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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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(pipM rristb^stionw) bereitet. Der Hergang dabei ist etwa folgender. Die doppelt
daumendicke, knotige und verästelte grüne Wurzel wird in mundgerechte Stücke zer-
chnitten und in der Regel von jungen Mädchen oder Knaben mit den Zähnen zer¬
malmt. Ist ein Bissen fertig gekaut, so wird er mit Daumen und Zeigefinger
aus dem Munde geholt und als wohlgeformtes rundliches Häufchen in eine
große Schale gelegt. Wenn so genügender Stoff vorbereitet ist, so gießt man
Wasser aus hohlen Kokosnüssen dazu und vermengt und filtrit die Masse.
Das Trinken derselben geschieht unter ganz bestimmten Ceremonieen. Trunken¬
heit erzeugt dieses abgußartige Getränk niemals, wohl aber verspürte ein Reisender
nach Kawagenuß eine Neigung zum Erbrechen und starke Schweißabsonderung.
Gemeinschaftliche Mahlzeiten der ganzen Familien finden täglich einmal statt
und zwar um Abend:" den übrigen Theil stillt jeder"seinen Appetit da, wo er
ihn fühlt und wo er etwas Eßbares findet. Bei der Hauptmahlzeit dienen an¬
statt der Schüsseln und Gläser Kokosschalen, anstatt der Teller Blätter; der
Gebrauch von Löffel und Gabel ist unbekannt.

Männer und Frauen tragen meist dieselbe Kleidung: einen Schurz (riti)
entweder aus Pflanzenstoffen (z. B. den Blättern der oorä^uns tsriviQslis
oder Hibismsfasern) oder Kattunstückchen bestehend, der bei den Männern in
Form eines fußgroßen Quadrates die Vorderseite verdeckt, bei den Frauen
dagegen rings um den Leib geht. Die Frauen wissen auch aus der Rinde des
Papiermaulbeerbaumes Zeuge zu bereiten, die sie mit Pflanzenstoffen oder Thon
färben. An hohen Festtagen treten an Stelle der titi Matten, die von den
Frauen mit auffallendem Geschmack und in großer Feinheit geflochten werden;
aber ?auch dann bleibt der Oberkörper unbekleidet. Diese ihre ursprüngliche
Kleidung haben sie aber unter dem Einfluß der Missionäre abgelegt und mit
einer langer Kutte vertauscht, welche den plastisch schönen Körpern der Leute
eine bedenkliche Aehnlichkeit mit wandelnden Säcken verleiht. Diese von den
Missionären mit besonderer Absicht gewählte Einhüllung, die zuerst in Tahiti
aufgebracht wurde, heißt tiputs.. Das Haar tragen die Männer schlicht herab¬
hängend oder in einen Knoten geflochten, auch verstehen sie es, künstliche Locken
zu bilden, indem sie ihr Haupthaar um Kokospalmenrippen wickeln. Die Frauen
dagegen schneiden merkwürdigerweise ihren natürlichen Kopfschmuck ab, sobald
sie sich verheirathen; nur zwei Locken verschonen sie, die sie sich nicht ohne
Koquetterie in's Gesicht hängen lassen. Während in heidnischen Zeiten der
Kopf unbedeckt blieb, haben die Missionäre den Männern unförmliche Strohhüte,
den Frauen unschöne Hauben angewöhnt. Beide Geschlechter lieben Hals- und
Armbänder, die sie aus rothen Federn, Schildpatt, Haifischzähnen, Korallen
oder Blumen herstellen. Auch das Tätowiren ist Sitte, und zwar lassen sie


(pipM rristb^stionw) bereitet. Der Hergang dabei ist etwa folgender. Die doppelt
daumendicke, knotige und verästelte grüne Wurzel wird in mundgerechte Stücke zer-
chnitten und in der Regel von jungen Mädchen oder Knaben mit den Zähnen zer¬
malmt. Ist ein Bissen fertig gekaut, so wird er mit Daumen und Zeigefinger
aus dem Munde geholt und als wohlgeformtes rundliches Häufchen in eine
große Schale gelegt. Wenn so genügender Stoff vorbereitet ist, so gießt man
Wasser aus hohlen Kokosnüssen dazu und vermengt und filtrit die Masse.
Das Trinken derselben geschieht unter ganz bestimmten Ceremonieen. Trunken¬
heit erzeugt dieses abgußartige Getränk niemals, wohl aber verspürte ein Reisender
nach Kawagenuß eine Neigung zum Erbrechen und starke Schweißabsonderung.
Gemeinschaftliche Mahlzeiten der ganzen Familien finden täglich einmal statt
und zwar um Abend:" den übrigen Theil stillt jeder"seinen Appetit da, wo er
ihn fühlt und wo er etwas Eßbares findet. Bei der Hauptmahlzeit dienen an¬
statt der Schüsseln und Gläser Kokosschalen, anstatt der Teller Blätter; der
Gebrauch von Löffel und Gabel ist unbekannt.

Männer und Frauen tragen meist dieselbe Kleidung: einen Schurz (riti)
entweder aus Pflanzenstoffen (z. B. den Blättern der oorä^uns tsriviQslis
oder Hibismsfasern) oder Kattunstückchen bestehend, der bei den Männern in
Form eines fußgroßen Quadrates die Vorderseite verdeckt, bei den Frauen
dagegen rings um den Leib geht. Die Frauen wissen auch aus der Rinde des
Papiermaulbeerbaumes Zeuge zu bereiten, die sie mit Pflanzenstoffen oder Thon
färben. An hohen Festtagen treten an Stelle der titi Matten, die von den
Frauen mit auffallendem Geschmack und in großer Feinheit geflochten werden;
aber ?auch dann bleibt der Oberkörper unbekleidet. Diese ihre ursprüngliche
Kleidung haben sie aber unter dem Einfluß der Missionäre abgelegt und mit
einer langer Kutte vertauscht, welche den plastisch schönen Körpern der Leute
eine bedenkliche Aehnlichkeit mit wandelnden Säcken verleiht. Diese von den
Missionären mit besonderer Absicht gewählte Einhüllung, die zuerst in Tahiti
aufgebracht wurde, heißt tiputs.. Das Haar tragen die Männer schlicht herab¬
hängend oder in einen Knoten geflochten, auch verstehen sie es, künstliche Locken
zu bilden, indem sie ihr Haupthaar um Kokospalmenrippen wickeln. Die Frauen
dagegen schneiden merkwürdigerweise ihren natürlichen Kopfschmuck ab, sobald
sie sich verheirathen; nur zwei Locken verschonen sie, die sie sich nicht ohne
Koquetterie in's Gesicht hängen lassen. Während in heidnischen Zeiten der
Kopf unbedeckt blieb, haben die Missionäre den Männern unförmliche Strohhüte,
den Frauen unschöne Hauben angewöhnt. Beide Geschlechter lieben Hals- und
Armbänder, die sie aus rothen Federn, Schildpatt, Haifischzähnen, Korallen
oder Blumen herstellen. Auch das Tätowiren ist Sitte, und zwar lassen sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/239>, abgerufen am 01.09.2024.