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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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kehricht darstellt, bringt auch in seiner neuesten Nummer noch mitten unter
den üblichen Schmutz-' und Schwindelannoncen das Inserat: "Wissensch. Ar¬
beiten jed. Art, AK' auch militair., reell und preiswerth. Ubr. Großer
Berliner Gelehrten-Verein, Annone.-Exp. Oscar Sperber, Charlottenstr. 27".
Daß dieser "Große Berliner Gelehrtenverein" den Teufel darnach fragen wird,
ob eine von ihm verlangte Arbeit als Examenarbeit bei einer staatlichen Kan¬
didatenprüfung oder als Jnaugural - Dissertation eingereicht werden soll, ist
selbstverständlich. Für Geld wird eben Alles geliefert, was verlangt wird.
Die Universitäten werden also auch in Zukunft, um nicht das Opfer neuer
Schwindeleien zu werden, die größte Vorsicht anzuwenden haben. Aller und jeder
Betrug wird schwerlich auszuschließen sein, namentlich an unseren großen, stark
frequentirten Universitäten. Die schöne Zeit -- der Verfasser dieser Zeilen hat
sie noch mir durchlebt --, wo der Universitätslehrer zu den meisten seiner
Schüler in ein näheres persönliches Verhältniß trat -- wer es nicht dazu
brachte, der war eben selber schuld und galt als Sonderling --> wo der Lehrer
über die jeweiligen wissenschaftlichen Liebhabereien seiner Schüler stets infor-
mire war und sie mit Antheil verfolgte, und wo die schriftlichen Prüfungs¬
aufgaben so gut wie das mündliche Examen schließlich kaum etwas andres
sein konnten, als ein natürliches Ergebniß der zuletzt betriebenen Studien des
Examinanden, diese schöne Zeit ist freilich für immer vorbei. Bei dem unge¬
heuren Zudrang zu einzelnen Universitäten hat sich das Verhältniß geradezu
umgekehrt, und der größere Theil der Studenten bleibt wohl dem Professor
jetzt ziemlich fremd gegenüberstehen. Um so größere Sorgfalt müßte aber auf
die Auswahl der Examenthemata verwandt werden. Wir glauben gern, daß
es unendlich schwer sein mag, Jahr aus, Jahr ein die Masse von Themen,
die jetzt gefordert wird, zu beschaffen, und geradezu unmöglich, in jedem ein¬
zelnen Falle das Richtige damit zu treffen. Eins aber, sollte man meinen, müßte
doch in den meisten Fällen möglich sein: ein Thema zu vermeiden, welches
dem Studienkreise des Examinanden gänzlich fernliegt, und dann: ein Thema
zu vermeiden, welches augenscheinlich weniger um des Examinanden, als um
des Examiuators willen gestellt ist, im Grunde nichts weiter fordert als eine
wissenschaftliche Handlangerarbeit und in Folge dessen auch von einem unbe-
theiligten Dritten zur Noth für Geld bearbeitet werden kann.

Nachtrag. Die neueste Nummer des Beiblattes zum "Kladderadatsch"
(27. Juli) enthält folgendes Inserat: "Hilfe bei Promotions-Prüfungs-
und sonstigen Arbeiten aller Wissenschaften (Technik, Militair). Ubr. "Gelehrten-
Verein <ü. 505" bes. d. Exped. Berl. Tageblatt, Berlin Friedrichstr. 66."
Das ist ja deutlich genug!




kehricht darstellt, bringt auch in seiner neuesten Nummer noch mitten unter
den üblichen Schmutz-' und Schwindelannoncen das Inserat: „Wissensch. Ar¬
beiten jed. Art, AK' auch militair., reell und preiswerth. Ubr. Großer
Berliner Gelehrten-Verein, Annone.-Exp. Oscar Sperber, Charlottenstr. 27".
Daß dieser „Große Berliner Gelehrtenverein" den Teufel darnach fragen wird,
ob eine von ihm verlangte Arbeit als Examenarbeit bei einer staatlichen Kan¬
didatenprüfung oder als Jnaugural - Dissertation eingereicht werden soll, ist
selbstverständlich. Für Geld wird eben Alles geliefert, was verlangt wird.
Die Universitäten werden also auch in Zukunft, um nicht das Opfer neuer
Schwindeleien zu werden, die größte Vorsicht anzuwenden haben. Aller und jeder
Betrug wird schwerlich auszuschließen sein, namentlich an unseren großen, stark
frequentirten Universitäten. Die schöne Zeit — der Verfasser dieser Zeilen hat
sie noch mir durchlebt —, wo der Universitätslehrer zu den meisten seiner
Schüler in ein näheres persönliches Verhältniß trat — wer es nicht dazu
brachte, der war eben selber schuld und galt als Sonderling —> wo der Lehrer
über die jeweiligen wissenschaftlichen Liebhabereien seiner Schüler stets infor-
mire war und sie mit Antheil verfolgte, und wo die schriftlichen Prüfungs¬
aufgaben so gut wie das mündliche Examen schließlich kaum etwas andres
sein konnten, als ein natürliches Ergebniß der zuletzt betriebenen Studien des
Examinanden, diese schöne Zeit ist freilich für immer vorbei. Bei dem unge¬
heuren Zudrang zu einzelnen Universitäten hat sich das Verhältniß geradezu
umgekehrt, und der größere Theil der Studenten bleibt wohl dem Professor
jetzt ziemlich fremd gegenüberstehen. Um so größere Sorgfalt müßte aber auf
die Auswahl der Examenthemata verwandt werden. Wir glauben gern, daß
es unendlich schwer sein mag, Jahr aus, Jahr ein die Masse von Themen,
die jetzt gefordert wird, zu beschaffen, und geradezu unmöglich, in jedem ein¬
zelnen Falle das Richtige damit zu treffen. Eins aber, sollte man meinen, müßte
doch in den meisten Fällen möglich sein: ein Thema zu vermeiden, welches
dem Studienkreise des Examinanden gänzlich fernliegt, und dann: ein Thema
zu vermeiden, welches augenscheinlich weniger um des Examinanden, als um
des Examiuators willen gestellt ist, im Grunde nichts weiter fordert als eine
wissenschaftliche Handlangerarbeit und in Folge dessen auch von einem unbe-
theiligten Dritten zur Noth für Geld bearbeitet werden kann.

Nachtrag. Die neueste Nummer des Beiblattes zum „Kladderadatsch"
(27. Juli) enthält folgendes Inserat: „Hilfe bei Promotions-Prüfungs-
und sonstigen Arbeiten aller Wissenschaften (Technik, Militair). Ubr. „Gelehrten-
Verein <ü. 505" bes. d. Exped. Berl. Tageblatt, Berlin Friedrichstr. 66."
Das ist ja deutlich genug!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/205>, abgerufen am 28.11.2024.