Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.In Konstantinopel war die Aufregung keine genüge, als am 26. Juni Einschneidender noch in die seitherige Lage als das Absetzungs-Dekret dürften Grenzboten III. 1879. Is
In Konstantinopel war die Aufregung keine genüge, als am 26. Juni Einschneidender noch in die seitherige Lage als das Absetzungs-Dekret dürften Grenzboten III. 1879. Is
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142600"/> <p xml:id="ID_286"> In Konstantinopel war die Aufregung keine genüge, als am 26. Juni<lb/> durch den „Terdjümani Hakikat", ein bis dahin wenig bekannt gewordenes<lb/> türkisches Blatt, vier am Vormittag desselben Tages durch Khereddin resp.<lb/> Karatheodory Pascha unterzeichnete und expedirte amtliche Aktenstücke, welche<lb/> sich auf die in der aegyptischen Frage gefaßten entscheidenden Beschlüsse der<lb/> Pforte bezogen, veröffentlicht wurden. Zunächst ein Telegramm des Gro߬<lb/> wesirs an Tewfik Pascha, enthaltend die Anzeige der Absetzung des seitherigen<lb/> Khedive, seines Vaters, durch den Sultan und seiner eigenen Berufung in dessen<lb/> Stelle. Sodann ein anderes, an Ismail Pascha selber adressirtes Telegramm<lb/> des nämlichen Inhalts, und ein drittes an die Statthalter der mit autonomer<lb/> Verwaltung ausgestatteten Provinzen des osmanischen Reiches, durch welches<lb/> denselben Kenntniß von dem Geschehenen gegeben wurde. Endlich ein tele¬<lb/> graphisches Rundschreiben an die Vertreter der Pforte bei den europäischen<lb/> Großmächten. Letzteres trug die Signatur des Ministers der auswärtigen<lb/> Angelegenheiten. Von politischen! Gesichtspunkt kam ihm entschieden die Haupt¬<lb/> bedeutung zu, und zwar ruhte sein eigentlicher Schwerpunkt in dem Passus,<lb/> der von der Annullirung des mehrfach erwähnten Fermans handelte. Bei der<lb/> überwiegenden Unbekanntschaft mit der türkischen Schriftsprache in den europäi¬<lb/> schen und christlichen Kreisen Konstantinopel's kam es der raschen Verbreitung<lb/> der hochwichtigen Kunde sehr zu statten, daß dnrch den Natw die vier vorer¬<lb/> wähnten Dokumente bereits um 7 Uhr Abends durch ein Extrablatt zugänglich<lb/> gemacht wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_287" next="#ID_288"> Einschneidender noch in die seitherige Lage als das Absetzungs-Dekret dürften<lb/> anderweitige Beschlüsse oder Vorschlüge der Pforte werden, über die vorerst<lb/> nur ein einziges türkisches Journal, der öfter genannte „Walde", deutsch „Die<lb/> Zeit" und deshalb spöttisch die „osmanische Times" genannt, einige Andeu¬<lb/> tungen gebracht hat. Hiernach gewinnt es viel Wahrscheinlichkeit, daß neben<lb/> der Rücknahme des erwähnten Fermans Khereddin Pascha dem Sultan zu<lb/> dem, allerdings vor seiner Ausführung noch der Vereinbarung und Gutheißung<lb/> dnrch die europäischen Großmächte unterliegenden Beschlusse einer direkten Ein¬<lb/> mischung in die aegyptische Verwaltung gerathen habe. Das erwähnte halb¬<lb/> offizielle Blatt hebt bei dieser Gelegenheit mit bedeutendem Nachdruck hervor,<lb/> daß, um die Dinge am Nil in einer die dortigen europäischen Interessen be¬<lb/> friedigenden und ihnen allseitig gerechtiverdenden Weise regeln zu können, die<lb/> Pforte vor allem der Bewilligung eiuer längeren Zeitfrist bedürfe. Als erste<lb/> einleitende Maßregel empfehle sich die Absendung einer finanziellen Unter-<lb/> suchungs-Kommission nach Aegypten. Derselben würde eine genaue Ermitte¬<lb/> lung der eigentlichen Lage des khedivischen Staatshaushaltes obliegen. Im<lb/> Besonderen würde sie sich mit deu zwischen dem aegyptischen Schatzamte und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1879. Is</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
In Konstantinopel war die Aufregung keine genüge, als am 26. Juni
durch den „Terdjümani Hakikat", ein bis dahin wenig bekannt gewordenes
türkisches Blatt, vier am Vormittag desselben Tages durch Khereddin resp.
Karatheodory Pascha unterzeichnete und expedirte amtliche Aktenstücke, welche
sich auf die in der aegyptischen Frage gefaßten entscheidenden Beschlüsse der
Pforte bezogen, veröffentlicht wurden. Zunächst ein Telegramm des Gro߬
wesirs an Tewfik Pascha, enthaltend die Anzeige der Absetzung des seitherigen
Khedive, seines Vaters, durch den Sultan und seiner eigenen Berufung in dessen
Stelle. Sodann ein anderes, an Ismail Pascha selber adressirtes Telegramm
des nämlichen Inhalts, und ein drittes an die Statthalter der mit autonomer
Verwaltung ausgestatteten Provinzen des osmanischen Reiches, durch welches
denselben Kenntniß von dem Geschehenen gegeben wurde. Endlich ein tele¬
graphisches Rundschreiben an die Vertreter der Pforte bei den europäischen
Großmächten. Letzteres trug die Signatur des Ministers der auswärtigen
Angelegenheiten. Von politischen! Gesichtspunkt kam ihm entschieden die Haupt¬
bedeutung zu, und zwar ruhte sein eigentlicher Schwerpunkt in dem Passus,
der von der Annullirung des mehrfach erwähnten Fermans handelte. Bei der
überwiegenden Unbekanntschaft mit der türkischen Schriftsprache in den europäi¬
schen und christlichen Kreisen Konstantinopel's kam es der raschen Verbreitung
der hochwichtigen Kunde sehr zu statten, daß dnrch den Natw die vier vorer¬
wähnten Dokumente bereits um 7 Uhr Abends durch ein Extrablatt zugänglich
gemacht wurden.
Einschneidender noch in die seitherige Lage als das Absetzungs-Dekret dürften
anderweitige Beschlüsse oder Vorschlüge der Pforte werden, über die vorerst
nur ein einziges türkisches Journal, der öfter genannte „Walde", deutsch „Die
Zeit" und deshalb spöttisch die „osmanische Times" genannt, einige Andeu¬
tungen gebracht hat. Hiernach gewinnt es viel Wahrscheinlichkeit, daß neben
der Rücknahme des erwähnten Fermans Khereddin Pascha dem Sultan zu
dem, allerdings vor seiner Ausführung noch der Vereinbarung und Gutheißung
dnrch die europäischen Großmächte unterliegenden Beschlusse einer direkten Ein¬
mischung in die aegyptische Verwaltung gerathen habe. Das erwähnte halb¬
offizielle Blatt hebt bei dieser Gelegenheit mit bedeutendem Nachdruck hervor,
daß, um die Dinge am Nil in einer die dortigen europäischen Interessen be¬
friedigenden und ihnen allseitig gerechtiverdenden Weise regeln zu können, die
Pforte vor allem der Bewilligung eiuer längeren Zeitfrist bedürfe. Als erste
einleitende Maßregel empfehle sich die Absendung einer finanziellen Unter-
suchungs-Kommission nach Aegypten. Derselben würde eine genaue Ermitte¬
lung der eigentlichen Lage des khedivischen Staatshaushaltes obliegen. Im
Besonderen würde sie sich mit deu zwischen dem aegyptischen Schatzamte und
Grenzboten III. 1879. Is
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