Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

der ihm bald nach der Geburt von dem Vater gegeben wurde, es gab nur
Einzelnamen, wie Dietrich (d. i. der Volksherrscher), Walther (Heerwalter),
Albrecht (Adalbert Adelglänzeud). Als aber die Bevölkerung zunahm, und be¬
sonders in den Städten die Menschen sich zusammendrängten, als die Lebens¬
verhältnisse in Folge dessen verwickelter wurden, stellte sich die Nothwendigkeit
einer genaueren Bezeichnung des Einzelnen wie des Geschlechts-Zusammenhanges
heraus. Das Nächstliegende war, daß man zur näheren Bezeichnung einer
Person den Namen des Vaters im Genitiv hinzusetzte: Dietrich Friedrichs
(nämlich Sohn). Dasselbe Verfahren finden wir schon bei den Griechen, wo
es ja auch heißt: Kimou, der Sohn des Miltiades, Demosthenes, der Sohn des
Demosthenes, ebenso bei den Hebräern, wie wir ja in der Bibel von Josua,
dem Sohne des Nun, lesen, und noch heutigen Tages ist dies die übliche Be¬
zeichnung bei den Russen; auch diese wenden im gewöhnlichen Verkehr nicht
die Familiennamen an, sondern setzen zum Vornamen den Namen des Vaters
mit der Patronyinikon-Endung hinzu, z. B. Nicolai Nicolajewitsch, Anna Alexan-
drowna. Gab es nnn neben dem Dietrich Friedrichs (Sohn) auch einen
Konrad Friedrichs (Sohn) und eine Gertrud Friedrichs (Tochter), so lag es
nahe, in dem Namen Friedrichs die Bezeichnung der Familie zu erblicken, und
so entstanden aus den Einzelnamen Familiennamen. Diese haben zum Theil
die Genetivform beibehalten, wie Ebers, Jacobs, Mertens (Martin), Steffens
(Stephan), Georges, Cortes (von Kurt), oder mit lateinischen Endungen Eberti,
Jacobi, Martini, Stephani, Georgi, Andreä, Zachariä, Lucä, Davidis, Micha¬
elis; oder es wird geradezu das Wort Sohn an den Namen angehängt, wie in
Petersohn, Philippsohn, Mendelssohn, Johnson, Matthisson, auch verkürzt nach
norddeutscher Art zu "sen" in Jansen (Johannsohn), Umdrehen, Clausen oder
Clasen (Nieolaussohn), Petersen, Friedrichsen. Später wurde diese Bezeich¬
nung des Abhängigkeits-Verhältnisses weggelassen, aus unserm Dietrich Fried¬
richs oder Friedrichsen oder Friderici wurde einfach Dietrich Friedrich. Ein
Beispiel dieses Ueberganges schon aus alter Zeit gibt uns Umdrehen in
seinen altdeutschen Personennamen: darnach führt ein im 12. Jahrhundert zu
Köln lebender Henricus, dessen Vater Nazo hieß, zum Unterschiede von anderen
Heinrichen den Namen Henricus Razonis; derselbe Mann nennt sich aber bald
darauf einfach Henricus Razo. Wir sehen also, wie bei Einführung der
Familiennamen in vielen Fällen einfach der alte Personenname dazu verwandt
wurde, das Geschlecht zu bezeichnen. So kommt es, daß Namen wie Otto,
Walther, Hermann, Werner, Gottfried jetzt ebenso als Geschlechtsnamen wie als
Vornamen gebraucht werden.

Aber dies Hinzusetzen des Vaternamens war meist noch nicht aus¬
reichend zur genauen Bezeichnung des Individuums. Es wurden daher noch


der ihm bald nach der Geburt von dem Vater gegeben wurde, es gab nur
Einzelnamen, wie Dietrich (d. i. der Volksherrscher), Walther (Heerwalter),
Albrecht (Adalbert Adelglänzeud). Als aber die Bevölkerung zunahm, und be¬
sonders in den Städten die Menschen sich zusammendrängten, als die Lebens¬
verhältnisse in Folge dessen verwickelter wurden, stellte sich die Nothwendigkeit
einer genaueren Bezeichnung des Einzelnen wie des Geschlechts-Zusammenhanges
heraus. Das Nächstliegende war, daß man zur näheren Bezeichnung einer
Person den Namen des Vaters im Genitiv hinzusetzte: Dietrich Friedrichs
(nämlich Sohn). Dasselbe Verfahren finden wir schon bei den Griechen, wo
es ja auch heißt: Kimou, der Sohn des Miltiades, Demosthenes, der Sohn des
Demosthenes, ebenso bei den Hebräern, wie wir ja in der Bibel von Josua,
dem Sohne des Nun, lesen, und noch heutigen Tages ist dies die übliche Be¬
zeichnung bei den Russen; auch diese wenden im gewöhnlichen Verkehr nicht
die Familiennamen an, sondern setzen zum Vornamen den Namen des Vaters
mit der Patronyinikon-Endung hinzu, z. B. Nicolai Nicolajewitsch, Anna Alexan-
drowna. Gab es nnn neben dem Dietrich Friedrichs (Sohn) auch einen
Konrad Friedrichs (Sohn) und eine Gertrud Friedrichs (Tochter), so lag es
nahe, in dem Namen Friedrichs die Bezeichnung der Familie zu erblicken, und
so entstanden aus den Einzelnamen Familiennamen. Diese haben zum Theil
die Genetivform beibehalten, wie Ebers, Jacobs, Mertens (Martin), Steffens
(Stephan), Georges, Cortes (von Kurt), oder mit lateinischen Endungen Eberti,
Jacobi, Martini, Stephani, Georgi, Andreä, Zachariä, Lucä, Davidis, Micha¬
elis; oder es wird geradezu das Wort Sohn an den Namen angehängt, wie in
Petersohn, Philippsohn, Mendelssohn, Johnson, Matthisson, auch verkürzt nach
norddeutscher Art zu „sen" in Jansen (Johannsohn), Umdrehen, Clausen oder
Clasen (Nieolaussohn), Petersen, Friedrichsen. Später wurde diese Bezeich¬
nung des Abhängigkeits-Verhältnisses weggelassen, aus unserm Dietrich Fried¬
richs oder Friedrichsen oder Friderici wurde einfach Dietrich Friedrich. Ein
Beispiel dieses Ueberganges schon aus alter Zeit gibt uns Umdrehen in
seinen altdeutschen Personennamen: darnach führt ein im 12. Jahrhundert zu
Köln lebender Henricus, dessen Vater Nazo hieß, zum Unterschiede von anderen
Heinrichen den Namen Henricus Razonis; derselbe Mann nennt sich aber bald
darauf einfach Henricus Razo. Wir sehen also, wie bei Einführung der
Familiennamen in vielen Fällen einfach der alte Personenname dazu verwandt
wurde, das Geschlecht zu bezeichnen. So kommt es, daß Namen wie Otto,
Walther, Hermann, Werner, Gottfried jetzt ebenso als Geschlechtsnamen wie als
Vornamen gebraucht werden.

Aber dies Hinzusetzen des Vaternamens war meist noch nicht aus¬
reichend zur genauen Bezeichnung des Individuums. Es wurden daher noch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142828"/>
          <p xml:id="ID_969" prev="#ID_968"> der ihm bald nach der Geburt von dem Vater gegeben wurde, es gab nur<lb/>
Einzelnamen, wie Dietrich (d. i. der Volksherrscher), Walther (Heerwalter),<lb/>
Albrecht (Adalbert Adelglänzeud). Als aber die Bevölkerung zunahm, und be¬<lb/>
sonders in den Städten die Menschen sich zusammendrängten, als die Lebens¬<lb/>
verhältnisse in Folge dessen verwickelter wurden, stellte sich die Nothwendigkeit<lb/>
einer genaueren Bezeichnung des Einzelnen wie des Geschlechts-Zusammenhanges<lb/>
heraus. Das Nächstliegende war, daß man zur näheren Bezeichnung einer<lb/>
Person den Namen des Vaters im Genitiv hinzusetzte: Dietrich Friedrichs<lb/>
(nämlich Sohn). Dasselbe Verfahren finden wir schon bei den Griechen, wo<lb/>
es ja auch heißt: Kimou, der Sohn des Miltiades, Demosthenes, der Sohn des<lb/>
Demosthenes, ebenso bei den Hebräern, wie wir ja in der Bibel von Josua,<lb/>
dem Sohne des Nun, lesen, und noch heutigen Tages ist dies die übliche Be¬<lb/>
zeichnung bei den Russen; auch diese wenden im gewöhnlichen Verkehr nicht<lb/>
die Familiennamen an, sondern setzen zum Vornamen den Namen des Vaters<lb/>
mit der Patronyinikon-Endung hinzu, z. B. Nicolai Nicolajewitsch, Anna Alexan-<lb/>
drowna. Gab es nnn neben dem Dietrich Friedrichs (Sohn) auch einen<lb/>
Konrad Friedrichs (Sohn) und eine Gertrud Friedrichs (Tochter), so lag es<lb/>
nahe, in dem Namen Friedrichs die Bezeichnung der Familie zu erblicken, und<lb/>
so entstanden aus den Einzelnamen Familiennamen. Diese haben zum Theil<lb/>
die Genetivform beibehalten, wie Ebers, Jacobs, Mertens (Martin), Steffens<lb/>
(Stephan), Georges, Cortes (von Kurt), oder mit lateinischen Endungen Eberti,<lb/>
Jacobi, Martini, Stephani, Georgi, Andreä, Zachariä, Lucä, Davidis, Micha¬<lb/>
elis; oder es wird geradezu das Wort Sohn an den Namen angehängt, wie in<lb/>
Petersohn, Philippsohn, Mendelssohn, Johnson, Matthisson, auch verkürzt nach<lb/>
norddeutscher Art zu &#x201E;sen" in Jansen (Johannsohn), Umdrehen, Clausen oder<lb/>
Clasen (Nieolaussohn), Petersen, Friedrichsen. Später wurde diese Bezeich¬<lb/>
nung des Abhängigkeits-Verhältnisses weggelassen, aus unserm Dietrich Fried¬<lb/>
richs oder Friedrichsen oder Friderici wurde einfach Dietrich Friedrich. Ein<lb/>
Beispiel dieses Ueberganges schon aus alter Zeit gibt uns Umdrehen in<lb/>
seinen altdeutschen Personennamen: darnach führt ein im 12. Jahrhundert zu<lb/>
Köln lebender Henricus, dessen Vater Nazo hieß, zum Unterschiede von anderen<lb/>
Heinrichen den Namen Henricus Razonis; derselbe Mann nennt sich aber bald<lb/>
darauf einfach Henricus Razo. Wir sehen also, wie bei Einführung der<lb/>
Familiennamen in vielen Fällen einfach der alte Personenname dazu verwandt<lb/>
wurde, das Geschlecht zu bezeichnen. So kommt es, daß Namen wie Otto,<lb/>
Walther, Hermann, Werner, Gottfried jetzt ebenso als Geschlechtsnamen wie als<lb/>
Vornamen gebraucht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_970" next="#ID_971"> Aber dies Hinzusetzen des Vaternamens war meist noch nicht aus¬<lb/>
reichend zur genauen Bezeichnung des Individuums. Es wurden daher noch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0331] der ihm bald nach der Geburt von dem Vater gegeben wurde, es gab nur Einzelnamen, wie Dietrich (d. i. der Volksherrscher), Walther (Heerwalter), Albrecht (Adalbert Adelglänzeud). Als aber die Bevölkerung zunahm, und be¬ sonders in den Städten die Menschen sich zusammendrängten, als die Lebens¬ verhältnisse in Folge dessen verwickelter wurden, stellte sich die Nothwendigkeit einer genaueren Bezeichnung des Einzelnen wie des Geschlechts-Zusammenhanges heraus. Das Nächstliegende war, daß man zur näheren Bezeichnung einer Person den Namen des Vaters im Genitiv hinzusetzte: Dietrich Friedrichs (nämlich Sohn). Dasselbe Verfahren finden wir schon bei den Griechen, wo es ja auch heißt: Kimou, der Sohn des Miltiades, Demosthenes, der Sohn des Demosthenes, ebenso bei den Hebräern, wie wir ja in der Bibel von Josua, dem Sohne des Nun, lesen, und noch heutigen Tages ist dies die übliche Be¬ zeichnung bei den Russen; auch diese wenden im gewöhnlichen Verkehr nicht die Familiennamen an, sondern setzen zum Vornamen den Namen des Vaters mit der Patronyinikon-Endung hinzu, z. B. Nicolai Nicolajewitsch, Anna Alexan- drowna. Gab es nnn neben dem Dietrich Friedrichs (Sohn) auch einen Konrad Friedrichs (Sohn) und eine Gertrud Friedrichs (Tochter), so lag es nahe, in dem Namen Friedrichs die Bezeichnung der Familie zu erblicken, und so entstanden aus den Einzelnamen Familiennamen. Diese haben zum Theil die Genetivform beibehalten, wie Ebers, Jacobs, Mertens (Martin), Steffens (Stephan), Georges, Cortes (von Kurt), oder mit lateinischen Endungen Eberti, Jacobi, Martini, Stephani, Georgi, Andreä, Zachariä, Lucä, Davidis, Micha¬ elis; oder es wird geradezu das Wort Sohn an den Namen angehängt, wie in Petersohn, Philippsohn, Mendelssohn, Johnson, Matthisson, auch verkürzt nach norddeutscher Art zu „sen" in Jansen (Johannsohn), Umdrehen, Clausen oder Clasen (Nieolaussohn), Petersen, Friedrichsen. Später wurde diese Bezeich¬ nung des Abhängigkeits-Verhältnisses weggelassen, aus unserm Dietrich Fried¬ richs oder Friedrichsen oder Friderici wurde einfach Dietrich Friedrich. Ein Beispiel dieses Ueberganges schon aus alter Zeit gibt uns Umdrehen in seinen altdeutschen Personennamen: darnach führt ein im 12. Jahrhundert zu Köln lebender Henricus, dessen Vater Nazo hieß, zum Unterschiede von anderen Heinrichen den Namen Henricus Razonis; derselbe Mann nennt sich aber bald darauf einfach Henricus Razo. Wir sehen also, wie bei Einführung der Familiennamen in vielen Fällen einfach der alte Personenname dazu verwandt wurde, das Geschlecht zu bezeichnen. So kommt es, daß Namen wie Otto, Walther, Hermann, Werner, Gottfried jetzt ebenso als Geschlechtsnamen wie als Vornamen gebraucht werden. Aber dies Hinzusetzen des Vaternamens war meist noch nicht aus¬ reichend zur genauen Bezeichnung des Individuums. Es wurden daher noch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/331
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/331>, abgerufen am 27.11.2024.