> Haydn's Wirkung auf >das Publikum that sich bei seinem zweiten Aufent¬<lb/> halte in London noch bedeutend höher kund als früher. Salomon durfte sogar<lb/> öffentlich, wem: auch etwas verblümt, dem „stolzen England" sagen, daß seine<lb/> Haydn-Konzerte nicht ohne Einfluß auf das öffentliche Interesse, das heißt den<lb/> Geschmack für und in Musik geblieben seien. Im Frühjahr 1795 sah ihn<lb/> auch das Königspaar mehrmals. Zum ersten Mal war es bei der sehr musi¬<lb/> kalischen jungen Herzogin von York, wo der Prinz von Wales ihn vorstellte.<lb/> Georg III. war sonst nur für Händel eingenommen. Schreibt doch 1786<lb/> PH. E. Bach von ihm: „Das Possierlichste von allem ist die gnädige Vorsicht,<lb/> wodurch Händel's Jugendarbeiten bis aufs äußerste verwahrt werden!" Allein<lb/> er zeigte an diesem Abend, wo unter SaloMon's Leitung von dem königlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0372]
des echten Gemüths. Eines Streiches von solcher Schalkhaftigkeit aus seinem
Leben gerade hier in London erwähnte er selbst gegen Dies und Andere. Er
stand in genauer Bekanntschaft mit einem Deutschen, der sich auf der Violine
eine an Virtuosität grenzende Fertigkeit erworben hatte, aber die üble Gewohn-
heit besaß, sich immer in die höchsten Töne in der Nähe des Steges zu ver-
steigen. Haydn wollte versuchen, ob dem Dilettanten nicht diese Schwäche zu
verleiden und Gefühl für tüchtiges Spiel beizubringen sei. Dieser besuchte nun
oft ein Fräulein Janson, die sehr fertig Klavier spielte, und die er dabei zu
begleiten pflegte. Haydn schrieb also eine Sonate für beide, betitelte sie „Jakobs
Traum" und sandte sie ohne Namen und versiegelt der Dame zu, die denn
anch nicht zögerte, das dem Anschein nach leichte Werkchen mit dem Geiger zu
versuchen. Es dauerte nicht lange, so flogen die Passagen nur so, die in der
dritten Position der Violine angebracht waren. Der Geiger schwelgte. „Sehr
gut geschrieben, man sieht, der Komponist kennt das Instrument", sagte er.
Anstatt aber endlich in möglichere Regionen herabzusteigen, ging es zur fünften,
sechsten und zuletzt gar zur siebenten Position hinauf. Des Spielers Finger
liefen immer zusammengedrängter wie Ameisen durcheinander. Auf dem Instru¬
ment herumkrabbelnd und die Passagen überstürzend, rief er mit Angstschweiß
auf der Stirne: „Ist das erhört, so etwas zusammenzuschmieren? Der Mensch
versteht ja gar nicht für Violine zu schreiben." Das Fräulein war bald auf die
Spur gekommen, daß der Komponist mit diesen hohen Passagen die — Himmels¬
leiter, die Jakob im Traume sah, hatte vorstellen wollen, und je mehr sie be¬
merkte, daß ihr Begleiter auf dieser Leiter bald schwerfällig oder unsicher
stolpernd, bald taumelnd oder hüpfend auf und abstieg, kam ihr die Sache so
komisch vor, daß sie das Lachen nicht verbergen konnte, bis denn das Unge-
witter losbrach, von dem wir annehmen wollen, daß es den Dilettanten selbst
von seiner thörichten Sucht heilte. Erst nach fünf bis sechs Monaten kam es
an den Tag, wer der Komponist gewesen war.
Haydn's Wirkung auf >das Publikum that sich bei seinem zweiten Aufent¬
halte in London noch bedeutend höher kund als früher. Salomon durfte sogar
öffentlich, wem: auch etwas verblümt, dem „stolzen England" sagen, daß seine
Haydn-Konzerte nicht ohne Einfluß auf das öffentliche Interesse, das heißt den
Geschmack für und in Musik geblieben seien. Im Frühjahr 1795 sah ihn
auch das Königspaar mehrmals. Zum ersten Mal war es bei der sehr musi¬
kalischen jungen Herzogin von York, wo der Prinz von Wales ihn vorstellte.
Georg III. war sonst nur für Händel eingenommen. Schreibt doch 1786
PH. E. Bach von ihm: „Das Possierlichste von allem ist die gnädige Vorsicht,
wodurch Händel's Jugendarbeiten bis aufs äußerste verwahrt werden!" Allein
er zeigte an diesem Abend, wo unter SaloMon's Leitung von dem königlichen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |