Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Frage, wem denn eigentlich die Minister verantwortlich sein sollen? Ob dem Die am 17. Juli (nach anderen Angaben bereits am Tage vorher) an¬ Frage, wem denn eigentlich die Minister verantwortlich sein sollen? Ob dem Die am 17. Juli (nach anderen Angaben bereits am Tage vorher) an¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142806"/> <p xml:id="ID_907" prev="#ID_906"> Frage, wem denn eigentlich die Minister verantwortlich sein sollen? Ob dem<lb/> Sultan? — was so viel bedeuten würde wie dessen Umgebung und der be¬<lb/> zeichneten Maßregel viel von ihrer Wichtigkeit und ihren heilsamen Folgen<lb/> nehmen würde — oder der Volksrepräsentation? — in welchem Falle dieselbe<lb/> zunächst in ihre suspendirten Rechte aufs neue einzusetzen sein würde — oder<lb/> endlich einem ack toe einzusetzenden höchsten Gerichtshofe? Dieser würde aber<lb/> schwer zu konstituiren sein, und vor allem: Wer hätte ihn zu ernennen?<lb/> Würde diese Befugniß dem Sultan zuerkannt, so würde damit die ihn um¬<lb/> gebende ränkesüchtige und allen Neuerungen feindliche Kamarilla aufs neue<lb/> zur Herrschaft gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_908" next="#ID_909"> Die am 17. Juli (nach anderen Angaben bereits am Tage vorher) an¬<lb/> sehende Ministerkrisis wurde, wie gesagt, durch die Einreichung der in Rede<lb/> stehenden Vorschläge Khereddin Pascha's unter gleichzeitiger Erklärung desselben,<lb/> seinen Posten im Falle der Ablehnung aufgeben zu müssen, eingeleitet. Sultan<lb/> Abdul Hamid scheint in nächster Erwiederung darauf die Meinung ausgesprochen<lb/> zu haben, daß so weit gehende Forderungen des einen Theils wohl einen<lb/> Abstrich durch den andern rechtfertigen dürsten, und daß mithin hier ein Fall<lb/> vorliege, in welchem ein Kompromiß als Ausweg sich empfehle. Dagegen<lb/> machte der Großwesir geltend, daß seine Bedingungen aufs allerknappste gefaßt<lb/> seien und nur das Allernothwendigste im Ange hätten, daß sie sich gegenseitig<lb/> ergänzten und der Ausfall einer einzelnen unfehlbar den logischen Zusammen¬<lb/> hang des Ganzen aufheben müsse. Mit dieser Diskussion kam man nicht vor¬<lb/> wärts. Die Gegner des Premiers begriffen sofort, daß in dem entstandenen<lb/> Konflikt es sich um mehr als um eine bloße Personenfrage, nämlich um das<lb/> Grundprinzip der zukünftigen Regierung handle, und daß, falls Khereddin mit<lb/> seinen Vorschlägen durchdringe, ihre eigene Stellung dadurch in der bedroh¬<lb/> lichsten Weise bloßgegeben werden würde. Daher der erbitterte Widerstand,<lb/> der sich sofort erhob, und dem die Absicht zu Grunde lag, auch den durch den<lb/> Souverän gewünschten Vergleich nicht zu Stande kommen zu lassen. Dennoch<lb/> schienen die Wagschalen beider Theile eine lange Zeit ohne entschiedenen Aus¬<lb/> schlag auf und nieder zu schwanken. Vielleicht war dnrch die Feinde Khered-<lb/> din's selber das am 21. und 22. kursirende und vielen Glauben findende<lb/> Gerücht verbreitet worden, daß an seinem endlichen Siege nicht füglich gezwei¬<lb/> felt werden könne. Auch die dem Großwesir freundlich gesinnten Kreise,<lb/> namentlich diejenigen der französischen und englischen Botschaft, sind durch<lb/> ähnliche Anschauungen wohl mehrere Tage hindurch beherrscht und irregeleitet<lb/> worden. Ernstere Befürchtungen über den Ausgang der Krisis scheinen bei den<lb/> Freunden und Gönnern des bedrohten Ministers zwar bereits am 23. Juli<lb/> vorübergehend einmal entstanden zu sein. Auch durch das hiesige europäische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Frage, wem denn eigentlich die Minister verantwortlich sein sollen? Ob dem
Sultan? — was so viel bedeuten würde wie dessen Umgebung und der be¬
zeichneten Maßregel viel von ihrer Wichtigkeit und ihren heilsamen Folgen
nehmen würde — oder der Volksrepräsentation? — in welchem Falle dieselbe
zunächst in ihre suspendirten Rechte aufs neue einzusetzen sein würde — oder
endlich einem ack toe einzusetzenden höchsten Gerichtshofe? Dieser würde aber
schwer zu konstituiren sein, und vor allem: Wer hätte ihn zu ernennen?
Würde diese Befugniß dem Sultan zuerkannt, so würde damit die ihn um¬
gebende ränkesüchtige und allen Neuerungen feindliche Kamarilla aufs neue
zur Herrschaft gelangen.
Die am 17. Juli (nach anderen Angaben bereits am Tage vorher) an¬
sehende Ministerkrisis wurde, wie gesagt, durch die Einreichung der in Rede
stehenden Vorschläge Khereddin Pascha's unter gleichzeitiger Erklärung desselben,
seinen Posten im Falle der Ablehnung aufgeben zu müssen, eingeleitet. Sultan
Abdul Hamid scheint in nächster Erwiederung darauf die Meinung ausgesprochen
zu haben, daß so weit gehende Forderungen des einen Theils wohl einen
Abstrich durch den andern rechtfertigen dürsten, und daß mithin hier ein Fall
vorliege, in welchem ein Kompromiß als Ausweg sich empfehle. Dagegen
machte der Großwesir geltend, daß seine Bedingungen aufs allerknappste gefaßt
seien und nur das Allernothwendigste im Ange hätten, daß sie sich gegenseitig
ergänzten und der Ausfall einer einzelnen unfehlbar den logischen Zusammen¬
hang des Ganzen aufheben müsse. Mit dieser Diskussion kam man nicht vor¬
wärts. Die Gegner des Premiers begriffen sofort, daß in dem entstandenen
Konflikt es sich um mehr als um eine bloße Personenfrage, nämlich um das
Grundprinzip der zukünftigen Regierung handle, und daß, falls Khereddin mit
seinen Vorschlägen durchdringe, ihre eigene Stellung dadurch in der bedroh¬
lichsten Weise bloßgegeben werden würde. Daher der erbitterte Widerstand,
der sich sofort erhob, und dem die Absicht zu Grunde lag, auch den durch den
Souverän gewünschten Vergleich nicht zu Stande kommen zu lassen. Dennoch
schienen die Wagschalen beider Theile eine lange Zeit ohne entschiedenen Aus¬
schlag auf und nieder zu schwanken. Vielleicht war dnrch die Feinde Khered-
din's selber das am 21. und 22. kursirende und vielen Glauben findende
Gerücht verbreitet worden, daß an seinem endlichen Siege nicht füglich gezwei¬
felt werden könne. Auch die dem Großwesir freundlich gesinnten Kreise,
namentlich diejenigen der französischen und englischen Botschaft, sind durch
ähnliche Anschauungen wohl mehrere Tage hindurch beherrscht und irregeleitet
worden. Ernstere Befürchtungen über den Ausgang der Krisis scheinen bei den
Freunden und Gönnern des bedrohten Ministers zwar bereits am 23. Juli
vorübergehend einmal entstanden zu sein. Auch durch das hiesige europäische
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