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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Arbeiter hat nun die geschickte und umsichtige Leitung des Hamburger Hauses
in einer Weise zu überwinden gewußt, daß die auf ihre Erfolge neidischen
Engländer und Amerikaner nicht umhin konnten, das Godeffroy-System nicht
nur anzuerkennen, sondern auch ihren Landsleuten bez. ihren Regierungen zur
Nachahmung zu empfehlen. Ein Herr Sterndal bemerkt in seinem Bericht an
den Ministerpräsidenten von Neuseeland über einige Südseeinseln, einer An¬
lage zu den "?Äxsrs rslÄtinA to tds LorM ^Kg, Islanäs sie." wörtlich Fol¬
gendes: "Es würde für Pflanzer in allen Tropen gut sein, wenn das von
den Herren Godeffroy befolgte System allgemein bekannt und angenommen
würde. Man kann nur hoffen und wünschen, daß früher oder später andere
gleich unternehmende Kapitalisten, von dem Einfluß einer erleuchteten Regierung
unterstützt, aus diesen Ideen Vortheil ziehen."

Dieses gerühmte System besteht darin, daß zum Zwecke der Plantagen¬
arbeit geeignete Persönlichkeiten von den benachbarten Inselgruppen, z. B. von
den Kingsmill-, Scwage-, Marshall-Jnseln, Karolinen mittelst eines richtigen
Vertrags gewonnen werden. Die Kapitäne der Godeffroy - Schiffe sind ange¬
wiesen, diesen in Gegenwart und unter Zustimmung der Angehörigen und des
Häuptlings des Stammes und womöglich auch im Beisein des Missionärs
oder eingebornen Hilfspredigers (tsaedsr) abzuschließen. Da das Haus bereits
seit längerer Zeit Arbeiter auf diesen Inseln anwirbt, kennen die Leute in der
Regel schon durch die Erzählung der Heimkehrenden ihre Verpflichtungen und
die BeHandlungsweise, weshalb man annehmen kann, daß der Vertrag in den
meisten Fällen mit vollkommenem Verständniß seines Inhaltes eingegangen
wird. Die Dauer des Kontrakts erstreckt sich auf drei bis fünf Jahre, nach
deren Ablauf sie in ihre Heimat zurückgeführt werden, es müßte denn sein,
daß sie sich entschließen, einen neuen Kontrakt einzugehen. Der Kontrakt ver¬
spricht ihnen 2 bis 3 Dollars monatlichen Gehalt und völlig freie Nahrung
.und Wohnung; der Verdienst wird in Waaren ausgezahlt. Es wird darauf
gehalten, daß neben Männern und eventuell ihren Familien auch eine Anzahl
unverheiratheter Frauen und Mädchen mit engagirt werden, welche durchschnitt¬
lich denselben Lohn erhalten wie die Männer, obwohl ihre Arbeitsleistung
natürlich eine weit geringere ist. Sie bilden aber einen Anziehungspunkt für
die Männer und verhindern, wenn sie in genügender Anzahl vorhanden sind,
Unfrieden und Streit. Es ist zum Gesetz gemacht und wird den Leuten mit¬
getheilt, daß wenn ein Mann auf der Faktorei eine Frau nimmt, sie beide
während der längsten Dauer der beiden Kontrakte im Dienste bleiben müssen.
Bei ihrer Ankunft auf den Ländereien bieten sie ein Abbild der niedrigsten
Stufe der Südseeinsulaner dar; sie werden aber sogleich untergebracht, und
zwar in Holzhütten, die groß, luftig und rein sind, im übrigen aber ganz dem


Arbeiter hat nun die geschickte und umsichtige Leitung des Hamburger Hauses
in einer Weise zu überwinden gewußt, daß die auf ihre Erfolge neidischen
Engländer und Amerikaner nicht umhin konnten, das Godeffroy-System nicht
nur anzuerkennen, sondern auch ihren Landsleuten bez. ihren Regierungen zur
Nachahmung zu empfehlen. Ein Herr Sterndal bemerkt in seinem Bericht an
den Ministerpräsidenten von Neuseeland über einige Südseeinseln, einer An¬
lage zu den „?Äxsrs rslÄtinA to tds LorM ^Kg, Islanäs sie." wörtlich Fol¬
gendes: „Es würde für Pflanzer in allen Tropen gut sein, wenn das von
den Herren Godeffroy befolgte System allgemein bekannt und angenommen
würde. Man kann nur hoffen und wünschen, daß früher oder später andere
gleich unternehmende Kapitalisten, von dem Einfluß einer erleuchteten Regierung
unterstützt, aus diesen Ideen Vortheil ziehen."

Dieses gerühmte System besteht darin, daß zum Zwecke der Plantagen¬
arbeit geeignete Persönlichkeiten von den benachbarten Inselgruppen, z. B. von
den Kingsmill-, Scwage-, Marshall-Jnseln, Karolinen mittelst eines richtigen
Vertrags gewonnen werden. Die Kapitäne der Godeffroy - Schiffe sind ange¬
wiesen, diesen in Gegenwart und unter Zustimmung der Angehörigen und des
Häuptlings des Stammes und womöglich auch im Beisein des Missionärs
oder eingebornen Hilfspredigers (tsaedsr) abzuschließen. Da das Haus bereits
seit längerer Zeit Arbeiter auf diesen Inseln anwirbt, kennen die Leute in der
Regel schon durch die Erzählung der Heimkehrenden ihre Verpflichtungen und
die BeHandlungsweise, weshalb man annehmen kann, daß der Vertrag in den
meisten Fällen mit vollkommenem Verständniß seines Inhaltes eingegangen
wird. Die Dauer des Kontrakts erstreckt sich auf drei bis fünf Jahre, nach
deren Ablauf sie in ihre Heimat zurückgeführt werden, es müßte denn sein,
daß sie sich entschließen, einen neuen Kontrakt einzugehen. Der Kontrakt ver¬
spricht ihnen 2 bis 3 Dollars monatlichen Gehalt und völlig freie Nahrung
.und Wohnung; der Verdienst wird in Waaren ausgezahlt. Es wird darauf
gehalten, daß neben Männern und eventuell ihren Familien auch eine Anzahl
unverheiratheter Frauen und Mädchen mit engagirt werden, welche durchschnitt¬
lich denselben Lohn erhalten wie die Männer, obwohl ihre Arbeitsleistung
natürlich eine weit geringere ist. Sie bilden aber einen Anziehungspunkt für
die Männer und verhindern, wenn sie in genügender Anzahl vorhanden sind,
Unfrieden und Streit. Es ist zum Gesetz gemacht und wird den Leuten mit¬
getheilt, daß wenn ein Mann auf der Faktorei eine Frau nimmt, sie beide
während der längsten Dauer der beiden Kontrakte im Dienste bleiben müssen.
Bei ihrer Ankunft auf den Ländereien bieten sie ein Abbild der niedrigsten
Stufe der Südseeinsulaner dar; sie werden aber sogleich untergebracht, und
zwar in Holzhütten, die groß, luftig und rein sind, im übrigen aber ganz dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/296>, abgerufen am 01.09.2024.