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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ehrenvoll für den Staat ausfallen. Denn der bedrängte Theil ist Rom, und
der Vatikan ist in der Lage, schon den bloßen Stillstand des Kampfes mit dem
deutschen Reiche für ein unschätzbares Gut zu achten. Denn dieser Stillstand
schon lähmt bis auf weiteres die in der ganzen romanischen Welt gegen Rom
aufgehobene Hand des Staates. Die staatsmännischen Mitglieder des Zentrums
werden dies begreifen und darum nicht nur deu Frieden halten, sondern sich
in der Hauptsache zur Stütze der Regierungspolitik machen. Auf diesen Weg
können aber diejenigen Elemente der bisherigen Opposition nicht folgen, welche
noch mehr politisch radikal als klerikal sind. Und auch diejenigen Elemente nicht,
welche in erster Linie partikularistisch, und endlich diejenigen nicht, deren Lebens¬
luft ein cynischer Fanatismus und die Verketzerung aller Sitte und Bildung
geworden. Die Sammlung der oppositionellen Elemente gegen das Reich und
den Fürsten Bismarck wird nicht anziehender werden dadurch, daß nur der
Bodensatz des Zentrums ihr angehörig bleibt, der, ungebunden, seine Natur
gar herrlich offenbaren wird. Wenn Herr v. Bennigsen und seine Freunde in
dieser Sammlung auszuharren gewillt sind: das gebildete deutsche Bürgerthum,
das sie immerfort als ihren Heerbann darstellen, wird nicht mit ihnen ausharren




Die
deutsche Literatur zur Jede des siebenjährigen Krieges.
Julian Schmidt. Von V.

Möser war Humorist. Zum Theil liegt gerade darin seine historische
Stellung. In der Wolffischen Philosophie und der Dichtung, die sich ihr an¬
schloß, wurde alles ernsthaft und dogmatisch behandelt, und die Schule Voltaire's
deckte mit ihren: Spott gegen Andersgläubige eigentlich nur den eignen Dog¬
matismus. Bodmer schalt selbst Lessing einen Spaßmacher und veranlaßte
diesen, sich ausdrücklich des geschmähten Capriecio anzunehmen.

Nun aber erregten zwei Engländer die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums:
H une und gleichzeitig Sterne, dessen "Tristram Shandy" seit 1759 erschien.
Wieland schwärmte für den letzteren, auch Lessing wurde ungewöhnlich warm,
und es gelang ihm, auch Mendelssohn zu bekehren. "Anfangs," erzählte dieser,


ehrenvoll für den Staat ausfallen. Denn der bedrängte Theil ist Rom, und
der Vatikan ist in der Lage, schon den bloßen Stillstand des Kampfes mit dem
deutschen Reiche für ein unschätzbares Gut zu achten. Denn dieser Stillstand
schon lähmt bis auf weiteres die in der ganzen romanischen Welt gegen Rom
aufgehobene Hand des Staates. Die staatsmännischen Mitglieder des Zentrums
werden dies begreifen und darum nicht nur deu Frieden halten, sondern sich
in der Hauptsache zur Stütze der Regierungspolitik machen. Auf diesen Weg
können aber diejenigen Elemente der bisherigen Opposition nicht folgen, welche
noch mehr politisch radikal als klerikal sind. Und auch diejenigen Elemente nicht,
welche in erster Linie partikularistisch, und endlich diejenigen nicht, deren Lebens¬
luft ein cynischer Fanatismus und die Verketzerung aller Sitte und Bildung
geworden. Die Sammlung der oppositionellen Elemente gegen das Reich und
den Fürsten Bismarck wird nicht anziehender werden dadurch, daß nur der
Bodensatz des Zentrums ihr angehörig bleibt, der, ungebunden, seine Natur
gar herrlich offenbaren wird. Wenn Herr v. Bennigsen und seine Freunde in
dieser Sammlung auszuharren gewillt sind: das gebildete deutsche Bürgerthum,
das sie immerfort als ihren Heerbann darstellen, wird nicht mit ihnen ausharren




Die
deutsche Literatur zur Jede des siebenjährigen Krieges.
Julian Schmidt. Von V.

Möser war Humorist. Zum Theil liegt gerade darin seine historische
Stellung. In der Wolffischen Philosophie und der Dichtung, die sich ihr an¬
schloß, wurde alles ernsthaft und dogmatisch behandelt, und die Schule Voltaire's
deckte mit ihren: Spott gegen Andersgläubige eigentlich nur den eignen Dog¬
matismus. Bodmer schalt selbst Lessing einen Spaßmacher und veranlaßte
diesen, sich ausdrücklich des geschmähten Capriecio anzunehmen.

Nun aber erregten zwei Engländer die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums:
H une und gleichzeitig Sterne, dessen „Tristram Shandy" seit 1759 erschien.
Wieland schwärmte für den letzteren, auch Lessing wurde ungewöhnlich warm,
und es gelang ihm, auch Mendelssohn zu bekehren. „Anfangs," erzählte dieser,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/139>, abgerufen am 25.11.2024.