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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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identisch. In dem Maße, als der Wille, sich vom Zuge der Ideen fern hält,
verliert er die Freiheit, verfällt er der Nothwendigkeit oder richtiger dem Zwange
des psychischen Mechanismus; in dem Maße, als er jenem Zuge der Ideen
folgt, gewinnt er die Freiheit und wird eine Macht über den Kräften des
psychischen Mechanismus.

Natürlich meinen wir nicht, die angebornen Ideen seien fix und fertig dem
menschlichen Geiste einwohnend; dieser hat nichts als Eigenthum, was er nicht
erworben hätte, er befolgt nichts, was nicht von unscheinbaren Anfängen an
sich entwickeln mußte. So ist auch die Ideenwelt einer Entwickelung bedürftig,
und diese geht nicht ohne die That des Menschen vor sich. Aber -- und das
ist es, worauf es ankommt -- sie stammt nicht von außen, sie ist nicht das
Ergebniß der Bearbeitung von Eindrücken, welche die Sinne der Seele zuge¬
tragen haben, sondern ein ursprünglicher Bestandtheil der Ausstattung des
menschlichen Wesens. Sie bethätigt sich innerhalb des sinnlichen Daseins, sie
regulirt die Fülle der psychischen Elemente, aber sie selbst ist weder physisch
noch psychisch, sondern gehört einer höheren Sphäre des Seienden an, sie
ist ethisch.

Handelt es sich also um die Bedeutung des Materialismus, so werden
wir dieselbe anders, als Flügel es thut, bestimmen müssen. Wir sehen in ihm
die bis zur absoluten Einseitigkeit fortgebildete Konsequenz in der Richtung
der modernen Naturwissenschaft, die Gesetzmäßigkeit alles Geschehens zu be¬
haupten. Diese ist in ihrem vollen Rechte, sowie sie sich auf ihr Gebiet be-
fchrünkt. Geht sie aber darüber hinaus, gibt sie den für sie giltigen Erfah¬
rungen allgemeine Geltung, so betritt sie einen falschen Weg. Denn schon das
psychologische Gebiet, da es doch nur relativ vom ethischen sich sondern läßt
-- denn die Psyche ist nicht ohne Ethos --, widerstreitet der Theorie von der
absoluten Gesetzmäßigkeit alles Geschehens. Wird nun aber dieser falsche Weg
beschütten, werden alle Funktionen des geistigen Lebens als mit unbedingter
Nothwendigkeit erfolgend vorausgesetzt, so hört damit auch der spezifische Unter¬
schied zwischen dem Physischen und Psychischen auf, es ist aber alles nennr
geworden, und da ja das vom Ethischen losgelöste Psychische dem Physischen
schlechthin unterworfen ist, keine Widerstandskraft diesem gegenüber besitzt, so
liegt es nahe, das Psychische als Funktion, als Ausstrahlung des Physischen
anzusehen. Es liegt nahe, wenn es auch von diesem Standpunkte aus ein
Irrthum ist, oder richtiger eine unbegründete Theorie. Denn wie wir sehen
werden, besteht immer noch zwischen Physischen und Psychischen eine so große
Differenz, daß dieses aus jenem abzuleiten unzulässig ist. Aber es bleibt ja
immer noch die Möglichkeit, das Psychische als eine eigenthümliche Funktion
der Materie zu betrachten, deren Ursprung ans letzterer nur nicht wissenschaftlich


identisch. In dem Maße, als der Wille, sich vom Zuge der Ideen fern hält,
verliert er die Freiheit, verfällt er der Nothwendigkeit oder richtiger dem Zwange
des psychischen Mechanismus; in dem Maße, als er jenem Zuge der Ideen
folgt, gewinnt er die Freiheit und wird eine Macht über den Kräften des
psychischen Mechanismus.

Natürlich meinen wir nicht, die angebornen Ideen seien fix und fertig dem
menschlichen Geiste einwohnend; dieser hat nichts als Eigenthum, was er nicht
erworben hätte, er befolgt nichts, was nicht von unscheinbaren Anfängen an
sich entwickeln mußte. So ist auch die Ideenwelt einer Entwickelung bedürftig,
und diese geht nicht ohne die That des Menschen vor sich. Aber — und das
ist es, worauf es ankommt — sie stammt nicht von außen, sie ist nicht das
Ergebniß der Bearbeitung von Eindrücken, welche die Sinne der Seele zuge¬
tragen haben, sondern ein ursprünglicher Bestandtheil der Ausstattung des
menschlichen Wesens. Sie bethätigt sich innerhalb des sinnlichen Daseins, sie
regulirt die Fülle der psychischen Elemente, aber sie selbst ist weder physisch
noch psychisch, sondern gehört einer höheren Sphäre des Seienden an, sie
ist ethisch.

Handelt es sich also um die Bedeutung des Materialismus, so werden
wir dieselbe anders, als Flügel es thut, bestimmen müssen. Wir sehen in ihm
die bis zur absoluten Einseitigkeit fortgebildete Konsequenz in der Richtung
der modernen Naturwissenschaft, die Gesetzmäßigkeit alles Geschehens zu be¬
haupten. Diese ist in ihrem vollen Rechte, sowie sie sich auf ihr Gebiet be-
fchrünkt. Geht sie aber darüber hinaus, gibt sie den für sie giltigen Erfah¬
rungen allgemeine Geltung, so betritt sie einen falschen Weg. Denn schon das
psychologische Gebiet, da es doch nur relativ vom ethischen sich sondern läßt
— denn die Psyche ist nicht ohne Ethos —, widerstreitet der Theorie von der
absoluten Gesetzmäßigkeit alles Geschehens. Wird nun aber dieser falsche Weg
beschütten, werden alle Funktionen des geistigen Lebens als mit unbedingter
Nothwendigkeit erfolgend vorausgesetzt, so hört damit auch der spezifische Unter¬
schied zwischen dem Physischen und Psychischen auf, es ist aber alles nennr
geworden, und da ja das vom Ethischen losgelöste Psychische dem Physischen
schlechthin unterworfen ist, keine Widerstandskraft diesem gegenüber besitzt, so
liegt es nahe, das Psychische als Funktion, als Ausstrahlung des Physischen
anzusehen. Es liegt nahe, wenn es auch von diesem Standpunkte aus ein
Irrthum ist, oder richtiger eine unbegründete Theorie. Denn wie wir sehen
werden, besteht immer noch zwischen Physischen und Psychischen eine so große
Differenz, daß dieses aus jenem abzuleiten unzulässig ist. Aber es bleibt ja
immer noch die Möglichkeit, das Psychische als eine eigenthümliche Funktion
der Materie zu betrachten, deren Ursprung ans letzterer nur nicht wissenschaftlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/360>, abgerufen am 27.11.2024.